Telekommunikation: Der Digital Networks Act und was die Verbände dazu sagen
Die EU-Kommission möchte die digitalen Infrastrukturen in Europa fördern und Schwachstellen im Bereich der Telekommunikation beseitigen. Dies soll perspektivisch mithilfe eines Digital Networks Act (DNA) bewerkstelligt werden, zu dem die Verbände der Telekommunikationsbranche bis vor kurzem ihre Stellungnahmen abgeben konnten. Was ihre Positionen sind und was es mit dem DNA genau auf sich hat, erklären wir hier.
Im vergangenen Herbst hatte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton vorgeschlagen, die Vorschriften für die europäische Telekommunikation zu überarbeiten – und damit auch die entsprechenden Märkte umzubauen. Im Februar 2024 legte er dafür ein Weißbuch vor, das zugleich die langfristige Strategie für die digitale Infrastruktur in der EU abstecken und als Basis für einen Digital Networks Act dienen soll.
Das Weißbuch zur Zukunft der digitalen Infrastruktur
Grundgedanke des Weißbuchs ist es, die digitale Infrastruktur Europas zu stärken, indem regulatorische Hindernisse abgebaut, Investitionen gefördert und die Sicherheit der Netzwerke verbessert werden. Um leistungsfähigere Netze zu ermöglichen, sollen vor allem die Zusammenarbeit und Innovation gefördert und der Binnenmarkt für Telekommunikation weiter vereinheitlicht werden.
Insbesondere möchte man Rahmenbedingungen schaffen, die mehr Investitionen in die Netze erlauben. Zum Beispiel durch mehr Fusionen und grenzüberschreitende Angebote der europäischen Telekommunikationsanbieter, durch vereinfachte EU-weite Regeln und geringere Verwaltungskosten sowie durch die kombinierte Finanzierung aus öffentlicher und privater Hand.
Mit Blick auf mehr Innovation ist angedacht, ein Ökosystem für „Connected Collaborative Computing“ (3C-Netzwerk) zu schaffen, das das verschiedene Hardware wie Halbleiter, Funktechnologien und Konnektivitätsinfrastruktur mit Datenmanagement und Diensten verbindet, um die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette zu vereinfachen. Hinsichtlich der Vollendung des digitalen Binnenmarktes gibt es weitere Vorschläge wie die schnellere Abschaltung von Kupfernetzen zugunsten fortschrittlicher cloud-nativer Netzwerke, eine veränderte Zugangspolitik für Glasfasernetze, um das Überbauproblem einzudämmen, oder die Harmonisierung der Frequenzverwaltung, um grenzüberschreitende Dienste zu fördern. Auch die Idee einer Fair Share-Gebühr wird hier aufgegriffen.
Reaktionen von Bundesregierung und Bitkom
Insgesamt umfasst der im Weißbuch skizzierte Plan für einen Digital Networks Act viele Ideen, die den europäischen Telekommunikationsmarkt nachhaltig verändern könnten. Deshalb wurde allen betroffenen Regierungen, Unternehmen und Verbänden die Möglichkeit gegeben, bis Anfang Juli Stellung dazu zu beziehen.
Die Bundesregierung etwa begrüßt in ihrer Stellungnahme grundsätzlich die Analyse der Kommission, dass die Rahmenbedingungen für mehr Investitionen in die digitale Infrastruktur verbesserungswürdig sind. Viele der im Weißbuch aufgeworfenen Fragen, Ziele und Maßnahmen werden von der Bundesregierung positiv kommentiert, sie weist aber auch auf einige Einschränkungen hin, zum Beispiel dass aus ihrer Sicht bei der Frequenzbereitstellung weiterhin flexible „Spielräume für nationale Besonderheiten“ notwendig sind, speziell im Sinne der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Sie pocht zudem darauf, dass es im weiteren Gesetzgebungsverfahren „eine fakten-basierte Prüfung und Folgenabschätzung sowie öffentliche Konsultation“ gibt.
Aus Deutschland haben sich darüber hinaus mehrere Branchenverbände am aktuellen Konsultationsprozess beteiligt. So begrüßt der Digitalverband Bitkom die Absicht, das bestehende Rahmenwerk für den Telekommunikationsmarkt zu überprüfen und verweist auf eine hohe Investitionslücke von mindestens 148 Milliarden Euro, um die Konnektivitätsziele zu erreichen. Er betont unter anderem, dass die Bedingungen für die Zuweisung von Frequenzen im Sinne der Geschäftssicherheit mit verlängerten Lizenzzeiträumen und frühzeitigen Erneuerungen verbessert werden sollte. Unterstützt wird die Förderung grenzüberschreitender Telekommunikationsdienstleistungen, die aber freiwillig und nicht durch Regulierung erfolgen sollten. Auch gemeinsame Standards und Zertifizierung für mehr Sicherheit und Resilienz in der EU werden vom Bitkom befürwortet. Zugleich schlägt er eine gemeinsame 6G-Strategie vor.
