UdL Digital Talk Nachbericht: Deutschland hat eine Riesenchance bei Blockchain
Wenn Jens Spahn im Moment ein Interview gibt oder bei einer Talkshow auftritt, dann sind oft Schlagzeilen in den Medien und Shitstorms bei Twitter und Facebook zu erwarten. Beim UdL Digital Talk am 11. September im Telefónica BASECAMP ließ der 37-jährige CDU-Politiker und Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium seine Lust an der Provokation nur ab und zu aufblitzen. Zumeist diskutierte er mit Dr. Shermin Voshmgir, Informatikerin und Gründerin des BlockchainHub Network, über die möglichen Umwälzungen durch die Blockchain-Technologie und die Rolle des Staates dabei.
Blockchain – wer zahlt die Steuern?
Denn der wird durch die neue Methode für sichere finanzielle Transaktionen, die ohne sogenannte Intermediäre wie Banken in dezentralen Computernetzwerken ablaufen, vor einige Herausforderungen gestellt. Spahn nannte als Beispiel eine Solaranlage, die selbst durch die Stromeinspeisung Geld verdient und auch alleine den Handwerker zur Wartung bestellt und bezahlt. Da stellt sich dem Finanzpolitiker sofort die Frage „Wer zahlt denn dann die Steuern?“
Doch er ruderte dann ein wenig zurück. Es gehe nicht in erster Linie darum, dass der Staat wieder mehr Geld einnehme.
„Der erste Schritt ist zu verstehen, was da überhaupt passiert“, so der CDU-Politiker, „und wenn wir verstanden haben, dann müssen wir, da wo es nötig ist, auch regulieren.“
Was das Leben einfacher macht, setzt sich durch
Spahn und Voshmgir waren sich in der grundsätzlichen Beurteilung von Blockchain einig. Die Technologie werde in vielen Bereichen Einzug halten.
„Alles was das Leben einfacher macht, setzt sich in aller Regel früher oder später in weiten Teilen durch“, sagte Spahn.
Derzeit gebe es aber eine Finanzblase bei dem Thema:
„Die Blase wird wahrscheinlich platzen. Ob das früher oder später kommt und größer und kleiner ausfällt, können wir nicht voraussehen“, erklärte Voshmgir und zeigte sich trotzdem optimistisch.
Vielleicht gehe es danach erst richtig los mit Blockchain, das sei in den 90er-Jahren bei der Internet-Wirtschaft auch so gewesen.
Nach Einschätzung von beiden ist Berlin ein international bedeutendes Zentrum der Blockchain-Entwicklung. „Wir haben viel Wissen in Berlin“, sagte Spahn, das würden ihm auch Gesprächspartner im Ausland sagen.
Regulatorische Sandkästen
Oft verlangen Start-ups nach möglichst wenig Regulierung, um erstmal alles auszuprobieren. So überraschte es etwas, dass Shermin Voshmgir sich einen klareren Rechtsrahmen für die Berliner Blockchain-Szene wünschte. Weil es den noch nicht gebe, würden Gründungen, die in Berlin entwickeln, sich rechtlich im schweizerischen Zug oder im US-Bundesstaat Delaware ansiedeln. Ihr Vorschlag: „Regulatory Sandboxes“ – in einem mit der Politik abgesteckten Raum für konkrete Projekte könnten Start-ups und bestehende Unternehmen nach dem Motto „trial and error“ neue Dinge ausprobieren.
Die erste Idee, die Jens Spahn auf die Frage von Cherno Jobatey nach solchen Projekten hatte, dürfte für Notare keine schöne Zukunftsversion sein. „Ich fände superspannend mal zu versuchen, Grundbuchämter überflüssig zu machen.“
Er wäre dafür, wenn die CDU nach der Wahl weiter regieren kann, sehr schnell mit der öffentlichen Verwaltung ein konkretes Projekt anzugehen. „Da könnten wir uns weltweit in einem Bereich nach vorne katapultieren“, so Spahn.
Und auch für regulatorische Sandkästen hatte er eine Idee:
„Was ich mir gut vorstellen kann, dass man für zwei, vier oder fünf Jahre in enger Kommunikation mit der Aufsicht rechtsverbindliche Vereinbarungen trifft.“
Spahn erklärte sein Modell: Gründern würden dann zum Beispiel der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihr Geschäftsmodell vorstellen und die sagt: „Damit könnt Ihr erstmal starten“. Wenn sich dann etwas ändere, dann würde ein Stichtag in der Zukunft genannt, ab dem neue Regeln gelten. Das sei bisher anders: „Ihr seid seit drei Jahren eine Bank, wusstet es aber nicht, und deswegen müssen wir Euch jetzt auch rückwirkend so behandeln.“
Vorerst kein Regulierungsbedarf
Grundsätzlichen Regulierungsbedarf für die Blockchain-Technologie sieht Spahn derzeit nicht – das sei sowohl die Auffassung des Bundesfinanzministeriums aber auch der BaFin, der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank:
„Aus heutiger Sicht haben wir nichts in der Schublade wo wir sagen, ab morgen ist das reguliert. Ich kann aber nicht sagen, ob das in drei Monaten anders ist, weil sich da jeden Tag etwas Neues entwickelt.“
Dass Spahn den Bogen zu kleinen Provokationen auch findet, wenn es um ganz andere Themen geht, bewies er bei der digitalen Bildung.
„Da müssen wir uns auch mal die Frage stellen, schaffen wir nun den 87. Gender-Lehrstuhl oder mal einen für Blockchain, wo sind eigentlich die Zukunftsthemen?“
Fragte Spahn und beendete den Ausflug schnell wieder: „Nachher gibt es wieder einen Gender-Shitstorm. Lassen wir das.“
Spahn als Staatsminister im Kanzleramt?
Die Fragen aus dem Publikum führten Jens Spahn zu einem Schnell-Durchlauf durch viele Themen der Digitalpolitik: Er räumte ein, dass in den letzten vier Jahren durch die Digitale Agenda nicht genug geschehen sei, widersprach aber energisch der Aussage, dass gar nichts passiert sei. Ein besonders schwieriges Thema sei nach wie vor die Verwaltung:
„Ich möchte, dass wir in vier Jahren beim Thema E-Government aus der Steinzeit im 21. Jahrhundert angekommen sind.“
Und durchsetzen möchte Spahn das so, wie es im CDU-Parteiprogramm vorgesehen ist: Mit einem Staatsminister im Bundeskanzleramt.
„Wenn Du große Organisationen verändern willst, dann musst Du das von ganz oben mit Unterstützung der Kanzlerin durchprügeln.“
Die Frage von Cherno Jobatey, ob das denn ein Job für ihn wäre, lag da eigentlich auf der Hand. Schließlich hatte die FAZ ihn vor kurzem schon als Kandidaten ins Gespräch gebracht. Spahns lachende Antwort – „Was soll ich denn jetzt wieder sagen?“ – ließ alle Möglichkeiten offen.