Startup-Talk: Auch Telefónica Deutschland fing klein an
Fotos: Henrik Andree
Es war eine hitzige Diskussion. Beim Startup-Talk im Telefónica BASECAMP trafen gestern die Welten aufeinander: Auf der einen Seite Markus Haas, COO von Telefónica Deutschland, als Vertreter der etablierten Konzerne. Und auf der anderen drei Vertreter der deutschen Startup-Szene, die anfangs immer wieder sagten, dass bei ihnen alles viel schneller ginge und dass sie mehr Mut zum Risiko hätten. Doch es wurde schnell klar: O2 und E-Plus waren selbst Startups, als sie vor kaum 20 Jahren den Mobilfunkmarkt auf den Kopf stellten. Dieser Geist der Disruption wirkt bis heute.
Markus Haas war von Anfang an dabei. Als junger Jurist gehörte er zu den ersten hundert Mitarbeitern der Vorgängerfirma VIAG Interkom und steht heute als COO vor der spannendsten Aufgabe in der Geschichte der Firma: das Geschäftsmodell umzustellen, um neue Einnahmen durch Advanced Data Analytics und das Internet der Dinge zu erzielen. Und dabei dennoch das Kerngeschäft am Laufen zu halten und die Kompetenz als Netzbetreiber zu bewahren, um Telefónica Deutschland nach den neuen Bedürfnissen der heutigen Kunden zu einer Onlife Telco zu entwickeln, die für alle Wünsche des digitalen Alltags eine passende Lösung empfehlen kann.
„Als wir 1998 die ersten Business-Pläne schrieben, nahm man an, dass es 2005 vielleicht acht Millionen Mobilfunkkunden in Deutschland geben würde“, erzählte Markus Haas. „Doch dann kam die Prepaid-Revolution und der Markt explodierte.“ Binnen Kurzem wuchsen beide Firmen auf mehrere tausend Mitarbeiter und bilden heute gemeinsam den Mobilfunkanbieter mit den meisten Kunden in Deutschland. Doch auf solchen Erfolgen darf man sich nicht ausruhen.
Keine Angst: Scheitern als Chance zum Durchbruch
„Innovation und Agilität haben viel mit Regeln und Hierarchie zu tun“, sagte Finn Age Hänsel, Managing Director beim Umzugs-Startup Movinga, der die Diskussion immer wieder anfachte. Genau deswegen seien Konzerne oft langsam und würden auch ihre Vision aus den Augen verlieren. In den Startups denke dagegen jeder Mitarbeiter wie ein Unternehmer. Das bedeutet: schnelle Entscheidungen und keine Angst vor Fehlern.
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„Eine schlechte Entscheidung am Montag ist besser, als eine gute am Freitag“, brachte es Hänsel auf den Punkt. Denn schon am Dienstag könne man den Fehler korrigieren und am Mittwoch damit den Weg zum Marktführer finden. Doch am schlimmsten sei die lähmende Angst vorm Scheitern. In der Startup-Szene gibt es viele Beispiele für solche sogenannten Pivots: Twitter war einst ein kleines Nebenprojekt beim Podcast-Portal Odeo, das heute längst eingestellt ist, und selbst Youtube startete ursprünglich als Dating-Website mit dem Slogan Tune in, Hook up.
„Sollten deutsche Unternehmen vielleicht mehr Wetten auf die Zukunft eingehen?“, fragte deshalb auch der Moderator Mark Hoffmann. Für ihn lag die Antwort natürlich auf der Hand, denn er ist Co-Founder und CEO von Vertical Media, dem Verlag von Deutschlands erfolgreichstem Startup-Blog Gründerszene.
Gegen Trägheit: Neue Teams bei Telefónica Deutschland
Genau solche schweren Entscheidungen unterstützt Laura Kohler, CEO des European Innovation Hub, die viele interessante Erkenntnisse in die Diskussion einbrachte. Sie koordiniert umfangreiche EU-Projekte wie den Accelerator EuropeanPioneers und unterstützt traditionelle Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit Startups. „Wir helfen Mittelständlern und Konzernen bei der Umstellung ihrer Geschäftsmodelle, bevor sie nicht mehr rentabel sind“, erklärte die Expertin. Eine wichtige Strategie ist dabei die Analyse von Startups, die in denselben Branchen tätig sind oder die Untersuchung von analogen Märkten.
„Wir können wirklich viel von den Startups lernen„, sagte auch Markus Haas an dem Abend. Vor allem, sich immer wieder selbst herauszufordern, damit die Firma nicht träge wird. Aber auch einzusehen, was nicht so gut läuft und was man lieber einstellen sollte. Besonders die jungen Mitarbeiter von Telefónica Deutschland würden viel Offenheit und Möglichkeiten zum Ausprobieren fordern. Deswegen unterstützt er die Zusammenstellung von neuen Teams, die mit ihren kleinen Digitalprojekten vielleicht die großen Geschäftsfelder der Zukunft aufbauen.
So wie damals in den Neunzigerjahren, als die Erfolgsgeschichte begann.
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