Zukunftsstrategie des SPD-Wirtschaftsforums: So soll es mit der Digitalisierung in Deutschland vorangehen
Wie kann es gelingen, die Herausforderungen der Digitalisierung in Deutschland besser als bisher zu meistern? Auf diese Frage versucht das SPD-Wirtschaftsforum mit einem eigenen Strategiepapier eine Antwort zu geben. Darin wird ein sich stetig vergrößerndes Digitalisierungsdefizit festgestellt – und es werden Empfehlungen gegeben, wie man dem hierzulande entgegenwirken sollte.
Diese Woche hat die Bundesregierung mehrere wichtige Papiere beschlossen: von der Gigabitstrategie über die Cybersicherheitsagenda bis zur Resilienzstrategie. Eigentlich sollte vor der parlamentarischen Sommerpause auch die lang erwartete Digitalstrategie verabschiedet werden, wie Digitalminister Volker Wissing noch im Frühjahr unter anderem im BASECAMP angekündigt hatte. Doch die Präsentation der Strategie wurde erneut verschoben und soll nach weiterer Bearbeitung auf der Kabinettsklausur in Meseberg erst im September veröffentlicht werden.
Eine kritische Bestandsaufnahme
Während die Digitalstrategie weiterhin auf sich warten lässt und der Bundesregierung mit der gerade vorgestellten Gigabitstrategie nicht unbedingt der große Wurf gelungen ist, hat das SPD-Wirtschaftsforum ein eigenes ambitioniertes Papier mit dem Titel „Deutschland. Digital. 2030. Eckpunkte für eine digitale Zukunftsstrategie“ vorgelegt.
Darin werden die Defizite von Deutschland und Europa in der Digitalisierung klar benannt: Ein „vielschichtiges und komplexes Zuständigkeits- und Entscheidungssystem“ sowie eine „tendenziell wenig tech-affine Mentalität“ in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft würden die digitale Transformation erschweren. Selbst in der aktuellen Bundesregierung fehle es bisher „an einem klaren Zentrum, klaren Entscheidungsstrukturen und einer konsistenten Umsetzungsstrategie“.
Die Bestandsaufnahme auf sechs zentralen Handlungsfeldern fällt kaum besser aus: Bei der digitalen Infrastruktur gebe es zu große regionale Schwankungen in der Breitbandverfügbarkeit, die Entwicklung von digitalen Schlüsseltechnologien und ihr Transfer in die Wirtschaft fielen zu schwach aus, Innovationen in der Daten- und Digitalwirtschaft würden durch „ein fragmentiertes regulatorisches Umfeld“ behindert, der digitale Binnenmarkt in Europa sei ausbaufähig und die digitale Bildung werde hierzulande immer noch zu sehr vernachlässigt. Im Bereich der digitalen Verwaltung sei Deutschland gar „ein Entwicklungsland“ und „gegenüber den Anforderungen der digitalen Transformation nicht funktions- und handlungsfähig“.
Überaschende Kritik und viele konstruktive Vorschläge
Zudem werden in dem Dokument Zweifel geäußert, ob die angekündigte Digitalstrategie der Bundesregierung all diese Mängel wird beheben können:
„Selbst wenn diese Strategie vorläge, stellte sich die Frage, ob angesichts der Diffusion von Zuständigkeiten und Kompetenzen daraus ein konsistentes, umsetzungsorientiertes Handlungskonzept entstünde.“
Diese Aussage ist durchaus bemerkenswert, da die SPD doch entscheidender Bestandteil der Ampelkoalition ist. Aber das Papier bleibt nicht bei der Aufzählung vorhandener Mängel stehen, sondern formuliert auch konkrete Empfehlungen und Forderungen für positive Veränderungen, die zugleich als Impulse für vertiefende Diskussionen dienen sollen. So hat das Fachforum Digitales des Wirtschaftsforums in Zusammenarbeit mit dem Senior Fellows Network der Universität Potsdam klare Vorschläge für die sechs oben genannten Handlungsfelder erarbeitet.
Eine klare Position beim Mobilfunk
Mit Blick auf die digitale Infrastruktur betont das Eckpunktepapier etwa die Bedeutung der regulatorischen Rahmenbedingungen für einen reibungslosen und effizienten Netzausbau. Hierbei decken sich viele der Empfehlungen, z.B. der Wegfall langwieriger Planungs- und Genehmigungsverfahren, weitgehend mit der gerade verabschiedeten Gigabitstrategie. Anders als das Bundesministerium für Digitales und Verkehr positioniert sich die Zukunftsstrategie des Wirtschaftsforums allerdings konkret zum aktuellen Wettbewerb um die Mobilfunk-Frequenzen:
„Um die Investitionsmöglichkeiten der Telekommunikationsunternehmen zu sichern und zu erhalten, sollten die Frequenznutzungsrechte verlängert sowie zukünftige Auktionen ausgesetzt und stattdessen Vergabeverfahren mit weiteren Flächenfrequenzen eingesetzt werden.“
Denn bis 2030 würden weitere Flächenfrequenzen zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe alle interessierten Wettbewerber Zugang zum Mobilfunk-Markt bekommen könnten, so das Argument.
Hervorzuheben sind außerdem die vielen Vorschläge, die den politischen Entscheidungsprozess in Digitalisierungsfragen adressieren und klarere Strukturen zum Ziel haben. So wird etwa ein Digitalkabinett unter Leitung des Bundeskanzlers gefordert; ein einheitliches Digitalbudget gegen Doppel- und Mehrfachförderungen; die konsequente Anwendung des eigentlich bereits beschlossenen Digital-Checks bei neuen Gesetzen; weniger bürokratische Fesseln für die Bundesagentur für Sprunginnovationen oder eine Digital-Ministerpräsidentenkonferenz unter Beteiligung der Kommunen zur koordinierten Modernisierung der Verwaltungen.
Es finden sich noch viele weitere bedenkenswerte Maßnahmen in dem Eckpunktepapier, die hier nicht alle wiedergegeben werden können. Deren Lektüre aber lohnt, um sich klarzumachen, wie groß die Aufgabe der digitalen Transformation weiterhin ist. Zumal die Positionierung des SPD-Wirtschaftsforums durchaus von Relevanz ist – schließlich sitzen viele Sozialdemokrat:innen in der Bundesregierung an entscheidenden Stellen und bestimmen die Politik der Ampelkoalition mit. Man kann nur hoffen, dass die Empfehlungen der Zukunftsstrategie dort auch Gehör finden.
Mehr Informationen:
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