Wählen per App: Kommt jetzt die Wahl via Smartphone nach Deutschland?
Am 6. November finden in den USA wieder die Midterm Elections statt. Eine technologische Innovation gibt es dabei im Bundesstaat West Virginia: Per Smartphone-App kann dann über die neuen Vertreter im Senat sowie im Repräsentantenhaus abgestimmt werden. Alternativ zur aufwendigen Briefwahl sollen zunächst Soldaten, die außerhalb der USA stationiert sind, so die Möglichkeit bekommen, ihre Stimme digital abzugeben. Ist das Wählen per App der logische nächste Schritt in einer digitalisierten Gesellschaft oder eine Gefahr für die Demokratie?
Wie funktioniert das jetzt genau?
Beim Eurovision Song Contest funktioniert die Abstimmung bereits via App. Doch zwischen Musikwettbewerb und politischem Wahlkampf gibt es doch einen immensen Unterschied: die Sicherheit muss garantiert sein. Zwar betont die Softwarefirma Voatz, welche die gleichnamige App entwickelt hat, dass das Verfahren sicher sei und die Stimmen anonymisiert würden, IT-Experten zweifeln jedoch. Regierungsmitarbeiter von West Virginia beschreiben den Hergang zur Wahl so:
„Alles, was sie benötigen, um ihre Stimme abzugeben, ist ein kompatibles Apple- oder Android-Mobilgerät und eine genehmigte und validierte Staats- oder Bundes-ID.“
Blockchain-Technologie sowie ein biometrischer Abgleich sollen sicherstellen, dass die Stimmabgabe der US-Streitkräfte verschlüsselt ist. Eine Künstliche Intelligenz verifiziert dann mithilfe eines Selfie-Videos und eines Fotos des Ausweises die Wähler, bevor die Daten anschließend in der Voatz-Blockchain gespeichert werden. Beim Thema Sicherheit verweist Voatz auf die Überprüfung durch drei unabhängige Experten von Ingalls Infosec, HackerOne und Security Innovation.
Balance zwischen Anonymität und Transparenz
Papierkram und Wahlunterlagen sind Schnee von gestern? In Zeiten der Digitalisierung mag diese Annahme eine Daseins-Berechtigung haben. Allerdings zeigen Hacker-Angriffe auf Wahlsysteme, wie bei der US-Präsidentschaftswahl 2016, dass die Komplexität elektronischer Technologien die Kontrollierbarkeit übersteigen kann. Kritiker argumentieren, bei der elektronischen Wahl fehle die öffentliche Nachvollziehbarkeit. Marian K. Schneider, Präsidentin der US-Organisation Verified Voting, warnt vor Manipulation während der Stimmenabgabe per App:
„Selbst wenn man alle Probleme der Authentifizierung von Nutzern in der App beiseite wischen würde: Die App verhindert nicht, dass Schadsoftware aufs Smartphone an sich gelangen kann, oder dass die Kommunikation auf Seiten des Empfängers oder unterwegs manipuliert wird.“
Die Vorteile der schnellen und benutzerfreundlichen Online-Wahl scheinen also ebenso vielen Nachteilen gegenüberzustehen. Ebenfalls problematisch: Die Wahlen werden nicht gleichzeitig auf Papier dokumentiert und eine nachträgliche Manipulation ist schwer bis gar nicht nachzuweisen. Voatz möchte dies durch die Ausstellung einer Quittung regeln. Wie sie das allerdings umsetzen wollen, haben sie noch nicht erklärt.
Funktioniert das auch in Deutschland?
Eine repräsentative Umfrage von Statista, die 2017 im Kontext der Bundestagswahl veröffentlicht wurde, zeigt: Jeder zweite wahlberechtigte Deutsche (56 Prozent) hätte bei der Bundestagswahl gern seine Stimme über das Internet abgeben, 59 Prozent hätten dies gern mit ihrem eigenen Gerät getan. Jungwähler waren sogar der Meinung, die Wahlbeteiligung würde durch die Vereinfachung des Wahlvorgangs steigen. Obwohl erstmals ein E-Voting im Jahr 2000 bei einer Wahl des Studierendenparlaments der Universität Osnabrück getestet wurde, sind die Sicherheitsbedenken hierzulande noch groß. Die Einhaltung des Wahl- und Stimmengeheimnisses bei einer Online-Wahl per Computer oder Smartphone müsste verfassungsrechtlich gewahrt bleiben. Fehlfunktionen in Abstimmungs- und Wahlabläufen müssten eliminiert und Softwarefehler oder Manipulationsversuche entdeckt und behoben werden.