Schnellerer Infrastrukturausbau: Interview mit Frederic Ufer (VATM)
Der forcierte Ausbau der Mobilfunk- und Gigabitnetze ist ein gemeinsames Anliegen von Politik und Wirtschaft in Deutschland, weshalb zuletzt immer wieder von einer Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren die Rede ist. Der Branchenverband VATM hat dazu für den Mobilfunkausbau gerade erst ein Positionspapier vorgelegt. Mit VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer haben wir über die Fortschritte beim Infrastrukturausbau und die Rolle der Bundesländer gesprochen – aber auch warum es vor allem auf das Baurecht und Aspekte wie die Genehmigungsfreiheit von Mobilfunkmasten ankommt.
Herr Ufer, Bundeskanzler Olaf Scholz hat vor kurzem von einer „neuen Deutschlandgeschwindigkeit“ gesprochen, die für zügige Planungs- und Genehmigungsverfahren notwendig sei. Wie weit sind wir beim Infrastrukturausbau davon noch entfernt bzw. welche Fortschritte haben wir in den vergangenen Jahren gemacht?
Wichtig ist, dass das Problem – die viel zu langen Genehmigungsverfahren und die aufwändige Bürokratie – erkannt wurde und der Wille zum Handeln bei denjenigen, die etwas zugunsten von mehr Geschwindigkeit, mehr Effizienz und weniger Verfahrensfrust ändern können, vorhanden ist. Dementsprechend lassen sich in der Tat auf unterschiedlichen Ebenen einzelne Erfolge festhalten, die den Unternehmen den für die Digitalisierung und den Weg in die Gigabitgesellschaft so wichtigen Infrastrukturausbau weiter erleichtern. Nur: der Weg dahin ist sehr mühsam, die zu führenden Diskussionen aufwendig und die Überwindung der immer wieder feststellbaren Widerstände ermüdend.
Trotz unserer im internationalen Vergleich unübersehbaren Rückstände beim Glasfaserausbau und trotz der äußerst ambitionierten Vorgaben aus der Gigabit-Strategie der Bundesregierung sowie den umfassenden Versorgungsauflagen bei den zurückliegenden Frequenzvergabeverfahren scheint der Leidensdruck der öffentlichen Hand noch nicht so groß zu sein, dass ein Ruck durch die Bürokratie geht. Eine „neue Deutschlandgeschwindigkeit“ ist mehr Wunschdenken als Realität.
Nur Schwarzmalen wird aber den Anstrengungen nicht gerecht, die quer durch die Republik unternommen werden, um den Hemmnissen auf Seiten der Verwaltung beizukommen. Viele Bundesländer packen gerade das Landesbaurecht an, um dieses fit für die Herkulesaufgabe Infrastrukturausbau zu machen. Das Recht muss dabei der dynamischen Entwicklung und den technischen Veränderungen folgen und kommt wie so oft nicht hinterher.
Bezogen auf die Bundesländer: 16 unterschiedliche Auslegungen des Baurechts hemmen seit vielen Jahren den Mobilfunkausbau. Der VATM hat deshalb vor kurzem ein Positionspapier zum Thema Baurecht vorgelegt. Welches sind die wichtigsten Maßnahmen – wo hakt es aktuell?
Es lassen sich punktuell einige Stellschrauben in den Landesbauordnungen identifizieren, die angepackt werden müssen, um den flächendeckenden Mobilfunkausbau weiter zu beschleunigen. Wichtig ist, dass dies möglichst homogen und koordiniert erfolgt, damit trotz vieler dringend erforderlicher Veränderungen nicht wieder ein neuer Flickenteppich aus individuellen Regelwerken entsteht. Der Mobilfunkausbau findet nicht regional oder länderweise statt, sondern flächendeckend.
Es erschwert den ausbauenden Unternehmen die Arbeit, wenn 16 abweichende Landesgesetze beachtet werden müssen und dazu noch Bundesrecht. Und dabei geht es nicht nur um das Baurecht. Auch das Umwelt- und Immissionsschutzrecht sowie viele weitere Vorschriften sind zu beachten und häufig je nach Bundesland abweichend. Ein wichtiger Einflussfaktor sind aber die Musterbauordnung (MBO) und die Hinweise zur baurechtlichen Beurteilung von Mobilfunkanlagen aus der Bauministerkonferenz, die allerdings für die Länder nicht verbindlich sind. Trotzdem geht von ihnen eine starke Signalwirkung aus und wir erhoffen uns Anpassungen, um den Anforderungen an einen zeitgemäßen Infrastrukturausbau gerecht zu werden.
