TK-Regulierung und Geoblocking: BMWi bereitet TKG-Änderung vor
Der 31. Juli naht und bis dahin muss die Bundesregierung eigentlich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2016 umgesetzt haben. Die Richter in Karlsruhe hatten damals entschieden, dass der § 35 Abs. 5 Satz 2 und 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) den gerichtlichen Rechtsschutz der TK-Unternehmen gegen Entgelt-Entscheidungen der Bundesnetzagentur einschränkt. Bis Ende dieses Monats sollte der Gesetzgeber nachbessern. Deswegen hat nun das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) einen Referentenentwurf für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (4. TKGÄndG) vorgelegt.
Zusätzlich zu der Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll im Rahmen des Änderungsgesetzes auch die Bundesnetzagentur (BNetzA) als zuständige Stelle im Sinne der sogenannten EU-Geoblocking-Verordnung (Geoblocking-VO) benannt werden. Eine öffentlich-rechtliche Rechtsdurchsetzung der EU-Verordnung, die Ende des Jahres 2018 anwendbar wird, hält das BMWi für geboten.
Zeitplan
Wohl auch aufgrund der späten Regierungsbildung und des daraus resultierenden Zeitdrucks bekamen die Verbände Ende Juni zunächst lediglich eine Woche Zeit, um ihre Stellungnahmen einzusenden, dann wurde die Frist um wenige Tage verlängert. 13 liegen nun auf der Website des BMWi vor. Das Bundeskabinett könnte den BMWi-Entwurf noch in einer der letzten beiden Sitzungen im Juli beschließen. Dann muss der Gesetzentwurf nach der Sommerpause noch durch das parlamentarische Verfahren. Einer Zustimmung der Länder im Bundesrat bedarf es nicht.
Das Gesetz wird nicht rückwirkend, sondern mit dem Tag der Verkündung in Kraft treten. Mit dem Stichtag 31. Juli könnte deshalb zunächst Rechtsunsicherheit bei den Entgelt-Genehmigungsverfahren auftreten, die ab 1. August und vor Inkrafttreten der Regelung beschieden werden bzw. bei solchen, die schon beschieden sind und Entgeltzahlungen über den Stichtag hinaus beinhalten. Die Geoblocking-VO ist zwar schon in Kraft, wird aber erst Anfang Dezember nach einer neunmonatigen Übergangsfrist anwendbar. Bis dahin dürfte das parlamentarische Verfahren abgeschlossen sein.
Änderung des § 35 TKG: Entgeltgenehmigungen
Durch die Änderung des § 35 TKG soll eine 2004 in das TKG aufgenommene, wettbewerbsrelevante Regelung eingeschränkt werden, die laut Verfassungsgericht aufgrund der sich veränderten Wettbewerbssituation auf dem TK-Markt grundgesetzwidrig ist. Bisher prüft und genehmigt die BNetzA bestimmte Entgelte marktmächtiger Anbieter und kann ggf. auch im Nachhinein gerichtlich ein höheres Entgelt anordnen. Das gilt v.a. bei Vorleistungen, die Wettbewerber z.B. bei der Telekom einkaufen, um ihren Endkunden bestimmte Leistungen anbieten zu können. Der § 35 TKG schützt Anbieter aber vor existenzbedrohenden rückwirkenden Forderungen für mitunter mehrere Jahre, die Unternehmen nicht rückwirkend gegenüber den Endkunden geltend machen könnten. Ursprünglich sollte die Regelung dem Schutz der in die liberalisierten Telekommunikationsmärkte eintretenden Unternehmen dienen. Jetzt sollen nur noch kleinere, finanzschwächere Anbieter (Umsatz bis 100 Millionen Euro) weiterhin von dem Schutz vor rückwirkenden Zahlungen profitieren. Größere seien hingegen in der Lage, eigenständig Rücklagen für eventuelle rückwirkende Zahlungen aufzubauen. Somit soll der von der Monopolkommission vorgeschlagenen und vom Bundesverfassungsgericht geforderten Differenzierung der Marktteilnehmer nachgekommen werden.
