Smart Country – Mit der Digitalen Agenda in den ländlichen Raum
Ein Gastbeitrag von Sebastian Haselbeck
Die Digitalisierung berührt nicht nur die Metropolen. Unter dem Begriff Smart Country wird seit letzten Sommer diskutiert, wie Internet und Digitalisierung auch den außerstädtischen Bereich Deutschlands erreichen, und welche Möglichkeiten sich für Land und Leute dadurch ergeben.
Wenn flächendeckend Breitband-Internet verfügbar wäre, welche Möglichkeiten würden sich damit auftun? Mit dieser Frage startete eine ExpertInnengruppe des Internet & Gesellschaft Collaboratory e.V. letztes Jahr die Initiative “SmartCountry – Digitale Strategien für Regionen”. Der Hintergrundbericht auf der Plattform smartcountry.collaboratory.de zeigt neben praxisorientierten Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppen vor allem das vorhandene, aber noch zu wenig öffentlich diskutierte, Potential von Vernetzung und Digitalisierung in verschiedensten Bereichen. So kam die Gruppe zum Schluss, dass es in der Landwirtschaft, der Gesundheits- und Pflegewirtschaft, dem Bereich Verkehr, Logistik und Mobilität, sowie bei Themen wie lokaler Wertschöpfung, Bürgerbeteiligung, Bildung und intelligente Energieversorgung noch viel Bedarf für Erkundung gibt.
Von Smart City zu Smart Country
Genügend Ideen und einzelne, wenig vernetzte Best-Practice-Leuchttürme weisen den Weg in Richtung einer Renaissance der Region, denn während der Begriff “Smart City” durchaus geläufig und einschlägig besetzt ist, stellt sich vor allem auch für die Politik die Frage, welche digitalen Innovationen außerhalb der Ballungsräume funktionieren können, um die Lebensqualität zu steigern, den Auswirkungen des demographischen Wandels und der Landflucht zu begegnen, Wirtschaftswachstum zu fördern, und Demokratie und Zusammenhalt zu stärken. Bislang fehlte dazu vor allem ein begriffliches Dach, diese Themen zu beheimaten. Unter Smart Country verstehen sich beispielsweise die Nutzung von “Big Data” in der der Agrarwirtschaft, die Verkettung von Transportmitteln mittels Apps und offener Verkehrsdaten, die Versorgung ländlicher Räume mit längst weggefallenen Dienstleistungen wie Paketzustellung, Bibliotheken, Pflegedienstleistungen und Fachärzten, beispielsweise durch Drohnen, Online-Büchereien, intelligente Pflegesysteme und Telemedizin. Kommunen können gemeinschaftlich IT-basierte Bürgerdienste anbieten, App-basierte Dienstleistungen ortsunabhängig ihren Bürgern zur Verfügung stellen, und auch in entlegenen Gebieten eine Abdeckung mit Bildungsangeboten, oder nachhaltiger Stromversorgung, sicherstellen.
Mehr Breitband wagen
Dieses Jahr gilt es, vielen Konzepten und Ideen tatsächliches Leben ein zu hauchen, unter anderem durch die Analyse und den Vergleich von Pilotprojekten und der Umsetzung von Vorhaben im Rahmen der Digitalen Agenda der Bundesregierung. Und letztendlich, um all dies überhaupt möglich zu machen, der flächendeckenden Versorgung durch Breitbandanschlüsse – gerade in der ländlichen Region. Damit befassten sich am 25. Februar auch Politiker und Experten bei einer Frühstücksdiskussion zu Smart Country, die der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) und der Collaboratory e.V. organisiert hatten. Bei all den Ideen und dem Enthusiasmus für Smart Country geht es nun vor allem darum, wie die technische, organisatorische und finanzielle Umsetzung der Versorgungsziele erfolgen können.
Hier waren sich die anwesenden Experten, darunter Valentina Daiber (Director Corporate Affairs von Telefonica Deutschland), der SPD-Abgeordnete Lars Klingbeil (auch im Ausschuss Digitale Agenda) und Rainer Helle vom Schleswig-Holsteinischen Wirtschaftsministerium grundsätzlich einig: Die Breitbandziele der Bundesregierung sind zwar ambitioniert, aber machbar. Die Nutzung vorhandener Ausbautechniken, kommunale Kooperationspartnerschaften sowie eine Kombination mit dem fortschreitenden Ausbau im Mobilfunkbereich können eine weitgehende Abdeckung sicherstellen. An manchen Stellen sei allerdings Pragmatismus notwendig. Wenn Deutschland international den Anschluss nicht verlieren möchte und die Debatte in 20 Jahren nicht wieder von neuem beginnen will, sollte die nun zu verlegende Infrastruktur vor allem aber nachhaltig geplant werden. Das beinhaltet auch die Überlegungen, durch ausreichende Kapazität nicht nur heutigem Datenhunger, sondern auch zukünftigem gerecht werden, mittels Open-Access Prinzipien freien Wettbewerb zu ermöglichen und durch mutige Politik und vorausschauend agierende Konzerne gemeinschaftliche Finanzierung sicherzustellen.
Quo vadis digitales Deutschland?
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Deutschland das Mittelfeld wieder verlässt und eine Führungsrolle im Bereich digitaler Innovation und Wirtschaftskraft einnehmen kann. Industrie 4.0, das Internet der Dinge und der Zuwachs an komplexen Unterhaltungs- und Dienstleistungsanwendungen würden ohne massiven Breitbandausbau im Start verhungern. Smart Country ist eine breite Vision des digitalen Deutschland, um es gemeinsam zu gestalten bedarf es konstruktiven Austausch aller Stakeholder und den Mut auch langfristige Projekte gemeinsam anzugehen.
Sebastian Haselbeck ist Geschäftsführer des Internet & Gesellschaft Collaboratory e.V., der überparteilichen Plattform für den digitalen Wandel in Deutschland. Der als offene Plattform agierende Verein stößt Debatten und Projekte im Bereich der Digitalpolitik an. Mehr zur Smart Country unter http://smartcountry.collaboratory.de