Wo Netzpolitik und Stadtentwicklungspolitik zusammenkommen

Veröffentlicht am 29.04.2013

Autor: Florian Fischer

In Metropolen wie Berlin entstehen mehr und mehr internetbasierte Dienstleistungen, die Anbieter, Kunden und Produkte auf eine neue Art und Weise in Beziehung setzen: Bei Services wie FixMyStreet, CarSharing (z.B. Car2Go oder Drive Now), Wohnungs-Communities (wie etwa Airbnb, 9Flats oder Wimdu) handelt es sich um Infrastrukturen, die vorwiegend von kommerziellen Akteuren betrieben werden.

Für kommunale Akteure entsteht durch die Vernetzung und Lokalisierung von Menschen und Dingen ein neuer Kontext für die politische Praxis – insbesondere, was die Aushandlung, Sichtbarkeit und Antizipation des kollektiven Handelns und den Umgang mit kollektiven Gütern angeht.[1]

Kommunale Akteure, deren Aufgabe die Stadtentwicklung ist, vertreten in den Implementierungsprozessen öffentliche Interessen in einer Akteurskonstellation zwischen Bürgern/Nutzern und Anbietern/Wertschöpfern. Sie stehen vor der Herausforderung, stadtentwicklungspolitische Maßnahmen und Instrumente zu entwickeln, die Netzpolitik im Rahmen eines vernetzten Urbanismus[2] und seiner sozial-räumlichen Implikationen erfassen.

Öffentliches WLAN ist Stadtentwicklung

Ein Beispiel sind WLAN-Projekte im öffentlichen Raum wie das „Public Wifi Berlin“, das seit November 2012 von Kabel Deutschland und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg in Berlin aufgebaut wird. Mit derzeit 55 Hotspots bietet Kabel Deutschland ein Premium-Geschäftsmodell, das 30 Minuten kostenlose WLAN Nutzung pro Tag ermöglicht. Für eine Nutzung darüber hinaus ist ein kostenpflichtiger Premium-Account notwendig.

Der Senat Berlin verlangt diesen kostenlosen Basisdienst und räumt im Gegenzug eine Ermäßigung der Gebühren für eine Sondernutzungserlaubnis ein (nach § 8a SNGebV), die für den Aufbau der erforderlichen technischen Anlagen im öffentlichen Raum üblicherweise anfallen. Begründet wird dieser Gebührenerlass durch das öffentliche Interesse Berlins für einen flächendeckenden freien und gebührenfreien Internetzugang.

Inwiefern stadtentwicklungspolitische Entwicklungsschwerpunkte einen Einfluss auf die Standorte der WLAN-Hotspots haben, zum Beispiel die Stärkung der Haupt-, Stadtteil- und Ortsteilzentren und der zentrentragenden Stadträume in Berlin (Abbildung, PDF) gleichermaßen, ist weitgehend unklar. Ein Blick auf die Verteilung der WLAN-Hotpots des Anbieters zeigt, dass vor allem zentrale Orte in Mitte und Prenzlauer Berg mit WLAN versorgt werden, die Passanten häufig passieren und die eine hohe Aufenthaltsqualität haben wie etwa S-Bahn Stationen. Sie untermauern und erhöhen die Zentralität, und damit den Bedeutungsüberschuss dieser Orte im polyzentrischen Stadtraum von Berlin. Andere Zentren in Berlin erfahren gleichermaßen einen Bedeutungsverlust. Viele dieser Versorgungslücken werden durch private und halb-öffentliche Hotspots (zum Beispiel in Cafés) gefüllt.

Hieraus ergibt sich eine theoretisch nahezu flächendeckende Versorgung, die aber von verschiedensten Zugangs- und Nutzungsbarrieren durchzogen ist. Sie entspricht demnach nicht der Zielsetzung eines öffentlichen und gebührenfreien WLAN für Berlin. Die Kommunen bieten derzeit auch keine (rechtliche und technische) Plattform, die vielen halb-öffentlichen Anbieter als Versorger in ein öffentliches Netz zu integrieren. Denkbar wäre dies analog zur Einspeisung von Strom in öffentliche Netze durch private Solaranlagen.

