So twittern Politiker: Brigitte Zypries
Brigitte Zypries war nicht immer so internetaffin wie heutzutage, auch wenn in ihrer Zeit als Bundesjustizministerin (2002-2009) schon die Vorratsdatenspeicherung auf ihrer Agenda stand. Als Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft hat sie sich allerdings die letzten drei Jahre intensiv mit netzpolitischen Fragen auseinandergesetzt und diesen Themenkomplex auch im #UADA bei den Koalitionsverhandlungen als Verhandlungsführerin der SPD mitgestaltet. Seit dem 17. Dezember ist die Hessin nun als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium zuständig für IT-Angelegenheiten. Im Jahr 2012 begann Zypries zu twittern. Mittlerweile folgen 2.280 Nutzer ihrem Twitter-Account – deutlich zu wenige für das, was man auf diesem Account geboten bekommt.
Ein Feuerwerk an Replys
Erfreulich für die interessierte Leserschaft ist die Tatsache, dass Zypries sich per Reply sehr gesprächig zeigt. So erfährt man beispielsweise, dass sie mit dem neuen beamteten Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, Gerd Billen – zuvor Präsident des Verbraucherzentrale Bundesverbands – per Du ist. Für die Glückwünsche bedankt sie sich freundlich bei dem Richter Ulf Buermeyer – vor allem bekannt in der Netzgemeinde aufgrund seines Engagements im Digitale Gesellschaft e.V. und dem Chaos Computer Club. Auch die Frage eines Nutzers, ob schon einmal eine Bundesministerin a.D. anschließend Staatssekretärin geworden ist, beantwortet sie ohne Umschweife mit einem unkomplizierten „ne, mW nicht!“. Ganz nebenbei arrangiert sie in einem Dialog über Twitter ein Google Hangout-Interview mit einem ihr offenbar bekannten jungen Blogger und Journalisten.
Nie um eine Antwort verlegen
Außerdem mischt sie sich ein, wenn etwa der Account SPD im Bundestag eine Frage zu einem Post über die Dauer der Vorratsdatenspeicherung nicht beantwortet, und liefert an deren Stelle die entsprechende Antwort. Angesichts der Vielzahl ihrer Replys gewinnt man schnell den Eindruck als ließe sie keine Einladung zur Diskussion offen. Findet sie etwas kritikwürdig, äußert sie sich nicht nur in einem eigenen Tweet, sondern geht auch auf die darauf folgenden Antworten, Nachfragen und Kommentare mit kurz und klar formulierten Argumenten ein. So lernt man ihre Meinung über das mittlerweile bekannte Interview zwischen Sigmar Gabriel und Marietta Slomka kennen – letztere hätte dem SPD-Chef besser zuhören sollen, findet sie. „Wo bist du?“ – falls sie bei einem SPD-Treffen mal einen Kollegen sucht, fragt sie ihn einfach per Tweet nach seinem Standort.
Die Hilfs- und Auskunftsbereitschaft ist groß
Auch wenn keine direkte Frage an sie gestellt wird, fühlt sie sich der politischen Aufklärung berufen. Wenn Jens Best im Laufe der Koalitionsverhandlungen in seiner üblichen, kritischen Art und Weise die Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda kommentiert, dauert es keine 24 Stunden, bis Zypries seine Einschätzung als Irrtum entlarvt und durch informative Erklärungen verbessert. Der Kritiker zeigt sich dankbar für’s Feedback und stellt gleich eine weitere Nachfrage nach den Entscheidern über einen möglichen Internetausschuss, die selbstverständlich auch nicht unbeantwortet bleibt: „die Chefs…“, schreibt Zypries kurz und knapp zurück. Auch ihren Kollegen ist sie mit Auskünften behilflich: Als der damalige Bundesdatenschützer Peter Schaar sich per Tweet erkundigt, in welcher Arbeitsgruppe einer möglichen Großen Koalition das Thema Datenschutz verhandelt wird, hat sie als Schnellste und Einzige die Antwort parat.
Fazit
Die Offenheit zum Austausch und der Wille zur Kommunikation von Brigitte Zypries sind beeindruckend. Wer eine ernsthafte Frage hat, findet hier eine Gesprächspartnerin mit kompetenter Antwort. Die Motivation, ihre Follower zu informieren und vor allem falsche Aussagen und irreführende Kommentare richtig zu stellen, ist offenkundig und ehrlich. Trockene Info-Tweets und täglich mehrfach verlinkte Pressemitteilungen, wie sie sonst bei Politikern üblich sind, findet man bei ihr nicht – auch das ist erfrischend und bescheiden für eine Bundestagsabgeordnete, die bereits auf eine ansehnliche Karriere zurückblicken kann.
Hier finden Sie die komplette Serie „So twittert die Politik.