Zweiter Mobilfunkgipfel: Schnelles Netz für Land und Bahn
Foto: CC BY 2.0 Flickr User Tobias Nordhausen. Bildname: Auf dem Frauenberg. Ausschnitt bearbeitet.
Der Bund will den Netzausbau schneller vorantreiben. Vor allem auf dem Land und entlang von Bahnstrecken will die Bundesregierung Versorgungslücken schließen. Dafür soll auch die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) als neue Behörde sorgen. Die Opposition warnt hingegen vor einem neuen „Bürokratiemonster“.
Der Internetzugang in Deutschland muss schnell und flächendeckend verfügbar sein – darin waren sich die vier Bundesministerinnen und -minister bei der Präsentation der Ergebnisse des zweiten Mobilfunkgipfels am 16. Juni einig. „Ich will, dass niemand mehr durch das Netz fällt“, sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Innen- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU) will „Mobilfunk für alle, ohne Funklöcher und ohne ‚weiße‘ Flecken“, wie er betonte. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) fordert „5G über jedem Acker“ und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) möchte beim Netzausbau auch Naturschutz-Standards berücksichtigt wissen.
In der „Erklärung zum Zweiten Mobilfunkgipfel“ und den „Eckpunkten für die Mobilfunkförderung“ steht, wie die Regierung dies umsetzen will. Ziel ist, 5.000 zusätzliche Mobilfunkstandorte zu erschließen, was mit rund 1,1 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ gefördert werden soll. Länder und Kommunen müssen sich finanziell nicht daran beteiligen.
MIG übernimmt „Scharnierfunktion“
Eine zentrale „Scharnierfunktion“ beim Ausbau soll der neu zu gründenden Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) zukommen. Als Verbindungsglied zwischen Kommunen und Mobilfunknetzbetreibern soll sie die Kommunikation koordinieren, die Suche nach geeigneten Flächen für Mobilfunkmasten beschleunigen und Verträge und Genehmigungen vorbereiten.
Bis zum 30. September sollen die Netzbetreiber die Bundesnetzagentur und die MIG darüber informieren, „welche GSM-Standorte für eine LTE-Erschließung zur Umsetzung von Verpflichtungen bzw. Zusagen sowie in weißen Flecken (kein mobiles Breitband verfügbar) nutzbar gemacht werden können“. In der Gipfelerklärung werden außerdem Maßnahmen genannt, die den Mobilfunkausbau erleichtern und beschleunigen sollen. So sollen Liegenschaften, Grundstücke und Infrastrukturen der öffentlichen Hand, die sich als Standorte eignen, in ein Geoinformationssystem eingetragen werden.
Besseres Netz entlang Bahnstrecken
Verfahren zur Genehmigung von Masten sollen beschleunigt werden. „Ziel ist es, dass Anträge auf Genehmigung von Mobilfunkstandorten binnen einer Frist von drei Monaten nach der Vorlage vollständiger Antragsunterlagen beschieden werden“, heißt es in der Gipfelerklärung. Unter Vorsitz Thüringens soll eine Arbeitsgruppe der Länder mit Beteiligung des Bundes „Vollzugshinweise für die Errichtung von Mobilfunkanlagen in allen bauplanungsrechtlichen Bereichen vorlegen“. Frist für die Hinweise ist ebenfalls September 2020. Geplant ist außerdem ein besseres Mobilfunknetz entlang von Bahnstrecken. Der Bund werde die nötige Umrüstung auf GSM-R zu 100 Prozent mit 150 Millionen Euro unterstützen, unterstrich Scheuer auf der Pressekonferenz.
Thomas Jarzombek (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, unterstrich, dass bis Ende 2022 eine komplette Mobilfunk-Netzabdeckung entlang aller Autobahnen und Bundesstraßen hergestellt werden soll. Die Landes- und Staatsstraßen sollen bis 2024 abgedeckt sein. Ebenfalls bis Ende 2022 sei die Mobilfunkabdeckung entlang aller Schienenverkehrswege mit mehr als 2.000 Fahrgästen pro Tag geplant. Hier hinkt die Bundesregierung ihren Versprechungen hinterher, die sie nach dem ersten Mobilfunkgipfel am 12. Juli 2018 formuliert hatte. Seinerzeit war geplant, bis Anfang 2020 eine 4G-Abdeckung an den Autobahnen und ICE-Trassen zu gewährleisten.
In den Eckpunkten zur Mobilfunkförderung wird der Begriff „weißer Fleck“ genauer definiert. Gemeint ist damit ein Gebiet, „in dem keine Versorgung mit einer mobilen und breitbandigen Sprach- und Datenübertragung (3G oder besser) durch mindestens ein öffentliches Mobilfunknetz besteht“. Förderfähig sind solche Gebiete, wenn ein Marktversagen vorliegt. Dies soll der Fall sein, wenn drei Jahre nach Durchführung eines Markterkundungsverfahrens kein Betreiber dort ausbauen möchte. In anderen Gebieten hat der privatwirtschaftliche Ausbau Vorrang. Die Details der Förderung werden im Eckpunktepapier genauer beschrieben. Dabei übernimmt die MIG eine zentrale Rolle, um etwa Doppelförderungen auszuschließen.
Sorgen um die Gesundheit der Bürger, zum Beispiel durch Strahlung, greift die Gipfelerklärung ebenfalls auf. Funkanlagen gelten „nach den national und international anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen als gesundheitlich unbedenklich“, steht darin. Die Forschung dazu seitens des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) werde „ausdrücklich“ unterstützt. Über Risiken soll transparent informiert werden.
MIG weiteres „Bürokratiemonster“
Die Opposition kritisiert an den Plänen vor allem die Neugründung der MIG. „Sie wird keine Entlastung schaffen, sondern neue Bürokratie und Kosten“, sagte Frank Sitta, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender. Margit Stumpp, medienpolitische Sprecherin der Grünen, kritisiert, dass an der Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft „als Allheilmittel zur Bekämpfung der weißen Flecken […] wider besseren Wissens“ festgehalten werde. Es wirke absurd, dass die Mobilfunkunternehmen bei der letzten Versteigerung über sechs Milliarden Euro für Frequenzen bezahlten und sie nun mit 1,1 Milliarden Euro für das Schließen der verbliebenen Funklöcher geködert würden. „Das Corona-Konjunkturpaket sieht sogar noch weitere fünf Milliarden Euro für den Mobilfunkausbau durch die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft vor“, sagte Stumpp. Die MIG drohe „ein weiteres Bürokratiemonster“ zu werden.
Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), schließt sich der Kritik an. „Eine neue Behörde wird nicht die Lösung unserer Probleme sein. Der Staat sollte die Wirtschaft unterstützen, ohne die Arbeit von Wirtschaftsunternehmen machen zu wollen“, sagte er.
Kritik kommt auch seitens der Glasfaser-Branche, die nicht zum Gipfel eingeladen war. Stephan Albers, Geschäftsführer des Bundesverbands Breitbandkommunikation (BREKO), sieht das als verpasste Chance für den branchenübergreifenden Ausbau. „Die Tatsache, dass Glasfaser untrennbar mit 5G verbunden und damit ausschlaggebend für die digitale Zukunft Deutschlands ist, muss in der gesellschaftlichen Diskussion noch stärker betont werden“, forderte er. „Auch, um den Akteuren, die durch den Ausbau des Glasfasernetzes Deutschlands digitale Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen, eine Plattform zu geben, wäre die Teilnahme am Mobilfunkgipfel wichtig gewesen.“
Tagesspiegel Politikmonitoring
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.