Telekommunikation: Minister präsentieren Eckpunkte für TKG-Novelle
Lokales Roaming, mögliche Universaldienstverpflichtung und Interoperabilität für Whatsapp und Co: Das Wirtschafts- (BMWi) und das Verkehrsministerium (BMVI) haben gemeinsame Eckpunkte für ein neues Telekommunikationsgesetz (TKG) vorgelegt. Mit der seit längerem geplanten TKG-Novelle will die Bundesregierung den Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation in nationales Recht umsetzen, EU-fristgerecht bis spätestens Ende 2020. Der Kodex fordert unter anderem, die BNetzA zur Anordnung von lokalem Roaming zu ermächtigen. Vor der für den 19. März angesetzten Frequenzversteigerung für das 5G-Netz soll allerdings eine solche Möglichkeit nicht in das TKG aufgenommen werden.
Das Eckpunktepapier von BMWi und BMVI will das TKG derweil in verschiedenen Bereichen an digitale Realitäten anpassen: Es spiele für Nutzer „eine zunehmend geringere Rolle“, ob sie per Telefonanruf und SMS oder Skype-Gespräch und Whatsapp-Nachricht kommunizieren, heißt es im Papier. Telekommunikationsdienste können demnach zukünftig nummerngebunden oder auch nummernunabhängig sein. Gemeinsam mit der Bundesnetzagentur (BNetzA) wollen die Ministerien prüfen, ob die geltende Meldepflicht für Netzbetreiber auch auf Whatsapp und Co ausgeweitet oder im Rahmen des Bürokratieabbaus insgesamt abgeschafft werden soll.
Mögliche Interoperabilitäts-Verpflichtung für Whatsapp und Co
Die geplante TKG-Änderung soll es ermöglichen, „rufnummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdiensten (z. B. Skype, WhatsApp, Telegram, Facebook Messenger)“ eine Interoperabilitäts-Verpflichtung aufzuerlegen. Der europäische Kodex sieht hierzu zwar enge Auflagen vor, ermöglicht eine solche Verpflichtung allerdings auch von Unternehmen ohne marktbeherrschende Stellung. „Unabhängig davon“ führt die BNetzA dem Eckpunktepapier zufolge „eine Verbraucherbefragung zu der Nutzung interpersoneller Kommunikationsdienste durch, um mehr empirische Daten zu erlangen“.
Lokales Roaming und alternative Verlegetechniken
Zukünftig soll die Bundesnetzagentur Mobilfunknetzbetreiber zur gemeinsamen Nutzung von Infrastruktur und zu lokalem Roaming verpflichten können. Damit wird eine entsprechende Regelung des EU-Kodex ins TKG umgesetzt. Derweil hat die Koalition davon Abstand genommen, eine solche Roaming-Verpflichtung bereits vor dem Beginn der Versteigerung der 5G-Frequenzen am 19. März im Schnellverfahren ins TKG zu übernehmen:
„Wir haben uns entschieden, vor der Versteigerung die Finger davon zu lassen“,
sagte der zuständige SPD-Berichterstatter Gustav Herzog dem Tagesspiegel.
Doch der Konflikt ist damit nur vertagt. Unionspolitiker drängen darauf, möglichst bald nach der Auktion doch noch eine entsprechende Regelung zu verabschieden. Ein Streitpunkt ist, ob die Roaming-Pflicht dann auch rückwirkend angewandt werden kann. In einer entsprechenden Experten-Anhörung im Bundestag gab es dazu unterschiedliche Rechtsauffassungen.
„Wir müssen sehen, ob es notwendig ist, das Thema nochmal separat vor der Umsetzung der großen TKG-Novelle anzugehen“,
entgegnet Herzog. Er sieht dagegen im Teilen von Infrastrukturen die bessere Lösung. Ähnlich hatte auch Vodafone-Deutschlandchef Hannes Ametsreiter in der „Welt am Sonntag“ vorgeschlagen, in den Funklöchern könne jeweils einer der drei großen Netzbetreiber eine Mobilfunkstation bauen „und alle drei Netzbetreiber hängen ihre Antennen daran“.