Maßnahmen mit Stadtentwicklungszielen verknüpfen

Das Beispiel zeigt, dass Kommunen heute eine öffentliche WLAN-Versorgung zwar als Funktion der Daseinsvorsorge wahrnehmen. Es zeigt aber auch, dass diese Versorgung nicht als ubiquitäre Versorgung gedacht wird oder – aus Kostengründen – gedacht werden kann.

Für Kommunen ist es deshalb sinnvoll, derartige Maßnahmen stärker mit den Zielsetzungen des Stadtentwicklungsplanes zu verknüpfen. Das bedeutet einerseits die sozial-räumlichen Implikationen derartiger Maßnahmen zu erfassen entsprechende Steuerungsinstrumente für den Aufbau zu erarbeiten, die dem öffentlichen Interesse entsprechen, etwa die Stärkung der sogenannten A- und B-Zentren. Andererseits wären Konflikte mit bestehenden Instrumenten (wie § 8a SNGebV) zu identifizieren, um den Aufbau von Dienstleistungen im öffentlichen Raum zu ermöglichen. Neben Sondernutzungsregelungen gehören hierzu in vielen Kommunen auch der Ensemble-Denkmalschutz und strenge Altstadterhaltungssatzungen. In Zukunft wird eine schwierige Balance zu finden sein zwischen einem stark ausgeprägten Konservierungswillen und der Öffnung für zukünftige Nutzungs- und Aneignungsformen des öffentlichen Raums.

Generative kommunale Plattformen für Dienstleistungen

Die Kommunen müssen sich in diesem Kontext als Akteure in einem Servicenetzwerk begreifen, die bedeutende kollektive Güter für komplexe vernetzte Dienstleistungen bieten, diese Dienstleistungen aber auch durch sozial-räumliche Zielsetzungen prägen können, um öffentliche Interessen zu wahren. Parkplätze für Car-Sharing-Anbieter wären ein Beispiel für solche Güter.

Dabei handelt es sich weniger um Public-Private-Partnerships, in deren Rahmen kommerzielle Anbieter Aufgaben der öffentlichen Hand teilweise übernehmen und gewährleisten. Die Kommunen stellen in Zukunft vielmehr eine rechtliche und materielle Plattform bereit – ein City Operating System –, das für neue Dienstleistungen von privaten und kommerziellen Akteuren genutzt werden kann. Dabei handelt es sich nicht um ein einziges oder einheitliches Produkt, das in einer Stadt implementiert wird, sondern um eine offene Infrastruktur aus verschiedensten Komponenten, die als Plattform auch kollaborative Dienstleistungen wie halb-öffentliche WLAN-Hotspots einzelner Anbieter orchestrieren kann und nicht gänzlich auf große Anbieter und deren Einzellösungen angewiesen ist.

Eine zeitgemäße Stadtentwicklungspolitik sollte neue Dienstleistungen und ihre sozial-räumlichen Implikationen erforschen, diskutieren und in ihre Leitbilder und Handlungsfelder integrieren, um kreative digitale Dienstleistungen zu beflügeln und dabei öffentliche Interessen in den Service-Netzwerkwerken durchsetzen zu können.


[1] Vgl. Crang, Mike, und Stephen Graham. 2007. “Sentient Cities. Ambient intelligence and the politics of urban space”. Information, Communication & Society 10 (6): 789–817.

[2] Vgl. Greenfield, Adam. 2006. Everyware: the dawning age of ubiquitous computing. Berkeley  CA: New Riders.

Die E-Plus Gruppe unterstützt das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft beim Aufbau einer Plattform zu Fragen der Internet-Regulierung. Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen dieser Kooperation auf UdL Digital.

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