Vestager 2.0: Digitalchefin präsentiert Pläne
Margrethe Vestager | Pressefoto via European Commission/Audiovisual Service ©Trine Søndergaard
Keine Überraschung: Die Abgeordneten des Europaparlaments haben der designierten Wettbewerbs- und Digitalkommissarin Margrethe Vestager aus Dänemark ihren Segen für ihr mächtiges neues Amt gegeben. Von ihren Plänen ließ sie jedoch wenig durchscheinen.
Anstatt eines „Grillens“, wie die derzeit stattfindenden Anhörungen der designierten EU-Kommissare im Europäischen Parlament häufig bezeichnet werden, war Margrethe Vestagers dreistündige Vernehmung in Brüssel am vergangenen Dienstag eher ein Pflichttermin mit vorher schon sicherem Ausgang: Sie darf als gestärkte Wettbewerbshüterin, die zusätzlich das gesamte digitale Portfolio koordiniert, Teil der Kommission von Ursula von der Leyen werden. Das entschieden beinahe alle Fraktionen gestern Abend, den entsprechenden Brief an den Parlamentspräsidenten wollen die Abgeordneten aber erst heute verschicken. Bestätigt werden muss die Kommission jedoch noch als Ganzes.
In der „zweiten Staffel“ ihres Wirkens will sie ihr „Bestes“ geben – auch wenn Sie weiß, dass Serien nach der ersten Staffel manchmal enttäuschen, sagte Vestager ironisch auf die Anspielung einer Abgeordneten. Die sozial-liberale Politikerin aus Dänemark gilt als Vorbild für die erfolgreiche Polit-Serie „Borgen„. Ihr Engagement nahmen ihr die Abgeordneten der für Industrie, Binnenmarkt, Wirtschaft und Recht zuständigen Ausschüsse offenbar zufriedenstellend ab: Drei Stunden lang gab Vestager Antworten zu ihrer neuen Rolle in der künftigen Kommission, den Plänen für eine Industriestrategie für Europa, der geplanten KI-Gesetzgebung, der Plattformregulierung mit dem Titel „Digital Services Act“ und zur Besteuerung von Digitalkonzernen. Dabei wurde sie selten sonderlich konkret – schließlich buhlt die designierte Kommissarin noch um die Unterstützung möglichst vieler politischer Gruppen im Parlament.
Doppelrolle Wettbewerb und Digitales
Eine Sorge mancher Abgeordneter war, dass die neue Doppelrolle von Margrethe Vestager als unabhängige Wettbewerbshüterin und als Digitalkommissarin mit einer Mission, die europäische Digitalwirtschaft voranzubringen, ein potenzieller Interessenskonflikt sein könnte. Diese Frage habe sie sich selbst als allererstes gestellt, konterte Vestager. Ihre Unabhängigkeit als Gesetzesvollstreckerin im Wettbewerbsbereich sei aber weiterhin „unverhandelbar“.
Vestager stellte außerdem klar, dass sie nicht diejenige sein wird, die die Legislativvorschläge im Digitalbereich entwirft. „Die Gesetze werden nicht aus meiner Feder stammen, sondern aus der meiner Kollegen.“ So sind etwa der Digital Services Act und die KI-Gesetzgebung die Aufgabe der künftigen Binnenmarktkommissarin. Mit Sylvie Goulard aus Frankreich kandidiert für das Amt derzeit noch eine Wackelkandidatin. Und die Pläne für die Digitalsteuer liegen in der Hand von Wirtschaftskommissar in spe Paolo Gentiloni aus Italien.
KI-Gesetzgebung in 100 Tagen? „Machbar.“
Die Arbeiten an einer KI-Gesetzgebung in den ersten hundert Tagen im Amt vorzulegen, wie von Kommissionspräsidentin von der Leyen vorgeben, hält Vestager für ambitioniert – aber machbar. „Die Chinesen mögen die Daten haben und die Amerikaner das Geld, aber wir fokussieren uns auf den Sinn dahinter“, sagte sie zum europäischen Ansatz bei der Künstlichen Intelligenz auf eine Frage der deutschen Abgeordneten Nicola Beer (FDP).
Welche Elemente eine solche Gesetzgebung enthalten soll, ließ sie aber weiter offen. Sie sagte nur, dass weitere Regeln nötig seien, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die KI-Systeme zu garantieren. Sie hofft auf gutes Feedback von der Wirtschaft zu den derzeit erprobten Ethik-Leitlinien für KI. Die Ergebnisse dafür werden im Dezember – also einen Monat nach dem voraussichtlichen Amtsantritt der neuen Kommission – erwartet.
Digital Services Act: „Ich weiß es einfach noch nicht.“
Wenig konkret blieb Vestager auch bei Festlegungen zur Ausgestaltung des erwarteten „Digital Service Acts“, mit dem Haftungsregeln für Plattformen überarbeitet werden sollen: „Details kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht nennen.“ Sie glaubt aber, dass die hitzigen Debatten, die Europa in diesem Jahr bei der Verabschiedung der EU-Urheberrechtsreform auf diesem Gebiet gesehen hat, bei den Verhandlungen um einen „Digital Services Act“ wieder hochkochen dürften.
„Das könnte eine dornige Debatte werden“, so Vestager. Auf die Frage der CSU-Europaabgeordneten Angelika Niebler gab Vestager zu, „zufrieden“ mit dem Verhandlungsergebnis gewesen zu sein – als damalige Wettbewerbskommissarin hatte sie sich kaum zu der Sache geäußert.
Digitalsteuer: Nein aber ja
Zu einer Digitalsteuer äußerte sich Vestager nur so zurückhaltend, wie es Politiker derzeit tun, die die Verhandlungen auf der Ebene der G20 und der OECD nicht durchkreuzen wollen. Sollte dort keine entsprechende Einigung bis Ende 2020 erfolgen, werde die Kommission einen neuen progressiven Vorschlag liefern. Sie „applaudiere“ aber denjenigen Mitgliedstaaten, die bereit seien, eine Digitalsteuer eigenmächtig einzuführen, wenn es keine gemeinsame Lösung gibt. Damit dürften etwa Frankreich und Österreich gemeint sein.
Tagesspiegel BACKGROUND Digitalisierung & KI
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel BACKGROUND Digitalisierung & KI auf der Website des BASECAMP.