UdL Digital Talk Nachbericht: Digitale Kommunikation eröffnet neue Möglichkeiten
Foto: Henrik Andree
Heutzutage ist wohl so gut wie jeder auf den sozialen Netzwerken unterwegs. Die Digitalisierung verändert seit Jahrzehnten bestehende Berufsbilder, auch die Arbeit der Politiker. Doch wieviel Analoges braucht die digitale Welt heute noch? Dieser Frage gingen der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, und die Unternehmerin Kasia Mol-Wolf am 26. September beim UdL Digital Talk im BASECAMP auf den Grund. Beide sind sich einig: Es geht nicht mehr ohne die sozialen Medien. Doch die bringen auch Gefahren mit sich.
„Bild, BAmS und Glotze und dann hab ich das Volk erreicht – das ist nicht mehr so“, sagt der Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus. Aus diesem Grund bespielten er und sein Team gleich eine ganze Reihe sozialer Medien, in einem Live-Video auf Facebook beantwortete der westfälische Wirtschaftswissenschaftler beispielsweise Fragen der Zuschauer. Dank Plattformen wie Instagram und Facebook müssten die Politiker nicht mehr darauf warten, in Talkshows oder zu Pressegesprächen eingeladen zu werden. „Wenn man die Menschen erreichen will, dann muss man da rein“, lautet sein Urteil. Noch befände die Politik sich allerdings ganz am Anfang.
Social Media sind kommunikative Chance
Ähnlich sieht das die Herausgeberin und Verlegerin des Frauenmagazins „Emotion„, Kasia Mol-Wolf. „Politik könnte digitale Plattformen mehr nutzen“, betont sie. Die Unternehmerin hat vor zehn Jahren ihren eigenen Verlag „Inspiring Network“ gegründet, zu dem auch Emotion gehört. Inzwischen macht der Digitalauftritt des Magazins etwa 30 Prozent des Geschäfts aus. Obwohl sie sich damals für ein Print-Magazin entschied – worauf Moderator Cherno Jobatey mehrmals hinwies – fürchtet sie die Digitalisierung nicht. Stattdessen sieht sie diese lieber als Chance an.
„Vor zehn Jahren hat eine Werbung im Fernsehen mindestens 100.000 Euro gekostet. Jetzt können wir seit ein, zwei Jahren für 1.000 Euro schon sehr viel bewegen über Instagram und Facebook.“
So fühle sie sich „ebenbürtig zu einem großen Verlag“. Doch geschenkt sei die Aufmerksamkeit der Leser nicht. Denn nur wer authentisch ist, erreiche sein Publikum. Zu ihrer Arbeit zähle auch der „echte Dialog mit Lesern“. Selbst wenn es etwas später sei, sollten alle Nachrichten auf den sozialen Plattformen ernst genommen werden.
Etwas anders sieht das Ralf Brinkhaus, der sich über die Jahre hinweg inzwischen ein dickes Fell zugelegt habe. Das brauche er auch: „Wenn Sie abends in einer Talk-Show waren, können Sie davon ausgehen, dass alles zwischen 23 Uhr und 8 Uhr morgens in der Regel schwierig ist“. Trotzdem arbeite er sich mit seinen Mitarbeitern durch sämtliche Nachrichten der „Hater“, wie Brinkhaus sie nennt. Manchmal komme zudem das Problem hinzu, ernsthafte Sorgen von Kampagnen zu unterscheiden. „Das war zum Beispiel beim globalen Migrationspakt sehr schwierig zu filtern“, sagt er. Dass die Hürde, dem Abgeordneten des eigenen Wahlkreises zu schreiben, niedriger geworden ist, habe aber auch Vorteile. „Die Kommunikation findet fast nur noch digital statt, wir bekommen viel mehr Nachrichten“, erläutert er.
Digitalisierung hilft Gründerinnen mit Kindern
Einig sind sich die beiden Diskussions-Partner allerdings in einem anderen Punkt: Die Digitalisierung kann vor allem Frauen nutzen. Mol-Wolf, die gerade ihr zweites Kind erwartet, erleichtere beispielsweise Home-Office die Kinderbetreuung massiv. Trotzdem fordert Jobatey sie dazu auf, sich etwas von Brinkhaus als Politiker direkt vor ihrer Nase zu wünschen. „Mutterschutz für Gründerinnen“, lange überlegen musste die Unternehmerin wohl nicht. Schließlich sei der fehlende Mutterschutz als Selbstständige für viele Frauen ein riesiges Hemmnis, zu gründen. Brinkhaus versprach vor versammeltem Publikum sich das Thema zu merken.
Der Westfale spricht davon, dass sich die Rollenbilder in Deutschland generell verändern müssten. „Ich arbeite ja jetzt mit Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer zusammen. Viele fragen mich deshalb: Wie kommst du denn mit den beiden Frauen klar?“, erzählt der Politiker und zeigt sich sichtlich erstaunt. Das Problem bestehe seiner Meinung nach darin, dass es in Deutschland sehr viele „Silo-Karrieren“ gebe. Die Menschen arbeiten sehr lange, um befördert zu werden. Das kritisiert er:
„Brüche in der Karriere sind in Deutschland irgendwie noch Ih Bäh.“
Das müsse sich ändern, die Deutschen müssten flexibler werden. Dazu passt, dass sich sowohl Brinkhaus als auch Mol-Wolf eine „Kultur des Scheiterns“ in Deutschland wünschen. Eine Sache verbindet die beiden Debattierenden wohl zudem: Ihr Mut. Als Mol-Wolf vor zehn Jahren beschloss, das Printmagazin Emotion zu kaufen, erklärte sie ihr Vater für verrückt. Auch Brinkhaus musste sich einiges anhören, als er vor einem Jahr überraschend für den Fraktionsvorsitz kandidierte. Heute sieht er das gelassen. Ein Journalist habe in einem Artikel über ihn geschrieben, er habe die Freiheit zu scheitern. „Es würde uns in unserer Gesellschaft sehr guttun, sich hin und wieder diese Freiheit zu nehmen“, findet er.
Nur digital geht es nicht
Guttun würde Brinkhaus zufolge auch manchmal eine Pause von der digitalen Welt. „Man muss aufpassen, dass man nicht Tourist im eigenen Leben wird“, warnt er. Wer ständig nur über den nächsten Post nachdenke, nehme nicht mehr wirklich am eigenen Leben teil. Deshalb rät er zu Mut, sich auch manchmal nicht sofort zu äußern und die Dinge sacken zu lassen. „Es ist auch gut für die Politik, wenn man einfach Mal Sachen liegen lässt und nicht sofort Erklärungen und eine Antwort hat“, sagt er. Einen sofortigen Rücktritt Merkels würde Brinkhaus auf Nachfrage des Moderators Jobatey aber nicht erst einmal drei Tage lang sacken lassen.
Letztlich sind sich die Print-Liebhaberin und der Politiker einig: Es geht nicht nur digital. So spricht sich der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU dafür aus, ständig die Mitte der Menschen zu suchen. „Es wäre für mich eine Horrorvorstellung, hier in Berlin zu sitzen und mit meinem Wahlkreis nur noch digital zu kommunizieren„, sagt er. Mol-Wolf stimmt dem zu. Auf Veranstaltungen ließe es sich immer noch am besten vernetzen. Schließlich kam Brinkhaus zu dem Schluss: „Ich bleibe Analog-Fan.“