Zur Digitalisierung im Bundestag

Veröffentlicht am 06.09.2013

Ab der nächsten Legislaturperiode werden die Drucksachen im Bundestag nicht länger ausgedruckt, sondern den Abgeordnetenbüros nur noch digital zur Verfügung gestellt – aus den Drucksachen werden also bald „Digitalsachen“. Doch ist dies schon die größte Revolution, die der digitale Bundestag von morgen zu bieten hat? Zieht man eine Bilanz der digitalen Möglichkeiten, die der Bundestag bisher für seine Arbeit nutzte, erkennt man viel Bewegung, aber auch viel ausbaufähiges Potenzial.

Digitales Kommunizieren muss geräuschlos sein

Im Laufe der letzten Legislatur wurden neben den Plenarsitzungen auch immer wieder Ausschusssitzungen oder Anhörungen aus dem Bundestag per Live-Stream übertragen. Allerdings war dies – aus Kapazitäts- oder organisatorischen Gründen – nicht immer möglich, selbst bei großem öffentlichen Interesse. Was der Bundestag nicht bieten konnte, nahmen einzelne Abgeordnete aber einfach selbst in die Hand. Thomas Pfeiffer von den Münchner Grünen etwa organisierte im Februar 2013 in seiner Stadt ein Public Viewing zur ersten Anhörung des Leistungsschutzrechts der Bundesregierung. Damit wollte er interessierten Bürgern fernab von Berlin ermöglichen, an der lebhaft geführten Debatte teilzuhaben und das politische Geschehen in der Hauptstadt zu verfolgen.
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Auch diverse technische Geräte haben inzwischen Einzug in den Bundestag gehalten. Seit der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz im Juni 2010 seine Rede im Bundestag vom Tablet abgelesen hatte und dafür vom Bundestagspräsidenten wegen des Verstoßes gegen die Vorschriften ermahnt worden war, ist die Benutzung von Tablets im Plenarsaal erlaubt – nach einer Änderung der Bundestagshausordnung durch den Ausschuss für Wahlprüfung einige Monate später. Solange ein Gerät keine Tastatur oder einen geräuschvollen Lüfter besitzt, darf es während der Plenarsitzung genutzt werden – und davon machen die meisten Abgeordneten inzwischen Gebrauch. Fleißig wird im Internet gesurft, getwittert und per Facebook kommuniziert. WLAN allerdings steht aus Sicherheitsgründen nicht zu Verfügung, obwohl sich einige MdBs dies wünschen: „Wir brauchen schnellstmöglich einen flächendeckenden Netzzugang im Parlament. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass es bis heute kein WLAN in den Sitzungssälen des Bundestages gibt“, fordert der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil.

Bundestagsabgeordnete wünschen sich digitale Bürgerbeteiligung

Die Möglichkeiten der neuen Medien werden von allen Bundestagsabgeordneten begrüßt. Jimmy Schulz, bei der FDP zuständig für Netzpolitik, freut sich darüber, dass seine Kollegen zunehmend auf die digitale Technik zurückgreifen, denn es vereinfache und beschleunige die Arbeit. Für ihn bedeuten die digitalen Drucksachen einen „weiteren Schritt zum digitalen Bundestag“.

Die netzaffinen Abgeordneten bemühen sich aber nicht nur um persönliche Arbeitserleichterung, vor allem wollen sie die digitalen Möglichkeiten für mehr Beteiligung der Bürger nutzen. Lars Klingbeil, der sich für die SPD-Bundestagsfraktion mit Netzpolitik auseinander setzt, betont die guten Erfahrungen, welche die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ mit Live-Streams der Sitzungen sowie der integrierten Kommentarfunktion gemacht habe. Dies sollte ausgeweitet werden, findet er und wünscht sich außerdem mehr Offenheit des Parlaments für Partizipationsmöglichkeiten der Bürger an Gesetzentwürfen und Initiativen. Auch Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, verweist bei Fragen nach der digitalen Zukunft des Bundestages auf die Arbeit der Enquete-Kommission und deren Handlungsempfehlungen im Bereich Demokratie und Staat. Hier sieht er noch viele Möglichkeiten, die neue Medien zu integrieren und zu fördern: „Von Open-Data-Angeboten, über das Streamen von Ausschuss-Sitzungen und die Ermöglichung von Beteiligung an der Arbeit des Parlaments – auch der Bundestag muss sich weiter öffnen und die Chancen, die uns die neuen Medien bieten, noch stärker nutzen.“

Mit neuen Medien zu mehr Bürgerbeteiligung

Wie die digitale Bürgerbeteiligung aussehen kann, zeigen die Piraten mit ihrer Plattform Open Antrag, die bereits seit 2011 aktiv ist. Sie bietet allen Bürgern die Gelegenheit, Anträge mit ihrem Anliegen vorzuschlagen, die dann von Parlamentariern der Piratenpartei in den jeweiligen Landtag eingebracht werden können. Auch die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages, die ihre Arbeit inzwischen beendet hat, hatte versucht über die Online-Plattform Adhocracy eine öffentliche Diskussion zu führen und Vorschläge der Bürger in ihre Arbeit einfließen zu lassen. Allerdings war sie auf relativ wenig Zuspruch gestoßen: Nur knapp 500 Vorschläge sind innerhalb des Zeitraums von zwei Jahren in den verschiedenen Projektgruppen eingereicht worden. Ein erfolgreicherer Teil des digitalen Bundestages wurde tatsächlich schon mit einem Award ausgezeichnet: Die Internet-Anwendung „Namentliche Abstimmungen“ gewann dieses Jahr den „Red Dot Award“ im Bereich Kommunikationsdesign. Durch die Anwendung werden Abstimmungen im Bundestag transparent visualisiert sowie mit Videoübertragungen und anderen relevanten Verlinkungen ergänzt.

Übrigens spendete Jimmy Schulz sein iPad dem Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – als erster Abgeordneter, der den Tablet Computer während einer Plenarsitzung genutzt hatte, übergab er das historische Gerät der Stiftung am 23. August. Bis der erste Abgeordnete eine Rede mit Google Glass hält, wird aber sicher noch dauern. Im Haus der Geschichte ist sicher noch Platz.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlich erscheinenden Monitoring-Services für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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