Tagespiegel Data Debate #18: „Je besser unser Netz ist, desto höher können alle springen“
Grafik: Screenshot Livestream
Drei Monate vor der Bundestagswahl und nach den Erfahrungen in der Corona-Pandemie ist die Digitalisierung Deutschlands ein zentrales Thema im Wahlkampf. Wie steht es um die digitale Infrastruktur? Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, damit in den kommenden Jahren Themen wie Nachhaltigkeit, Arbeit und Bildung eine erfolgreiche digitale Transformation durchlaufen können? Fragen, die Tagesspiegel-Herausgeber Stefan-Andreas Casdorff bei der 18. Ausgabe der Tagesspiegel Data Debate einer hochkarätig besetzen Runden aus Politiker*innen und Experten stellte.
„Deutschlands digitale Zukunft – Die Parteien im Wahl-Check“ lautete das Thema am Donnerstagabend der vergangenen Woche. Casdorff begrüßte neben Markus Haas, Vorstandsvorsitzender von Telefónica Deutschland, den Präsidenten des ifo-Instituts, Professor Clemens Fuest, CSU-Generalsekretär Markus Blume sowie Dr. Anna Christmann von Bündnis 90/Die Grünen und die CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön.
Digitaler Wahlkampf auf allen Kanälen
Der Wahlkampf habe sich in der Corona-Zeit wie so vieles ins Digitale verlagert, erklärte Casdorff zu Beginn und wollte zunächst von Markus Blume wissen was das für ihn und seine Partei bedeute. Blume zeigte sich davon überzeugt, dass seine Partei im Wahlkampf auf allen Kanälen vertreten sein müsse – von Facebook bis TikTok. Der CSU-Generalsekretär gab jedoch auch zu bedenken: „Das Internet ist nicht nur hilfreich, informativ und lustig, es gibt auch dunkle Ecken voller Falschnachrichten.“ Die CSU initiierte aus diesem Grund die Plattform Faktenheld.de für Richtigstellungen. Und um Schmutzkampagnen, insbesondere im Wahlkampf, zu verhindern, treffen sich zudem die Generalsekretäre der „demokratischen Parteien“ – ohne AfD – regelmäßig.
Weltspitze bei 5G
Grundvoraussetzung für die weitere Digitalisierung, so Casdorff, sei eine leistungsfähige Infrastruktur. Markus Haas stimmte dem zu und erklärte: „Die digitale Infrastruktur ist deutlich besser als ihr Ruf, das haben wir in der Corona-Krise gemerkt“. Auch mit Blick in die Zukunft zeigte sich der Vorstandvorsitzende von Telefónica optimistisch. Der Ausbau bei 5G gelinge viel schneller als bei früheren Netzen. Es brauche die Akzeptanz in der Bevölkerung, „aber wir sind gut unterwegs“. Durch die Zusage, dass Frequenzen künftig nicht versteigert, sondern verlängert werden, könnten die Unternehmen kontinuierlicher planen und Förderprogramme könnten effizienter gestaltet werden. „Wir müssen Weltspitze werden bei 5G“, erklärte Markus Haas, denn das brauche die Produktion ebenso wie das Klima. „Wir sind das Trampolin“, unterstrich er die Bedeutung der digitalen Infrastrukturunternehmen, „je besser unser Netz ist, desto höher können alle springen“.
Digitalministerium mit Praktikern besetzen
Beim Thema Digitalisierung der Bildung forderte Nadine Schön das Bildungsideal von Wilhelm von Humboldt, prägend für das 19. und 20. Jahrhundert, müsse ins digitale Zeitalter übersetzt werden. Das bedeute nicht nur bessere Ausstattung von Schulen mit Laptops, Breitbandanschluss und Lernplattformen, sondern mehr Fortbildung für Lehrkräfte und Offenheit in den Schulen für neue Technologien. Da Schule Ländersache sei, könne der Bund mit einem digitalen Bildungspakt nur anregen und unterstützen.
In diesem Zusammenhang betonte Markus Haas, verschiedene Bildungsinitiativen an verschiedenen Orten reichten nicht aus. Die Bürger erwarteten funktionierende, unterbrechungsfreie digitale Dienste, unabhängig von zuständigen Ländern oder Ministerien. Haas plädierte deshalb für die Konzentration der Aufgaben in einem Bundesdigitalministerium. Dr. Anna Christmann forderte hingegen, für eine funktionierende Digitalisierung müssten unbedingt Leute aus der Praxis einbezogen werden und unterstrich dies mit dem Hinweis „die Ministerialbürokratie setzt erfahrungsgemäß mehr auf Fehlervermeidung statt auf Ausprobieren.“
Steigender Fort- und Weiterbildungsbedarf
Clemens Fuest kritisierte in Deutschland gebe es nach wie vor zu viele „Digitalverhinderer“, die nur Risiken sähen und nach mehr und stärkerer Regulierungen riefen. Digitalisierung bedeute unvermeidlich Veränderungen, für Besserausgebildete Chancen, wodurch sich der Arbeitsmarkt polarisieren könne, denn Routinearbeiten fielen durch neue Technologien weg. Er forderte daher von der Politik, auf einen steigenden Bedarf an Fort- und Weiterbildung zu reagieren.
Das sah auch eine Mehrheit der der Zuschauer*innen so, wie eine Umfrage während der Veranstaltung ergab. Auf die Fragen nach den Auswirkungen der Digitalisierung auf ihren Beruf bzw. ihre Branche antworteten 77 Prozent: „Einen steigenden Bedarf an Fort- und Weiterbildung“.
Casdorff griff dieses Ergebnis auf und beendete die 18. Data Debate, indem er auch den Veränderungswillen der Menschen und Bürger als einen zentralen Aspekt für das Gelingen der Digitalisierung in Deutschland betonte.