UdL Digital Talk mit Franziska Giffey und Daniel Bialecki: Positive Digital-Erfahrungen ebnen Weg in die Zukunft
Foto: Henrik Andree
Die Corona-Pandemie und ihre Folgen fordern uns als Gesellschaft in vielen Bereichen eine Menge ab und haben auch unser alltägliches Leben stark verändert. Familien stehen jeden Tag neu vor der Aufgabe, eine Balance zwischen Haushalt, Homeoffice und Homeschooling zu finden. Über diese Herausforderung und die Zukunft für Eltern, Kinder und Schulen diskutierten Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Daniel Bialecki, CEO des Lernplattform-Anbieters Scoyo, beim jüngsten UdL Digital Talk von Telefónica Deutschland.
Eine neue Balance oder alte Rollen?
Daniel Bialecki hat drei Kinder und beschreibt die aktuelle Situation zu Hause als „modernen Dreikampf“. Man pendle zwischen den drei Hs – Haushalt, Homeoffice und Homeschooling. Was die Rollenverteilung angehe, teilen er und seine Frau sich wie vor Corona alles untereinander auf – „aber es ist aktuell halt viel mehr“. Auch bei Franziska Giffey zuhause werden alle Aufgaben geteilt. Gleichzeitig betont sie, dass die Herausforderungen mit kleineren Kindern aktuell größer seien als mit älteren. „Denn je größer die Kinder sind, desto selbstständiger sind sie ja auch“.
Daniel Bialecki befürchtet dann auch keinen Rückfall in eine alte Rollenverteilung zwischen Frau und Mann. Aus seiner Perspektive bietet die gemeinsame Zeit zuhause die Chance für alle Familienmitglieder, mehr Verständnis füreinander und Achtung für das, was die anderen tun, zu entwickeln. Franziska Giffey unterstrich, dass es mittlerweile Studien gebe, die klar belegen, „es gibt keinen Rollback in die 50er Jahre“. Dort wo es Ungleichheiten gibt, verstärken sie sich allerdings.
Hilfe für Familien und Schutz für Kinder
Um das ganze Bild zu zeigen, betonte Giffey, müsse man auch sehen, dass es Familien mit Problemen gibt, die durch die aktuelle Situation in der Pandemie verschärft werden. Das betreffe insbesondere Familien mit vielen Kindern und einer kleinen Wohnung. Vor diesem Hintergrund wies die Ministerin auch auf Hilfsangebote ihres Hauses für Kinder und Eltern hin – wie die Nummer gegen Kummer. Bei den Sorgen und Nöten der Familien gehe es um Gewalt, aber auch um Themen wie Einsamkeit – und dort, wo schon im Normalfall keine Hausaufgabenhilfe angeboten werden kann, auch darum, dass die Schere durch Fernunterricht weiter auseinandergeht. „Da muss geholfen werden“, sagte Giffey, die ihrem Ministerium das Leitmotiv „Wir arbeiten dafür, dass es jedes Kind packt!“ gegeben hat.
Daneben gelte es sich auch um negative Folgen der Digitalisierung, wie Cybermobbing und Cybergrooming, zu kümmern, waren sich Giffey und Bialecki einig. Die Ministerin hat dazu unter anderem eine Änderung des Jugendschutzgesetzes auf den Weg gebracht, die aktuell im parlamentarischen Verfahren steckt. Ziel ist unter anderem eine Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz aufzubauen.
Essenziell sei, die digitalen Probleme der Kinder „wahrzunehmen und darüber zu sprechen“, betonte Bialecki. Da helfe es, dass das, was die Kinder im Netz machen, derzeit in den Familien stärker in den Fokus rückt. „Wir haben es hier aber auch mit einem Wissensgefälle zu tun, weil die Eltern völlig verunsichert sind, da ihnen ihre Kinder im Digitalen weit voraus sind“, so der Unternehmer. Er wünsche sich deshalb ein Angebot, wo sich Eltern über verschiedene digitale Tools und Plattformen, die ihre Kinder nutzen, informieren können, um auf Augenhöhe darüber sprechen zu können.
Digitale Bildung in und nach der Pandemie
Auch wie gelehrt und gelernt wird, hat sich in den vergangenen Monaten stark verändert. Aus Sicht von Daniel Bialecki ist es auch für die Zukunft der richtige Ansatz, das Lernen in der Schule und das Lernen in der Familie gemeinsam zu denken, und „Silos aufzubrechen“. Es sei gut, wenn sich die gedankliche und räumliche Trennung zwischen dem Vormittag in der Schule und den Hausarbeiten am Nachmittag auflöst.
Auch Giffey will Familien und Schule stärker zusammendenken. Sie betonte, dass Eltern dabei unterstützt werden müssen, ihren Kindern beim Lernen zu helfen, „denn viele Eltern können das nicht“. „Deshalb ist auch wichtig, dass es weiter ein gutes schulisches Angebot gibt“, so die Ministerin. Sie begrüßte zudem den Ansatz von Bialecki und Scoyo Bildungsangebote vom Kind her zu denken und sich dabei auch am Nutzen für den Alltag zu orientieren. Bildung, unterstrich Giffey, „muss lebensnah sein und Kinder müssen eine Antwort auf die Frage finden können, wozu brauche ich das eigentlich“. Mit Blick auf die Zukunft forderte sie einen „Grundkonsens zur digitalen Bildung“ zwischen den Bundesländern.
Bialecki fehlt dagegen die Vision der Politik für die digitale Zukunft, auf die dann alle zuarbeiten können. Skeptisch ist der Unternehmer auch, was den Föderalismus im Bildungssystem betrifft. Jedes Bundesland habe andere Vorstellungen und die Beharrungskräfte seien enorm. Er begrüße daher auch die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass man die Bundesrepublik in Bezug auf digitale Bildung „ganz neu denken“ müsse. Für Bialecki muss sich das System öffnen, flexibler werden und Schulen zu „spannenden und interessanten Lernorten werden, wo die Kinder gerne hingehen“.
Nicht zurückfallen, sondern vorangehen
Insgesamt befanden Giffey und Bialecki, dass Deutschland in der Pandemie digital vorangekommen ist. Es müsse aber weitergehen. „Wenn wir durch Corona gelernt haben, dass digitale Tools nicht unser Feind, sondern nützlich sind“, erklärte Bialecki, ist das ein wichtiger Schritt. Der angestoßene Prozess sei seiner Meinung nach auch nicht mehr umkehrbar, da durch die digitalen Möglichkeiten Menschen zusammengebracht und Kreativität freigesetzt wurde, die sich weiter Bahn brechen werde.
Giffey denkt da ähnlich und glaubt, viele Menschen konnten in den vergangenen Monaten, die Vorteile von Digitalisierung konkret erfahren. Auch sie habe sich vor zwei Jahren nicht vorstellen können, dass die Bundesregierung „die Europäische Ratspräsidentschaft komplett digital machen kann, ohne ein einziges Mal irgendwohin zu reisen“. Und jetzt genieße sie die Vorteile der Digitalisierung täglich in ihrer politischen Arbeit.