Verbände fordern schnellen Gigabit-Ausbau
Ein Jahr vor der Bundestagswahl wächst der Druck auf die Politik, sich noch in der laufenden Legislaturperiode auf ehrgeizigere Ziele beim Breitbandausbau festzulegen. Mehrere Verbände der Telekommunikationswirtschaft legten im September ein Thesenpapier vor, in dem sie „bis spätestens 2025 im Festnetz wie für die mobile Nutzung Gigabit-Bandbreiten“ fordern. Diese müssten sowohl in dichter besiedelten Regionen wie auch im ländlichen Raum zur Verfügung stehen, heißt es im Papier von Anga, Breko, Buglas, Vatm und FTTH Council Europe. Unter gigabitfähig verstehen die Verbände Glasfasernetze, die bis in die Gebäude (FTTH) oder bis in die Wohnung (FTTH) ausgebaut sind, Kabelnetze auf Basis des Übertragungsstandards DOCSIS 3.1 und im Mobilfunk 5G.
Das grundlegende Ziel des schnellen Gigabit-Ausbaus ist in der Regierung nicht strittig. Alexander Dobrindt (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, sprach sogar von noch ehrgeizigeren Zielen: „Gigabit-Gesellschaft 2025 ist mir ein bisschen zu wenig ambitioniert. Ich glaube, dass es auch in der Tat schneller erreichbar ist“, sagte er im September beim netzpolitischen Forum zu „Zwei Jahre Digitale Agenda“ vom Eco, dem Verband der Internetwirtschaft. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der mit Dobrindt und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zusammen auf dem Podium saß, war da etwas skeptischer: „Ich bin nicht so sicher, dass wir vor 2025 das Ziel erreichen, das wir erreichen müssen, nämlich die weltweit beste digitale Infrastruktur zu besitzen.“ Er betonte, dass die Bundestagswahl im nächsten Jahr wenig an der politischen Priorität des Themas ändere:
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine neue Bundesregierung gibt, die sagt, naja, mit dem Breitbandausbau lassen wir uns ein bisschen Zeit, sondern es wird eher an Geschwindigkeit aufnehmen.“
Die Verbände fordern, die grundsätzlichen Bekenntnisse zur Gigabit-Gesellschaft auch in Regierungsbeschlüsse zu übersetzen. „Es fehlt […] die dringend erforderliche und längst überfällige Weiterentwicklung der Breitbandstrategie über 2018 hinaus“, steht in ihrem Thesenpapier. Bisher ist als offizielles Ziel der Bundesregierung lediglich der flächendeckende Ausbau mit 50 Mbit/s bis in zwei Jahren definiert. „Insofern sollten schnellstmöglich neue, ehrgeizige Infrastrukturziele und klare Leitlinien formuliert werden, die es ermöglichen, sinnvolle Zwischenschritte auf dem Weg zur Gigabit-Konnektivität von ausbau- und investitionshemmenden Übergangslösungen zu unterscheiden, die die Migration behindern oder verzögern“, so die Telekommunikationsverbände.
Was damit vor allem gemeint ist, wird an anderer Stelle im Papier deutlich: Der jetzt von der Bundesnetzagentur (BNetzA) genehmigte Vectoring-Ausbau der Deutschen Telekom:
„Statt den Infrastrukturausbau im Wettbewerb zu fördern, werden die alternativen TK-Netzbetreiber durch das weitgehende exklusive Ausbaurecht für Vectoring im Nahbereich zugunsten des Ex-Monopolisten aus der eigenen Wertschöpfung gedrängt und stattdessen auf virtuelle Vorleistungsprodukte verwiesen. Diese können den Wegfall des physischen Zugangs nach heutigem Stand keineswegs kompensieren.“
Die Generaldirektorin des FTTH Council Europe, Erzsebet Fitori sagte bei der Vorstellung des Thesenpapiers, es gehe bei den Gigabitnetzen „nicht nur um die Bandbreiten, sondern auch um zusätzliche Qualitätsparameter wie beispielsweise Latenz, Paketverlust und Verfügbarkeit“. VATM-Präsident Martin Witt ergänzte: „Über VDSL und Vectoring angebotene Bandbreiten und Qualitätsparameter reichen bestimmten Nutzergruppen schon heute nicht mehr aus.“ Die Kernforderung der Verbände: Der Ausbau soll im Wettbewerb erfolgen. Schließlich bauten die alternativen Netzbetreiber hierzulande bereits heute etwa dreimal so viel an Infrastrukturen, die Gigabit-Bandbreiten ermöglichen, wie der „Ex-Monopolist“.
Beim Eco-Forum hatte Frank Krüger, Unterabteilungsleiter „Digitale Gesellschaft und Infrastruktur“ im BMVI, die bisherige Förderpraxis bekräftigt: „Es gibt die Bereiche, wo keiner hingehen möchte, da müssen wir eben fördern. Und dann versuchen wir durch entsprechende Verfahren sicherzustellen, dass da dann auch nur ein Netz aufgebaut wird.“ Wolf Osthaus von Unitymedia widersprach:
„Zwei Netze sind immer besser als ein Netz. Wir sollten froh sein, wenn ein zweites Netz entsteht, auch wenn es eine andere Technologie ist, auch aus Sicherheits- und Redundanz-Gesichtspunkten. Überlegungen, die es in der Politik gelegentlich gibt, dass man den einen, der das Netz baut schützen möchte davor, dass er dann plötzlich Wettbewerb bekommt, halte ich für grobfalsch.“
Auch das Verbände-Papier enthält einige Forderungen zur Neu-Ausrichtung der Förderung. Gigabitfähige Technologien und der Aufbau passiver Infrastrukturen, die von allen Marktakteuren wettbewerbsneutral genutzt werden können, sollen danach bevorzugt werden. Das gelte ebenfalls für die Glasfaseranbindung von Mobilfunkstationen. Außerdem fordern sie Transparenz bei der Förderung, sowohl bei der Verteilung der Mittel auf Betreibermodelle und Wirtschaftslückenförderung sowie auf FTTB/H und FFTC. Die Zahl der Zuschläge sollten dokumentiert werden. Auch für die einzelnen Verfahren an sich fordern sie mehr Transparenz. Marktabfragen seien so durchzuführen, dass ernsthafte Angebote ohne Förderung nicht unberücksichtigt blieben.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Sascha Klettke ist Chef vom Dienst und Analyst für Netzpolitik.