Vielfältige Verbandsmeinungen
Vonseiten der anderen Verbände gibt es ebenfalls oft grundsätzlichen Zuspruch, zum Beispiel mit Blick auf den verbesserten Schutz kritischer Infrastruktur wie Unterseekabel, aber auch viel Kritik. So moniert Eco beispielsweise, dass unterschiedliche Marktbedingungen und Netzausbau-Fortschritte in den EU-Staaten im Weißbuch nicht berücksichtigt würden. Ähnlich sieht der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) die unterschiedlichen Ausgangssituationen, betrachtet aber mögliche Maßnahmen zur grenzüberschreitenden Konsolidierung des Telekommunikationsmarkts kritisch.
Sehr skeptisch ist auch der VATM, der eine Auswertung der bisherigen Politik zum Telekommunikationsmarkt vermisst und die Interessen alternativer Anbieter im Weißbuch nicht gewürdigt sieht. In eine ähnliche Kerbe schlägt der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), der eine „Fokussierung der Kommission auf europäische Champions“ kritisiert, wodurch die die regionale und lokale Ebene aus dem Blick gerate – die aber notwendig sei, um die EU-Ziele der Digitalen Dekade zu erreichen. Auch der Wirtschaftsrat der CDU warnt vor einem „One-Size-fits-all“-Ansatz, der die verschiedenen Situationen in den EU-Mitgliedstaaten vernachlässige, sowie vor einer unbedachten Zusammenlegung unterschiedlicher Märkte. Zugleich plädiert er für eine faire Verteilung der Netzausbaukosten im Sinne des Wettbewerbs und der notwendigen Investitionen im Telekommunikationsmarkt.
Die Sichtweise der europäischen Verbände
Der auf der EU-Ebene tätige Verband der europäischen Telekommunikationsnetzbetreiber Etno stimmt weitgehend mit der Analyse des Weißbuchs zu den Trends und Herausforderungen bezüglich der digitalen Infrastruktur überein, plädiert aber für einen schlankeren und einfacheren Regulierungsrahmen. Dafür brauche es mit Blick auf den gemeinsamen digitalen Binnenmarkt einen konkreten Plan, inklusive freiwilliger Zusammenarbeit der Unternehmen und harmonisierter Rechtsvorschriften in der EU. Es werden jedoch auch „Asymmetrien in der Internet-Wertschöpfungskette“ konstatiert, die regulatorisch durch Streitbeilegungsmechanismen und eine angemessene Vergütung für die Netzbetreiber beseitigt werden sollen.
Insbesondere dem letzten Punkt schließt sich auch der internationale Mobilfunkverband GSMA an, der sich dafür ausspricht, gleichwertige Regeln für alle digitalen Dienstanbieter und einen Mechanismus zur raschen Beilegung etwaiger Streitigkeiten im Internet-Ökosystem zu schaffen. Zudem möchte er investitionsfreundliches Konzept für die EU-Frequenzpolitik erreichen, einschließlich berechenbarer und harmonisierter Frequenzversteigerungen und Lizenzkosten.
Der europäische Verband für wettbewerbsfähige Telekommunikation ecta hingegen kritisiert, dass dem Weißbuch falsche Annahmen zugrunde liegen würden und dass die vorgeschlagenen Szenarien der Wettbewerbsfähigkeit Europas schaden könnten. So wird vor einer weiteren Marktkonzentration im Sinne im Sinne früherer Telekommunikationsmonopole gewarnt, die den Ausbau digitaler Infrastruktur und die Verfügbarkeit erschwinglicher Angebote untergraben könnte. Einzelne Vorschläge, wie die harmonisiertere Verwaltung des Frequenzspektrums oder die Förderung neuer Technologien wie Cloud- und Edge-Computing werden aber positiv bewertet.
Insgesamt haben mehr als 300 Akteure aus Europa und darüber hinaus zum Teil sehr ausführliche Stellungnahmen zum Weißbuch abgegeben. Die darin präsentierten Argumente und Einwände zu sichten und in einen potenziellen Digital Networks Act einfließen zu lassen, wird aber erst die neu zu bestimmende EU-Kommission in Angriff nehmen können. Bis daraus eine Verordnung entsteht, die von den EU-Institutionen verabschiedet werden kann, dürfte noch einige Zeit vergehen, da selbst schnelle europäische Verhandlungen oft Jahre beanspruchen. Über die Zukunft der digitalen Infrastruktur wird also auch erst in der Zukunft entschieden werden.