TK-Regulierung: Öffentliche Anhörung zur TKG-Novelle
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Bei einer Öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses im Bundestag trafen Politiker, Experten und Wirtschaftsvertreter zusammen, um über die TKG-Novelle zu sprechen. Noch gibt es bei vielen Punkten Verhandlungsspielraum. Die Sachverständigen wiesen außerdem auf Nachbesserungsbedarf hin.
Vier Stunden waren am 1. März im Wirtschaftsausschuss des Bundestages für die Debatte über das Telekommunikationsgesetz (TKG) eingeplant. Zum vierhundertseitigen Gesetzentwurf der Bundesregierung waren Mitte Februar mehr als 80 Änderungsempfehlungen des Bundesrates hinzugekommen, die Bundesregierung hatte ihrerseits auf mehr als 50 Seiten dazu Stellung genommen. Die Novelle des TKG muss viele Probleme auf einmal lösen: Sie soll einen zukunftssicheren Rahmen für den Breitbandausbau mit Glasfaser bieten, wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe aller Bürger:innen durch ein „Recht auf schnelles Internet“ garantieren, den Verbraucherschutz unter anderem bei Vertragslaufzeiten verbessern und muss die deutsche Gesetzgebung mit den europäischen Vorgaben harmonisieren. Auch das bisherige Umlageverfahren bei Kabel-Anschlüssen in Mietwohnungen sowie die Versteigerungspraxis der Mobilfunkfrequenzen durch die Bundesnetzagentur sind Streitpunkte.
Zur besseren Übersicht wurde die Expert:innenanhörung in zwei Schwerpunkte geteilt: Beim Punkt „Wirtschaftspolitische und marktregulatorische Aspekte“ waren unter anderem Torsten Gerpott von der Uni Duisburg-Essen, ver.di-Gewerkschaftssekretär Christoph Heil und Justus Haucap vom Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) als Experten geladen. Danach diskutierten Parlamentarier:innen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über „Infrastrukturelle und frequenzpolitische Aspekte“. Dazu geladen waren der Medienrechtler Matthias Cornils, Tim Brauckmüller vom Breitbandausbau-Projektträger ateneKOM, Chaos Computer Club-Sprecher Frank Rieger, Vertreter:innen von VATM und Breko und andere.
Angst vor Bevorzugung der Telekom
Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber, Vertreter:innen der kommunalen Spitzenverbände sowie Lina Ehrig vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Regulierungsrechtsexperte Thomas Fetzer von der Uni Mannheim standen auf der Liste der Sachverständigen. Sie wurden zu beiden Schwerpunkten gehört. Viele andere Stakeholder haben ihre Stellungnahmen aus dem vergangenen Jahr, als der Entwurf der TKG-Novelle erstmals bekannt wurde, lediglich leicht aktualisiert. Nicht gehört wurden dagegen Vertreter:innen von Vodafone, Telefónica oder 1&1 – allein die Deutsche Telekom war geladen. Das stört Wettbewerber wie Vodafone. Dort fürchtet man, dass die Bundesregierung bei der Gestaltung der Regulierung ein weiteres Mal den einstigen Staatskonzern bevorzugen könnte.
Für Vodafone wiederum ist entscheidend, wie sich die politische Debatte um das als „Nebenkostenprivileg“ bekannte Umlageverfahren bei Kabel-Anschlüssen entwickelt. Bisher können Vermieter:innen Kosten für Kabel-Hausanschlüsse auf Mieter:innen umlegen, ohne dass diese eine Wahl haben – ein Überbleibsel der TV-Kabel-Förderung der achtziger Jahre. Sowohl eine Abschaffung der europarechtlich bedenklichen Regelung als auch mehrere unterschiedliche Kompromissvorschläge stehen im Raum. Vodafone besitzt seit der Übernahme von Unitymedia im Jahr 2019 einen Marktanteil von 75 Prozent bei TV-Kabel-Anschlüssen in Deutschland.
Wenig Deregulierung erkennbar
Lange hatte die Bundesregierung die TKG-Novelle liegen gelassen und damit die mehrjährige Umsetzungsfrist der europäischen Rahmenregulierung verstreichen lassen. Bei der Beteiligung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft wird dagegen aufs Tempo gedrückt: Für das Einreichen von Stellungnahmen hatten die Sachverständigen knapp eine Woche Zeit. Das thematisierten sowohl Fetzer als auch Gerpott in ihren Stellungnahmen, letzterer reichte – wohl aus Protest – nur eine Liste mit Links zu seinen bisherigen Veröffentlichungen ein.
