Social Networks verzerren die Realität

Veröffentlicht am 26.09.2013

Hätte man sich an den Zahlen von Facebook orientiert, wären die Piraten die stärkste Kraft im Bundestag und würden den Kanzler stellen, denn sie versammeln klar die meisten Likes auf ihrer Fanseite (rund 88.400 gegenüber CDU mit 72.600 und SPD mit 61.700). Bei Twitter führt die Piratenpartei das Ranking sogar noch deutlicher mit knapp 121.000 Followern an. Der Online-Redaktion der CDU folgen immerhin 41.000 Accounts, ein paar Tausend mehr folgen dem SPD Parteivorstand. Im Vergleich zu den großen Parteien sind die Grünen hingegen mit 72.500 Followern auch deutlich überrepräsentiert.

Allerdings wird die Bedeutung von Twitter hinsichtlich der viel zitierten „Stimmung im Netz“ häufig überschätzt. Dennoch ist es auffällig, wie negativ über die Union bei Twitter berichtet wird und wie viele positive Tweets über die Piraten im Umlauf sind. Letztendlich sagt dieser Befund jedoch mehr über die Twitter-Nutzer aus als über die Meinung der Stimmberechtigten, wie man nun rückblickend weiß. Demzufolge wird es zwar für Wahlforscher weiterhin interessant sein, die Meinungsäußerungen im Netz zu analysieren, doch für eine verlässliche Prognose sind die sozialen Netzwerke in ihrer heterogenen Nutzerstruktur einfach zu bunt.

Forschungsinstitute wetteifern um Präzision

Die Prognosen der Forschungsinstitute lagen zwar etwas näher an der Realität, kamen allerdings bei dieser Wahl aufgrund des zweifach knappen Ausgangs an der 5-Prozent-Hürde doch häufiger zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ermittelt werden die Daten von den Instituten durch eine telefonische Befragung zufällig ausgewählter Personen zustande, bis auf Allensbach, deren Daten für die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf einer persönlichen mündlichen Befragung beruhen. In den repräsentativen Umfragen der Wahlwoche wurden die Grünen von allen Instituten tendenziell höher eingeschätzt und auch der SPD traute man durchweg etwas mehr Stimmen zu, als sie am Ende erhielt. Den überraschend hohen Stimmanteil der AfD unterschätzten durchgängig alle Institute, da es keine statistischen Vergleichswerte gab, auf die man hätte zurückgreifen können. Insbesondere Infratest dimap verrechnete sich mit geschätzten 2,5 Prozent schon sehr deutlich. Die notwendige Präzision der Nachkommastelle, die auch für die FDP entscheidend war, konnten die Wahlforscher ebenfalls nicht leisten.

Jedes Institut erstellt die Umfragen für ein bestimmtes Medium, das eine eigene Ausrichtung hat und wiederum im Wettbewerb mit anderen Anbietern steht. Die Forschungsgruppe Wahlen (FGW) stellt beispielsweise ihre Umfrageergebnisse dem ZDF zur Verfügung, das die Werte für Wahlsendungen wie etwa das Politbarometer nutzt. Infratest dimap liefert für die ARD u.a. für den Deutschland Trend, die Daten von Forsa werden für den stern/RTL-Wahltrend verwendet und Emnid-Daten erscheinen bei der Sonntagsfrage der Bild. Die Konkurrenz zwischen den Einrichtungen findet ihren Höhepunkt bei den Wahlprognosen am Wahlabend.

Für die Suche nach der Wahrheit sind alle qualifiziert

Methodisch sind alle Institute auf dem neuesten Stand, wenn sie auf der Suche nach der prozentualen Wahrheit sind. Die unterschiedlichen Ergebnisse lassen sich daher meist auf die üblichen Schwankungen von repräsentativen Befragungen zurückführen. Die Berechnung eines kurzfristigen Stimmungswechsels und die Prognose der Wählerlaune kurz vor der Wahlkabine sind für die Forschungsinstitute die größte Herausforderung. Selbst über das Wahlwetter gibt es immer wieder Prognosen. Mit einer 100-prozentig zuverlässigen Kristallkugel ist jedoch noch kein Institut bisher aufgefallen. Letztendlich kann nur der Bundeswahlleiter – traditionell der Präsident des Statistischen Bundesamtes – mit konkreten Auszählungsergebnissen wirklich Abhilfe schaffen.

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