Social-Media Regulierung: Bundesministerin Barley bringt neue Vorschläge

Foto: CC BY 2.0 Flickr User thomas lapperre. Credit: Bloei.se.
Veröffentlicht am 25.04.2018

Auch in dieser Woche standen Vorschläge zur Regulierung von sozialen Netzwerken wieder zur Debatte. Neben altbekannten Forderungen – etwa zur Nachbesserung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) – brachte Justiz- und Verbraucherschutzministerin Katarina Barley (SPD) eine Pluralitätsvorschrift für algorithmengenerierte Newsfeeds ins Gespräch. Sie gab zu verstehen, dass sie diesen Vorschlag bereits im Gespräch mit Facebook-Vertretern diskutiert habe. Ein anderer Vorschlag wird in den Reihen der CDU/-CSU-Bundestagsfraktion genannt: Facebook soll zu mehr Interoperabilität verpflichtet werden. Die mitregierende SPD ist verärgert, dass die CDU angeblich eine SPD-Forderung aus den Koalitionsverhandlungen als eigene Idee verkauft und „droht“, entsprechende Verpflichtungen für soziale Netzwerke tatsächlich – vom Koalitionspartner – einzufordern.

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Barley zu NetzDG, Algorithmentransparenz und Pluralitätsverpflichtung

Die andauernde Kritik am NetzDG kann die Nachfolgerin von Heiko Maas im Justiz- und Verbraucherschutzministerium (BMJV) nicht nachvollziehen. Bei einer Diskussion des Tagesspiegel-Verlags und der Deutschen Public Relations Gesellschaft in Berlin verteidigte Barley das Gesetz ihres Vorgängers, gestand jedoch ein, dass man selbstverständlich über Nachbesserungen an dem Gesetz zur Löschung strafrechtlich relevanter Inhalte in den sozialen Netzwerken reden könne. Nachbesserungen bzw. eine (Teil-)Aufhebung fordern auch Bundestagsfraktionen der AfD, der FDP sowie der Linken in entsprechenden Gesetzentwürfen. Der Rechtsausschuss hatte in seiner Sitzung am 18. April beschlossen, eine Öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Linken zur Teilaufhebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes durchzuführen. Dazu will man die Berichte der Betreiber der betroffenen Netz-werke abwarten, die halbjährlich abzugeben sind, erstmalig also im Sommer 2018.

Obwohl die zuständige Ministerin wenig Flexibilität beim NetzDG ankündigte, sprach sie bei der Tagesspiegel-Veranstaltung vor Hintergrund der aktuellen Debatte um Facebook auch über neue Ansätze bei der Regulierung von Netzwerken. Primär aus Gründen der Praktikabilität sprach Barley sich gegen eine mögliche Regulierung im Kampf gegen Fake-Profile aus, die im Zusammenhang von Wahlen und politischer Meinungsbildung allgemein als demokratiegefährdend bezeichnet werden. Netzwerke würden dagegen außerdem bereits selber vorgehen. Allerdings sieht sie eine realistische Chance, durch Regulierung bzw. Kontrolle mehr Transparenz von Algorithmen zu schaffen.

„Nicht die Zahlenkolonnen –die interessieren nicht – sondern die Funktionsweise und die Kriterien, nach denen sie funktionieren“

müssten öffentlich gemacht werden, so Barley. Damit würde auch Fake-Profilen entgegengewirkt, glaubt die SPD-Politikerin.

Darüber hinaus sprach sich Barley für eine neuartige Pluralitätsverpflichtung für Netzwerke aus – und zog eine Parallele zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk. Dort sei u.a. durch die Zusammensetzung der Fernsehräte eine Vielfalt der Meinungen gesetzlich verankert worden.

„Eine Verpflichtung einzuführen, dass man Algorithmen pluralistischer ausgestalten muss, halte ich für absolut machbar und nicht schwierig“, so Barley.

Sie habe dies mit den Facebook-Vertretern bereits diskutiert, diese könnten die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme nicht nachvollziehen. Facebook verweise stattdessen auf Studien, die vermeintlich belegen, dass die Konfrontation mit Positionen, die nicht der eigenen Meinung entsprächen – Beispiel: Flüchtlingskrise – zu mehr Hass führe und daher kontraproduktiv sei.