Während die TK-Wirtschaftsverbände und -Unternehmen, die bereits im Februar zu den geplanten Änderungen angehört wurden, einhellig begrüßen, dass die Klarstellung im TKG nun endlich erfolgt, sind viele mit der Umsatzschwelle für Unternehmen unzufrieden. Statt einer am Umsatz ausgerichteten Differenzierung, brauche es eine Unterscheidung von Unternehmenskategorien anhand von relativen Marktverhältnissen (z.B. vier Prozent Marktanteil), fordern BUGLAS und BREKO. Eine drastische Absenkung des Schutzes monieren beispielsweise BREKO und ANGA, da nach der neuen Definition nur noch Unternehmen, die einen Marktanteil von unter einem Prozent hätten, vor rückwirkenden Entgeltzahlungen bewahrt werden würden. Diverse kleinere Unternehmen hätten zwar einen Umsatz über dem Richtwert, seien aber dennoch existenzbedroht. Vor allem der Breitband-Verband BREKO macht darauf aufmerksam, dass der politisch angestrebte, vornehmlich von kleinen Marktteilnehmern durchgeführte Glasfaserausbau damit gefährdet würde. In die Kerbe schlägt auch die Antwaltskanzlei Juconomy, die die regionalen Anbieter m-net und NetCologne vertritt.
Einzig die Telekom argumentiert in die andere Richtung: Aus Sicht des Unternehmens sei es nicht verständlich, warum kleinere, regionale Anbieter mit teilweise erheblicher lokaler Marktmacht unter die Schutzklausel fallen sollten. Vodafone lehnt eine weitere Ausdehnung der Schwelle nach oben ebenfalls ab, da „zahlreiche“ mittelgroße „den Markt prägende“ Unternehmen (bis zu einem Umsatz von circa 500 Millionen Euro) damit ausgenommen würden. Der dritte große „Player“ am deutschen TK-Markt, Telefónica, kritisiert, dass alle Unternehmen am Markt in gleicher Weise von rückwirkenden Zahlungspflichten betroffen sind, unabhängig von der Unternehmensgröße.
Vor allem im Hinblick auf die Frist beklagt aber die gesamte TK-Wirtschaft – mit Ausnahme der Telekom – die drohende Rechtsunsicherheit.
Änderung der §§ 116 und 149 TKG: Geoblocking
Inhaltlich baut die EU-Verordnung zum Geoblocking Hindernisse für den grenzüberschreibenden Handel mit Dienstleistungen und Waren ab – digitale Medien vorerst ausgenommen. Durch eine Änderung des § 116 TKG sollen die Befugnisse der BNetzA um die Durchsetzung der Geoblocking-VO ergänzt werden und durch die des § 149 die Rechtsfolge im Fall von Verstößen geregelt werden. Die Verordnung stellt es Mitgliedstaaten frei, ob sie Verwaltungsbehörden oder Gerichte mit der Durchsetzung des EU-Rechts beauftragen. Den Weg einer Zivilrechtsklage können Verbraucher nach Vorstellung des BMWi zwar jederzeit wählen, in Anbetracht der Art der Schäden, die bei Geoblocking-Missbrauch entstünden, sei jedoch unwahrscheinlich, dass dies effektiv sein wird. So
„dürfte gerade bei Sachverhalten, wo eine größere Anzahl von Konsumenten in einem geringen Intensitätsgrad (häufig schnelles Ausweichen auf andere Anbieter möglich) betroffen sind (sog. Streuschäden), ein Verweisen der Verbraucher auf eine gerichtliche Durchsetzung ihrer Rechte eine zu hohe Hürde bedeuten“,
heißt es in der Gesetzesbegründung.
Eine andere Meinung vertritt der Handelsverband Deutschland (HDE). Lieber würde der Händlerverband die Rechtsdurchsetzung von Gerichten geklärt wissen, vor allem, da die EU-Verordnung den Mitgliedstaaten die Wahl lässt. Eine parallele Rechtsdurchsetzung würde laut HDE zu einer „unverhältnismäßigen Überregulierung“ führen. Sollte die Bundesregierung an ihrem Vorhaben dennoch festhalten, plädiert der HDE für eine deutliche Absenkung des Bußgeldrahmens (bis zu 300.000 Euro) auf eine Obergrenze von circa 25.000 Euro. Auch der BDI und der Deutsche Reiseverband (DRV) setzen auf die zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Lina Rusch ist Analystin für Netzpolitik.