Um den Breitbandausbau zu beschleunigen, soll die TKG-Novelle einige Anpassungen bei Wegerecht und Mitbenutzung vornehmen:
„Zugangsvorschriften zu Grundstücken und zu Gebäuden werden insgesamt auf den Prüfstand gestellt und konsolidiert“,
heißt es im Eckpunktepapier. Auch wollen BMWi und BMVI den Regelungsbedarf überprüfen, „um den Einsatz von alternativen Verlegetechniken wie Micro- oder Minitrenching oder die Nutzung von Oberleitungen voranzutreiben, die den Netzausbau mit Blick auf knapper werdende Baukapazitäten insgesamt erleichtern könnten“.
Universaldienstverpflichtung
Darüber hinaus fordert der EU-Kodex von den Mitgliedsstaaten eine Universaldienstverpflichtung für schnelles Internet, ähnlich dem Rechtsanspruch auf Breitband, den der deutsche Koalitionsvertrag ab Januar 2025 vorsieht. Um welche Bandbreiten es dabei geht, kann jeder Mitgliedsstaat selbst festlegen. Einen „Mechanismus zur Bestimmung der erforderlichen Geschwindigkeit“ soll die Regierung laut Eckpunktepapier per Rechtsverordnung festlegen und bei Bedarf anpassen. Anhang V des Kodex nennt E-Mail, Suchmaschinen, Internetbanking und Nutzung elektronischer Behördendienste als Orientierung.
„Ich fürchte, dass am Ende nur eine sehr laue Regelung zur flächendeckenden Versorgung dabei herauskommen wird, nach dem Motto: Es reicht doch, wenn ihr Mails verschicken könnt“,
sagte Margit Stumpp, Sprecherin für digitale Infrastruktur der Grünen, dem Tagesspiegel.
Laut Eckpunktepapier will die Bundesregierung prüfen, ob der Anwendungsbereich des Universaldienstes über die Verbraucher hinaus ausgeweitet werden solle, „um auch die Grundversorgung von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen und Organisationen ohne Gewinnerzielungsabsicht zu gewährleisten“.
Die Finanzierung eines solchen Universaldienstes könnte laut Eckpunktepapier über ein Umlagesystem laufen, „das alle TK-Unternehmen gleichermaßen träfe“. Ein solches wird demnach derzeit auf Machbarkeit und Auswirkungen untersucht. Grundsätzlich könnten zukünftig „alle Anbieter von elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten“ zur Finanzierung herangezogen werden. Laut Eckpunktepapier sollen die Regelungen zum Universaldienst „bereits nach Abschluss der Umsetzung ab 2021 wirksam werden. Der Rechtsanspruch wird ab 1. Januar 2025 gelten“.
Verbraucherschutz und Sicherheit
Der Kodex will zu einem einheitlich hohen Verbraucherschutzniveau in der gesamten EU beitragen, allerdings sehen BMWi und BMVI hier aufgrund der bereits hohen deutschen Standards wenig Handlungsbedarf. So soll die Novelle das TKG etwa um Sanktionen für Missbrauch bei der Rufnummernübertragung und für Verzögerungen ergänzen. Auch erhalten Verbraucher zukünftig nach einer automatischen Vertragsverlängerung eine Kündigungsmöglichkeit mit Monatsfrist. Mindestvertragslaufzeiten von mehr als 24 Monaten sind auch nach EU-Kodex in Zukunft nicht zulässig.
Die Bundesregierung plant außerdem mit Blick auf besondere Sicherheitsanforderungen für Mobilfunknetze, in der TKG-Novelle explizite Nachweispflichten der Netzbetreiber einzuführen. Dieses Vorhaben ist nicht Teil der TKG-Eckpunkte, sondern einer gemeinsamen Presseerklärung des BMWi und des Bundesinnenministeriums (BMI) anlässlich der geplanten Verschärfung des Sicherheitskatalogs für Telekommunikationsnetze der Bundesnetzagentur vergangenen Donnerstag. Auch Zertifizierungspflichten sollen demnach auf gesetzlicher Ebene verankert werden.
Ausblick
Wann die Bundesregierung aus dem Eckpunktepapier eine TKG-Novelle macht und diese schließlich verabschiedet wird, ist bereits aufgrund der thematischen Bandbreite fraglich.
„Ich habe den persönlichen Ehrgeiz, die große TKG-Novelle noch in diesem Jahr zum Abschluss zu bringen“,
sagte SPD-Berichterstatter Herzog. Doch es gibt andere Stimmen, die sagen, es werde schon sportlich, die vom EU-Recht vorgegebene Frist bis Ende 2020 einzuhalten.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Torben Klausa schreibt als Redakteur zur Digitalpolitik.