Jarzombek fordert mehr Interoperabilität für Netzwerke

In mehreren Debatten in den Ausschüssen des Bundestags, bei denen das Thema Facebook auf der Tagesordnung stand, wurden einige wenige neue Details zum Daten-Skandal rund um die Causa Cambridge Anayltica bekannt, grundsätzlich kritisierten die Abgeordneten aber die Auskunftsbereitschaft der Facebook- und – seitens der Opposition – auch der Bundesregierungsvertreter. Am Mittwoch bei der regulären Sitzung des Rechtsausschusses sprach die Parlamentarische Staatssekretärin im BMJV, Rita Hagl-Kehl (SPD), über die Erwartungshaltung der Bundesregierung an das Unternehmen. Kosmetische Änderungen der Datenhandhabe seien demnach nicht ausreichend, so Hagl-Kehl laut einer Meldung des Bundestages.

Nach der kurzfristig anberaumten gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz und des Ausschusses Digitale Agenda am 20. April, zu der Facebooks Global-Public-Policy-Chef Joel Kaplan geladen war, wurden auch vermehrt neue Regulierungs- und Sanktionsvorschläge in den Reihen der Koalitionsfraktionen diskutiert. Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordern seit der Sitzung öffentlich, Facebook zu Interoperabilität zu verpflichten. Die „Bild“ berichtete am Wochenende unter Berufung auf u.a. den scheidenden digitalpolitischen Sprecher der Fraktion, Thomas Jarzombek von der

„CDU-Forderung: Menschen, die sich bei anderen sozialen Netzwerken anmelden, sollen auch mit Facebook-Nutzern kommunizieren können! Das heißt: Freundschaftsanfragen schicken, Fotos und Videos sehen, sich per Nachricht austauschen.“

Dieser Vorschlag stößt bei der Opposition und beim Koalitionspartner auf Verwunderung – weil sie von einem Vertreter der CDU kam. So habe die SPD dies bereits in den Koalitionsverhandlungen gefordert, Facebook zu Interoperabilität zu verpflichten, behauptet der designierte Bundesdatenschutzbeauftragte und Bonner Abgeordnete Ulrich Kelber (SPD). Er kündigte in einem Tweet an, dass die SPD die Bereitschaft der CDU zum Handeln „testen“ wolle. Laut netzpolitik.org hätten Mitarbeiter von Jarzombek dementiert, dass es sich um eine abgestimmte Position handle. Der CDU-nahe netzpolitische Verein c-netz, zu dessen Sprechern Jarzombek gehört, kündigte per Tweet an, dass der Vorschlag beim ersten Bundeskongress des Vereins am 4. und 5. Mai in Eltville (Hessen) weiter diskutiert werden solle. Die Linken-Digitalpolitikerin Anke Domscheit-Berg lobte Jarzombek dafür, dass er die „urlinke“ Forderung nach Interoperabilität stellt. Auch die Sprecherin für Netzpolitik der Grünen, Tabea Rößner, schrieb auf Twitter:

„Wir ziehen gerne mit der #GroKo an einem Strang, wenn es um die Verpflichtung zur #Interoperabilität geht. Eine alte Forderung von @GrueneBundestag, die wir immer wieder eingebracht haben.“

Bußgelder auch nach Bundesdatenschutzgesetz

Unterdessen hat der für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar ein Verwaltungsverfahren nach dem Transparenzgesetz eingeleitet. Obwohl Politiker in den vergangenen Wochen wiederholt auf die im Mai anwendbar werdende Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und die erheblichen Bußgelder, die durch sie möglich werden, verwiesen hatten, hält Capar die Datenweitergabepraxis von Facebook bereits mit dem weiterhin geltenden nationalen Datenschutzrecht für nicht vereinbar. Damit ist aktuell ein Bußgeld in Höhe von bis zu 300.000 Euro möglich. Wie empfindlich das Unternehmen auf die drohenden Strafen nach der DSG-VO reagiert, zeigt ein Schritt, den Facebook am 19. April gegenüber Reuters bestätigte: Ab Mai werden 1,5 Milliarden Nutzerkonten aus der Zuständigkeit der irischen Unternehmensniederlassung befreit, sodass nur noch 370 Millionen europäische Nutzerkonten unter die europäischen Regeln fallen.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Lina Rusch schreibt über Netzpolitik und beobachtet die Landespolitik.

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