Über Mythen, Irrtümern, Unwissen und Unbehagen: »Maschinen werden strenger beurteilt als Menschen« – Digitale Ethik im BASECAMP

young and restless Netzwerktreffen im Basecamp zum Thema "Digitale Ethik - was heißt das konkret ?" Foto: Christian von Polentz
young and restless Netzwerktreffen im Basecamp zum Thema "Digitale Ethik - was heißt das konkret ?" Foto: Christian von Polentz
Veröffentlicht am 18.12.2019

Fotos: Christan v. Polentz für meko factory

Am 5. Dezember wurde im BASECAMP die Frage aufgeworfen, »in welcher Welt wollen wir leben.« Braucht die sich wandelnde Gesellschaft neue Regeln oder müssen wir unsere existierenden diskutieren und auf die neuen Umstände anpassen? Die Diskussion über digitale Ethik hat auch viel mit Irrtümern und Unwissen zu tun. Die neue Zeit brauche eine Bildung, die sich an den Wandel anpasst.

»Wir müssen über unsere Werte diskutieren« so Lalja Fetic von der Bertelsmann Stiftung, allerdings würden Algorithmen lediglich menschliche Entscheidungen skalieren. Künstliche Intelligenz sei im Allgemeinen eher nicht intelligent. Technologie sei nicht neutral, sondern ist von Menschen gemacht und »unterliegt damit auch unseren Fehlern«, etwa bei der Auswahl der Trainingsdatensets. Bei Amazon etwa konnte beobachtet werden, dass im Rekrutierungsprozess lediglich existierende Diskriminierungen und Fehlentwicklungen fortgeschrieben wurden. »Frau« war in der männerdominierten Amazon-Welt ein eher weniger Erfolg versprechendes Attribut.

Irren ist menschlich – Maschinen müssen perfekt reagieren

Wolfgang Gründinger vom Bundesverband der Digitalen Wirtschaft BDVW ergänzte, dass Menschen »menschliches Fehlverhalten eher dulden, weil wir uns daran gewöhnt haben«, bei Maschinen würden strengere Kriterien angelegt.  Während wir uns eher verzeihen, denn Irren ist bekanntlich menschlich, sollten Maschinen perfekt und neutral agieren.

young and restless Netzwerktreffen im Basecamp zum Thema „Digitale Ethik – was heißt das konkret ?“, Dr. Wolfgang Gründinger | Foto: Christian von Polentz

Künstliche Intelligenz kann helfen

In der Realität kann Künstliche Intelligenz helfen, die menschliche Welt ein bisschen gerechter zu machen. In Deutschland fallen etwa Strafen unterschiedlich nach Regionen für die gleichen Delikte aus. Bei Verkehrsdelikten wäre man besser bedient, wenn der Fall im Landgerichtsbezirk Kiel verhandelt wird und nicht im bayerischen Traunstein. Drogendelikte werden nachsichtiger in Freiburg im Breisgau geahndet, während man in Frankfurt am Main seltener ein Auge zudrückt. KI könnte also gewährleisten, dass man vor Gericht nicht mehr wie im Satz der Jura-Studierenden »in Gottes Hand ist.«

young and restless Netzwerktreffen im Basecamp zum Thema „Digitale Ethik – was heißt das konkret ?“, Lukas Klingholz | Foto: Christian von Polentz

Staat muss seine hoheitliche Aufgabe wahrnehmen

Lukas Klingholz, beim BITKOM-Verband für Big Data und KI zuständig, fordert eine »breite gesellschaftliche Grundbildung«. Nicht jeder müsse ein Data-Scientist sein, aber in der Schule sollte vermittelt werden, worum es grundsätzlich hinter den Schlagwörtern verberge. Lalja Fetic hatte eine Umfrage im Gepäck: 48 Prozent der befragten Europäer wüssten nicht, was ein Algorithmus sei. Was manche nicht hindert, mit insgesamt 74 Prozent für eine stärkere Regulierung von Algorithmen zu plädieren. Immerhin sehen 46 Prozent in Europa eher Vorteile und lediglich 20 Prozent Probleme in den neuen Technologien. Viele stark diskutierte Themen wie etwa »Filterblasen« oder Social Bots, die wie von Zauberhand manipulativ in die Demokratie eingriffen, seien eher Mythen.

young and restless Netzwerktreffen im Basecamp zum Thema „Digitale Ethik – was heißt das konkret ?“, Lajla Fetic | Foto: Christian von Polentz

Wolfgang Gründinger merkte an, dass der Gesetzgeber Phänomene reguliere – allerdings »ohne empirische Grundlage.« Wichtig sei, dass der Staat seine hoheitliche Aufgabe in einer sich verändernden Gesellschaft wahrnehme und nicht die Entscheidung, etwa wann es sich um Hass und wann um erlaubte Meinungsäußerung handele, privaten Unternehmen wie Facebook und Twitter überlasse. Diesen Appell formuliere er bewusst, obwohl etwa das erstinstanzliche Urteil zu den durch Renate Künast hinzunehmenden Beleidigungen die Frage aufwerfe: Wieviel Hass wollen wir dulden? Über solche Fragen müssten unabhängige Gerichten entscheiden und nicht private Unternehmen.

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