Social Media: Politische Kommunikation nach Rezo
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„Video-Content“ war in den letzten Wochen nicht gerade das Lieblingsthema der CDU. Das von mittlerweile fast 15 Millionen Menschen gesehene Video „Die Zerstörung der CDU“ von YouTuber Rezo löste in der deutschen Parteienlandschaft kontrovers diskutierte Reaktionen aus. Gemeinsam mit zahlreichen anderen YouTubern hatte Rezo zudem dazu aufgerufen, bei der Europawahl weder die Unionsparteien noch die SPD zu wählen. Die beiden Parteien und die Netzgemeinde haben sich entfremdet, so scheint es.
Aber nicht jeder will das auf sich sitzenlassen: Aus dem unionsnahen Verein „cnetz“ kommt jetzt ein Strategiepapier, mit dem Titel „Social Media, Influencer, Digitalpolitik und Wahlkämpfe“. Die Autoren Thomas Jarzombek, ehemaliger digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU, und Jörg Müller-Lietzkow, Medienwissenschaftler und Mitglied der KI-Enquete-Kommission, versuchten in dem Papier nachzuzeichnen, woraus sich die Kritik an der CDU in der Digitalpolitik genau speist und skizzierten auch erste Verbesserungsvorschläge. Ein Punkt auf der To-do-Liste: Die Politik braucht eigene Influencer.
Parteiinterne Influencer
Nachdem das als Reaktion auf das Rezo-Video angekündigte, aber dann doch wieder einkassierte Video des 26-jährigen CDU-Politikers Philipp Amthor ausblieb, soll es jetzt eine eigene „Youtube-Truppe“ hinbiegen. In der Medienszene herrsche „eine zumindest wahrgenommene Vorliebe für grüne und linke Sichtweisen“, heißt es in dem Papier. Daher sollten Influencer etabliert werden, „die weniger vorgeprägt denken.“ Dies dürften aber „keine typischen Politiker“ sein. Neue Formate, auf „neuen“ Plattformen wie „Youtube, Instagram, Snapchat oder auch Tiktok“ seien ebenso wichtig wie die Machart der Videos. Hierbei könnten sich die Politiker YouTube-Stars wie Rezo zum Vorbild nehmen, heißt es in dem Vorschlag weiter: „Schnelle, prägnante Argumente, Schnitte, Quotes, Charts, Musik, Webkommunikation.“ Ein fünfminütiges Video, in dem einer die ganze Zeit am Stück redet, sei dagegen von gestern.
Agilität und Modernität – auch in der Gesetzgebung
Eine wichtige Feststellung des Berichts, was zumindest einigen Politkern nicht immer ganz klar zu sein scheint: „Das Internet ist kein Fernsehen!“, sondern ein „vernetzter Dialogkanal“. Fragen und Argumente dürften nicht im Netz versickern, stattdessen müssten sie, ohne „verquasten Politiksprech“ wahrgenommen und beantwortet werden. Und wie die politische Kommunikation müsse sich auch die Politik selbst verändern.
Durch ein „flexibles und adaptives Politsystem“ müsste sich die Politik auch über die Gesetzgebung zu einem Motor des Fortschritts entwickeln und diesen nicht ausbremsen.
„Kleine schnelle Schritte sind viel zielführender als der einzige große Wurf. Ein stetiges Nachsteuern und Weiterentwickeln von Gesetzen sind deshalb notwendig, ja geradezu ein Muss geworden“,
heißt es in dem Strategiepapier.
Als Beispiel nennen die Autoren den Breitbandausbau in Deutschland. Das Ziel, bis Ende 2018 alle Haushalte mit 50 Mbit/s zu versorgen sei durch eine „unpraktikable Vergabebürokratie“ gescheitert. In einem Twitter-Post brachte es Jarzombek auf den Punkt:
„Gesetze brauchen Echtzeit-Updates“.
Ein zentrales Problem sehen die Autoren daher auch in der fehlenden Bereitschaft zu „Trial & Error“.
Geschäftsmodelle für die Digitalpolitik
In der CDU-Spitze wurde selbstkritisch eingeräumt, dass die Antwort auf das Hauptwahlkampfthema Klimapolitik, das von den Grünen besetzt worden war, fehlte.
„Die CDU benötigt einen inhaltliche Neuanfang“,
sagte der Bundesvize des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Christian Bäumler, dem Handelsblatt. Auch Jarzombek und Müller-Lietzkow bewerten die mangelnde politische Auseinandersetzung mit dem Klimaschutz beziehungsweise der Bewegung „Fridays for Future“ als Auslöser für das Rezo-Video. Daneben stünde aber auch Kritik am generellen Umgang mit digitalen Themen. So habe die Urheberrechtsreform das Fass zum Überlaufen gebracht. Um das politische Defizit in digitalen Bereich aufzufangen, schlagen die Autoren ein Vorfahrtsrecht für neue digitale Geschäftsmodelle vor, nennen aber noch keine konkreten Beispiele.
Söder will “Sitzung in Echtzeit streamen”
CSU-Chef Markus Söder denkt derweil über das Live-Streaming von Vorstandssitzungen nach, um transparenter zu werden und in den digitalen Raum vorzudringen. Laut „Welt am Sonntag“ hat der CSU-Vorsitzende und Bayerische Ministerpräsident gesagt:
„Ich kann mir vorstellen, dass wir auch mal eine Parteivorstandssitzung in Echtzeit streamen und die Menschen auffordern mit zu kommentieren.“
Für den CSU-Politiker sind die Sozialen Medien nicht nur die schnellste Form der Kommunikation, sondern auch die „fünfte Gewalt“ im Staat. Deshalb sei ein höheres Maß an Respekt seitens der CSU gegenüber der digitalen Welt notwendig. „Sie ist unsere reale Welt.“ Niemand gehe mehr ins Internet, die Menschen seien sowieso „immer drin“, so Söder.