Soziale Netzwerke: Threads und Twitter im Vergleich
Das Angebot der sozialen Netzwerke hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder verändert, sei es durch Instagram, TikTok oder Telegram. Vor wenigen Wochen hat vor allem der Kurznachrichtendienst Twitter mit dem Start von Threads eine Konkurrenz bekommen, die die Plattform von Elon Musk zusätzlich unter Druck setzen könnte. Doch hat Threads tatsächlich das Potenzial, Twitter den Rang abzulaufen? Und was sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Plattformen?
Anfang Juli gelang Meta, dem Mutterkonzern von Facebook und Instagram, mit Threads der bis jetzt erfolgreichste App-Start der Internetgeschichte: Innerhalb von nur fünf Tagen meldeten sich über 100 Millionen Nutzer:innen an – und das, obwohl Threads in der EU wegen Datenschutzbedenken bisher nicht verfügbar ist.
Nur ein weiterer Twitter-Klon?
Dabei ist Threads ganz klar als Konkurrenz zu Twitter konzipiert, das seit der Übernahme durch Elon Musk mit vielen kleinen und größeren Problemen zu kämpfen hat. Genau wie bei der seit 2006 existierenden Plattform, die vor kurzem in X umgetauft wurde, geht es bei Threads darum, dass die Nutzer:innen ihre Gedanken und Ansichten mithilfe von Texten, Fotos und Videos mitteilen sowie Inhalte von anderen kommentieren, liken und weiterverbreiten können.
In beiden Netzwerken erleichtern integrierte Übersetzungsfunktionen die Ansicht und das Durchsuchen von Beiträgen in anderen Sprachen. Zudem gibt es jeweils ein Zeichenlimit: bei Twitter sind momentan 240 Zeichen pro Beitrag verfügbar, während Threads 500 Zeichen ermöglicht. Auch bei den Hauptfeeds auf dem Startbildschirm ahmt Threads Twitter mittlerweile nach, mit einem „For you“- und einem chronologischen „Following“-Feed.
Threads Entwicklung noch nicht abgeschlossen
Allerdings gibt es bei den Funktionen auch noch einige Unterschiede zwischen den Plattformen. So fehlen bei Threads bisher die Verwendung von Hashtags, die Identifizierung von Trending Topics, Lesezeichen sowie von Benutzern erstellte Listen. Das Senden sogenannter Direct Messages (DMs) an andere Personen ist zudem nur mittels der verbundenen Instagram-Profile von Threads-Usern möglich. Auch Werbeoptionen und ein Abonnement-Service für Premium-Funktionen sind noch nicht vorhanden.
Threads hat in den vergangenen Wochen aber bereits einige neue Funktionen erhalten, die von Twitter oder Mastodon bekannt sind, z.B. nachvollziehbare Likes oder eine chronologische Sortierung der Follower. Ein großer Unterschied zu Twitter betrifft die Ankündigung, dass Threads als “offenes Netzwerk” die Interaktion mit anderen Plattformen erlauben soll, etwa mit Fediverse-Anwendungen wie Mastodon. Diese geplante Weiterentwicklung hat sicherlich auch mit dem Netzwerk von Meta und der bereits bestehenden Verbindung zwischen Threads und Instagram zu tun.
Metas Datensammelwut
Eine Motivation für diese Entscheidung könnte die Hoffnung des Unternehmens sein, über Threads möglichst viele Daten abgreifen zu können. So sammelt Meta laut t3n bei den Threads-Nutzer:innen sehr viele personenbezogene Daten (u. a. Adressen, Kaufhistorien, Surfverhalten, Gesundheitsinformationen). Twitter hingegen sammelt zwar auch viele Daten seiner Nutzer:innen, aber zumindest keine „sensiblen Informationen“.
Beim Thema Desinformation und Hate Speech, deren Verbreitung auf Twitter zuletzt zu einer besonderen Herausforderung geworden ist, zeigt sich, dass speziell eine neue Plattform nicht davor gefeit ist – zumal entsprechende Akteure gerade zum Start von Threads versuchen, dort Zuspruch für ihre Narrative zu erreichen. Die Lösung aus Sicht von Meta soll nun darin bestehen, dass die Nutzer:innen selbst über den Content entscheiden, den sie sehen – ohne dass vonseiten der Plattform eine Moderation erfolgt. Diese Herangehensweise steht unter anderem im Konflikt zum Digital Services Act und dürfte eines der rechtlichen Probleme sein, die zurzeit einen Start von Threads in der EU behindern.
Threads als potenzielle Bedrohung für X
In den USA und weltweit hat Threads zum Start vom Netzwerkeffekt der anderen Meta-Dienste profitiert, speziell von der einfachen Integration der vielen Instagram-User. Doch aktuelle Zahlen zeigen, dass die aktive Nutzung nach einem Monat bereits stark zurückgegangen ist. Demnach waren Anfang August nur noch 10 Millionen Profile auf Threads aktiv und die durchschnittliche Benutzungsdauer ist von 21 auf drei Minuten gefallen. Im Vergleich: Twitter hat weiterhin wohl deutlich über 200 Millionen User (seit November 2022 gibt es dazu keine Zahlen mehr), deren durchschnittliche Nutzungszeit Anfang Juli bei 25 Minuten lag.
Diese enormen Unterschiede sind jedoch nicht verwunderlich, da Threads – wie allen neuen Twitter-Alternativen – noch eine gefestigte Community fehlt, die sich Twitter über Jahre hinweg aufbauen konnte. Doch wenn es Meta gelingt, den neuen Kurznachrichtendienst kontinuierlich weiterzuentwickeln, mit anderen Plattformen zu verknüpfen und so mehr Nutzer:innen zu gewinnen und vor allem zu halten, könnte Twitter eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen. Besonders wenn Musk Twitter mit fragwürdigen Entscheidungen weiter in die Bredouille bringt.
Momentan führt an Twitter, speziell was die Verankerung in der politischen Kommunikation angeht, aber weiterhin kaum ein Weg vorbei. Auch wenn einige bekannte Politiker:innen in den USA nun auch auf Threads zu finden sind, z.B. Nancy Pelosi, Mike Pence, Alexandria Ocasio-Cortez oder viele der republikanischen Präsidentschaftskandidaten für 2024. Allerdings plant Instagram-Chef Adam Mosseri nach eigener Aussage nicht unbedingt damit, Threads als Plattform für “news and politics” zu etablieren.
Man darf gespannt sein, wie die Politiker:innen hierzulande und europaweit reagieren, wenn die neue Plattform irgendwann auch in der EU verfügbar ist – und potenzielle Wähler:innen dort erreicht werden können.
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