Die geladenen Expert:innen stellten der TKG-Novelle der Bundesregierung überwiegend solide bis gute Noten aus. Von einem längst überfälligen Schritt zu „mehr Transparenz“ spricht ver.di-Gewerkschaftssekretär Heil. „Insbesondere die Fokussierung auf Vitalisierung von Ko-Investitions- und Open-Access- Modellen und die künftige Einbeziehung nummernunabhängiger interpersoneller Telekommunikationsdienste (OTT)“ sei zu begrüßen. Zu den Over-the-Top-Diensten gehören unter anderem VoIP-Services (Voice over IP) von Whatsapp, Facebook Messenger oder Skype, wobei die Bundesnetzagentur einen Ermessensspielraum besitzt, entsprechende Dienste zu klassifizieren. Reine E-Mail-Anbieter wie Gmail sind nach EuGH-Urteil dagegen kein OTT-Dienst.
Kritik an Komplexität und Frequenzversteigerung
Kritik an dem TKG-Entwurf gab es dagegen hinsichtlich der weiter steigenden Komplexität der TK-Regulierung. „Insbesondere den Netzbetreibern werden weitere aufwendige Pflichten auferlegt, ohne diese Mehrbelastung an anderer Stelle, z. B. durch weitere Investitionsanreize, zu kompensieren“, so Heil in der ver.di-Stellungnahme. Eine Deregulierung sei in dem Entwurf dagegen „leider noch nicht erkennbar“. Der vzbv störte sich dagegen an der Regelung zum „Recht auf schnelles Internet“. Diese sei „mehr als enttäuschend und inakzeptabel“. „Hierfür sollte eine anfängliche Mindestbandbreite von 30 Mbit/s festgeschrieben werden“, schlägt der vzbv vor.
Auch Frank Rieger vom CCC forderte in seiner Stellungnahme den Anspruch auf einen Internetanschluss als eine „einklagbare Anspruchsdefinition“ zu formulieren und schlug 100 Mbit/s vor. Die Mindestbandbreite solle dabei nicht nur klar festgesetzt werden, sondern müsse auch alle zwei Jahre überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
Netzbetreibern wie dem Telefónica-Konzern ist in der TKG-Debatte vor allem die Versteigerungspraxis der Mobilfunkfrequenzen durch die Bundesnetzagentur ein Dorn im Auge. Schon seit Jahren fordert die Branche, die Versteigerung durch ein für sie günstigeres und leichter planbares Vergabeverfahren zu ersetzen. Auch im aktuellen Entwurf sei die Bundesregierung zu stark auf das bisherige Auktionsverfahren festgelegt, kritisierte Telefónica-Chef Markus Haas gegenüber dem Tagesspiegel am Freitag. „Es ist kontraproduktiv, sich auf erlösmaximierende Versteigerungen zu fokussieren, weil dadurch ein Großteil der Investitionen in Frequenzpapiere anstelle in den Netzausbau fließt.“
Versteigerungspraxis soll Vorrang haben
Haas wünschte sich dagegen, dass der Bund die Miete bisheriger Funkfrequenzen im Tausch gegen neue Ausbauzusagen verlängert. Der Entwurf sieht dagegen derzeit vor, dass Versteigerungen grundsätzlich als Verfahrensoption vor anderen Möglichkeiten Vorrang haben sollen. Unterstützung bekommen die Telko-Unternehmen dabei durch die Rechtsanalyse von Thomas Fetzer. Die vom Bund angedachte Vorrangregelung zu Versteigerungsverfahren sei europarechtlich problematisch, erklärte er in seiner Stellungnahme, und empfahl darauf zu verzichten.
Offen bleibt allerdings, welche Alternative zur Versteigerung von Frequenzen einen fairen Wettbewerb garantieren würde – allein durch eine Verlängerung bestehender Frequenzzuteilungen wäre der Markteintritt von 1&1 als neuer Netzbetreiber wohl deutlich schwieriger geworden. Schon im Nachgang der Versteigerung der 5G-Frequenzen hatte Torsten Gerpott öffentlich daran gezweifelt, dass eine direkte Vergabe von Mobilfunkfrequenzen zu höheren Investitionen in den Netzausbau führen würde. „Bei Großkonzernen führen Einsparungen bei Lizenzen nicht automatisch zu höheren Investitionen speziell in 5G-Netze“, sagte er dem Tagesspiegel.
Tagesspiegel Background
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel BACKGROUND Digitalisierung & KI auf der Website des BASECAMP.