Vorstellung des Digitalen Manifests: Leitplanken für den Weg ins digitale Zeitalter

Veröffentlicht am 09.05.2019

Christoph Steck | Foto: Henrik Andree
Weltweit verändert die Digitalisierung die Gesellschaft von Grund auf. In Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wird händeringend nach Strategien gesucht, wie wir mit diesem epochalen Umbruch umgehen können. Ein „New Digital Deal“ soll deshalb die Sozial- und Wirtschaftspolitik erneuern und Demokratien für das digitale Zeitalter modernisieren. Diese und weitere Forderungen des Digitalen Manifests von Telefónica diskutierte ein Panel auf Einladung von UdL Digital.

Differenzierter Blick auf den digitalen Wandel

„Vor 5 Jahren fanden wir alle die Digitalisierung vorteilhaft, doch jetzt haben wir einen anderen Blick – ganz aktuell wie heute etwa bei der re:publica„, sagt Christoph Steck, Director Public Policy & Internet, Telefónica S.A., in seinem einleitenden Plädoyer,

„die Sorgen nehmen zu, wir blicken differenzierterer auf die neuen Möglichkeiten und müssen diese digitale Welt aktiv gestalten und begleiten.“

„Ein globaler Blick zeigt uns aber, dass es etwa in Südamerika viele Regionen gibt, die gar nicht oder nicht gut versorgt sind mit Telekommunikation und wenn es Netze gibt, Breitband für den normalen Anwender zu teuer ist“,

resümiert Steck seine jüngste Reise nach Südamerika. Man brauche somit als Anbieter neue Geschäftsmodelle, denn Wertschöpfungsketten werden disruptiv geändert.
Die Stichworte für den politischen Diskurs seien Transparenz, Inklusion, Wahlmöglichkeiten der Verbraucher, Smart Public Policy und ein Fokus auf elementare Grundrechte in der digitalen Zeit.

Harald Geywitz, Dr. Thomas Koenen, Falko Mohrs, Valerie Mocker, Dr. Konstantin von Notz und Christoph Steck (v.l.n.r.) | Foto: Henrik Andree

Schließlich beobachtet Steck eine stärkere lokale Durchdringung, die Geschwindigkeit der Digitalisierung nimmt in der Arbeitswelt zu. Doch auch andere Systeme wie etwa die Bereiche Soziales, Steuern, Recht, Datenschutz und Datensicherheit müssten ins Auge gefasst werden, es brauche eine starke Sensibilisierung bei allen Akteuren. Europaweite Wettbewerbsregeln sollen modernisieret und die Marktaufsicht solle die Förderung und Schaffung von gleichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen ermöglichen.

Foto: Henrik Andree

Neuer Ansatz in der Digitalpolitik notwendig

Für Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen hat die „Diskussion sich in letzten Jahren stark gewandelt, die Anfänge der Netzpolitik hätten die Versprechungen neuer Technologie zu positiv betrachtet“ und kaum reflektierte Blicke auf mögliche Nachteile zugelassen. Deutschland sei stark in der Industrie gerade wegen der starken Regulierung bis zum letzten Meter, „das fehlt in der Digitalisierung, hier haben wir das Motto, dass der Gesetzgeber die Finger davonlassen soll, es wird schon laufen“ – genau dies habe aber nicht funktioniert und darum sei ein neuer Ansatz in der Digitalpolitik nötig. Datenschutz werde künftig nicht mehr loslösbar von Datensicherheit sein, „das ist ein offenes Feld, wir als Politik sind zu unbefangen und naiv bei offener Infrastruktur ohne Standards gewesen, es gibt in manchen Fällen noch nicht mal klare Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden bei Hacking, Datenrisiken, Fake News, Desinformation“ und anderen latenten Bedrohungsszenarien. Genau dies könne künftig jedoch eine Stärke von Europa werden, erklärte von Notz. Huawei sei dabei nicht das Kernproblem, denn die „Netzleitungen und Knoten im internationalen Raum bespricht keiner“, darum halte er den Manifest-Ansatz von Telefónica gut, es brauche jetzt Druck auf den Gesetzgeber, um Chancen auszubauen.

Auch Wirtschaft muss Starre überwinden

Für Valerie Mocker, Leiterin Europaarbeit und Digitalpolitik bei Nesta, ist die Frage essentiell, wem die Digitalisierung gehöre und wem die Zukunft gehöre, „viele Menschen sehen die Vorteile nicht, fühlen sich abgehängt, brauchen mehr Konzepte, die gesellschaftliche Probleme lösen“. Digitale Lösungen seien weniger eine Frage der Machbarkeit, Menschen oder Produkte, sondern eher ein kulturelles Thema, denn starke traditionelle Widerstände müssten in freundliche Szenarien für Innovationen umgestaltet werden, hier scheitere man oft an menschlichen Dingen. „Wir sind kein moonshot Projekt sondern wollen Möglichkeiten eröffnen; meine Vorstellung für uns und die Industrie etwa wäre eine neue 50%-Fühurungsquote für unter 35-jährige im Bereich Digitalisierung“, um die Stärken junger Anwender frühzeitig ins Management zu holen. „Die Politik wartet zu lange auf Veränderungen und auch die Wirtschaft sollte ihre Starrheit überwinden“.

Falko Mohrs, Valerie Mocker und Dr. Konstantin von Notz | Foto: Henrik Andree

Fortschritt ist kein Selbstzweck

Falko Mohrs, SPD-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda, sieht in der Digitalisierung viele Vorteile, aber die Wahrheit liege zwischen den Ebenen.

„KI und Digitalisierung ermöglichen Teilhabe und Kompetenzen; Entwicklungen und Fehlentwicklungen brauchen nicht mehr Jahrzehnte sondern sehr kurze Zeiträume, was einen hohen Anspruch an die Regulierung stellt.“

Man müsse Umwelt und Entwicklung im Gleichklang sehen, regulierende Konzepte frühzeitig auf die europäische Ebene hieven und eine Basis etablieren durch eine fundierte Ausbildung und gleiche Bedingungen für alle. „Wie schaffen wir soziale Innovation, das ist eine Frage nach Befugnissen und nach Befähigungen, denn Technik und Fortschritt sind nicht Selbstzweck“, Kern sollte sein, den Menschen neue Fähigkeiten mitzugeben, bei KI gleichzeitig aber neue Spielregeln und Regulierung zu setzen und auch zu beachten, dass etwa die Diskussion starke versus schwacher KI neben technischer Komponenten auch eine Wertediskussion sei.

Thomas Koenen | Foto: Henrik Andree

„Das Digitale Manifest ist gut, zeigt die Notwendigkeit für Transparenz und neue Regulierung“, skizziert Thomas Koenen, Abteilungsleiter Digitalisierung und Innovation beim BDI. Er sehe human-centric Ansätze als sehr wichtig an. Der Mensch als Teil der Gemeinschaft und Gesellschaft benötigt Teilhabe und das Recht auf gleiche Chancen für alle.

„Die Erklärung und Anerkennung der Menschrechte ist für die digitale Debatte deshalb wichtig, eine gemeinsame Praxis für digitale Rechte und deren Durchsetzung hilft der Politik, kann aber nicht Entwicklungen gleichermaßen folgen“, dafür sei die Geschwindigkeit zu hoch und nicht alle digitalen Kernzuständigkeiten richtig verteilt. Für den BDI ist der drohende Jobverlust durch KI zunächst ein Szenario, dessen Bezifferung jetzt greifbar ist, man aber nun die richtigen Schlüsse ziehen müsse – fallen Jobs weg oder verlagert sich das Potential, dann würden Bildung und Weiterbildung enorm wichtig.

„Es fehlen globale Player aus Europa, die digital führend sind. Auch hat unsere industriepolitische Debatte nicht immer die richtige Deutung und den richtigen Ansatz für politische Rahmenbedingungen. Das Manifest von Telefónica ist spannend, jetzt wäre es aber gut, wenn sich mehrere Player in einer Branche zusammenschließen und gemeinsame Forderungskataloge erarbeiten.“

Lernkurven von Wirtschaft und Politik verzahnen

Bezugnehmend auf die Frage, ob man für Startups und junge Unternehmen netzpolitische und digitalpolitische Regeln erleichtern oder Hürden abbauen sollte, sagte von Notz:

„Man muss solche Impulse vorher transparent ankündigen und gemeinsam erarbeiten, denn Regulierung heißt Rahmen setzen für Unternehmen, so dass diese wissen, was sie machen können. Das betrifft Startups gleichermaßen wie etablierte Konzerne.“

Dafür reichten die jetzigen Institutionen aus, die Digitalisierung könne mit den derzeitigen Politik-Werkzeugen gut reguliert werden, der Gesetzgeber „muss es nur wollen und dann rasch handeln“.

Falko Mohrs | Foto: Henrik Andree

Für Falko Mohrs besteht hier eine Chance in der engeren Verzahnung von Lernkurven aus der Wirtschaft in der Politik. Die stärkere Einbindung externer Expertise in den Regulierungsprozess sehen die Teilnehmer in bestimmten Phasen als sinnvoll an, „wenn es auf Geschwindigkeit im politischen Diskurs ankommt“, so Koenen. Für von Notz ist Regulierung letztlich eine Maßnahme, die Vertrauen der Verbraucher braucht, „das gilt für die Wirtschaft gleichermaßen, gerade im Rechtsstaat, nur dann können Geschäftsmodelle mit hochsensiblen Daten funktionieren“, und hier hätten Große Player wie Facebook noch Nachholbedarf. Für Steck geht diese Debatte noch weiter,

„es müssen erstmal grundsätzliche Richtlinien geklärt werden, dann können wir handeln, auch gegenüber komplexen Playern und Plattformen. Wir sollten mit der Politik kleine Schritten gehen, gemeinsam verstehen, dann große Richtlinien und Regulierungen umsetzen“.

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