Der zweite wichtige Punkt ist die Aufnahme einer Genehmigungsfiktion im Verwaltungsverfahren, bei der eine Genehmigung nach drei Monaten als erteilt gilt. Dies ist sachgerecht, weil heutzutage ohnehin nur ein Bruchteil der Mobilfunkstandorte nicht genehmigt wird und die Branche mit einem hohen Grad an Standardisierung arbeitet. Zudem sind die ausbauenden Unternehmen dazu verpflichtet, die Masten auf eigene Kosten zurückzubauen, sollte sich im Nachgang herausstellen, dass baurechtliche Vorgaben wie beispielsweise der Denkmalschutz, Umwelt- oder Naturschutzbelange nicht beachtet wurden.
Mit der Genehmigungsfiktion würde der Mobilfunkausbau einen riesigen Schritt nach vorne machen. Erste Bundesländer wollen bereits den Weg einer Genehmigungsfiktion gehen, auch wenn entsprechende Gesetze bisher nur angekündigt worden sind und nicht von den Parlamenten verabschiedet wurden.
Welche Bundesländer können diesbezüglich bereits als Vorbild dienen, haben also Erleichterungen durchgesetzt, um den Netzausbau zu beschleunigen?
Es ist gerade viel in Bewegung geraten. Hessen hat aktuell gleich mehrere Anträge zur Änderung des Landesbaurechts in Bearbeitung und bereits in den letzten Jahren wesentliche Verbesserungen umgesetzt.
Ein Beispiel für eine wichtige Erleichterung ist die Verfahrensfreistellung für mobile Antennen mit einer Standdauer von mindestens 24 Monaten. Diese ermöglicht es den Mobilfunknetzbetreibern, parallel dauerhafte Standorte aufzubauen oder bei Not- und Katastrophenfällen wie 2021 im Ahrtal schnell reagieren zu können. Allerdings hält die Gigabitstrategie der Bundesregierung die Länder auch dazu an, ihre Bauordnungen entsprechend zu novellieren und die temporäre Genehmigungsfreiheit zu ermöglichen. In Niedersachsen und im Saarland sind diese für zwei Jahre bereits genehmigungsfrei. In Brandenburg gilt immerhin eine 18-monatige Verfahrensfreiheit. In Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen ist die Einführung der 24-monatigen Verfahrensfreiheit im Rahmen von aktuell laufenden Gesetzgebungsverfahren vorgesehen.
Auch die sinnvolle Anhebung der Höhe für die Genehmigungsfreiheit von Masten im Innen- und Außenbereich der Bebauungspläne ist bereits in einigen Bundesländern erfolgt: In Brandenburg und Nordrhein-Westfalen gilt bereits eine genehmigungsfreie Höhe für Mobilfunkmasten im Außenbereich von 20 Metern. In Sachsen-Anhalt, Bayern und Baden-Württemberg ist diese Änderung geplant. Dort laufen aktuell die Gesetzgebungsverfahren. Eine Reihe von Bundesländern hat die genehmigungsfreie Höhe von Masten im sog. „Innenbereich“, also dem innerstädtischen Bereich, bereits auf 15 Meter angehoben, so etwa Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Brandenburg. In Bayern und Baden-Württemberg wird dies geplant.
Wichtig ist aber neben der notwendigen Umsetzung vieler Einzelmaßnahmen ein konstruktiver Dialog zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Wir unterbreiten als Branchenverband viele umfassende Vorschläge in Richtung der Politik, haben Ideen und sehen Verbesserungspotenziale in den Regelwerken. Man muss sich eng austauschen und gemeinsam besprechen, was möglich ist. Ein enger Dialog und die effektive Umsetzung der Maßnahmen bis in die Verwaltungen vor Ort ist das A und O.
Abgesehen vom Baurecht, an welchen Stellen beim Bund und den Ländern sehen Sie weiteres Potenzial oder können weitere Hebel genutzt werden, die für eine Beschleunigung des Mobilfunkausbaus sorgen würden?
Eine weitere zentrale Herausforderung ist die Suche nach geeigneten Standorten für die Errichtung der Mobilfunkmasten. Anpassungen im Baurecht würden die Auswahl möglicher Grundstücke vereinfachen. Daneben könnte die Branche aber mehr praktische Unterstützung bei der Nutzbarmachung öffentlicher Liegenschaften gebrauchen.
Ex-Digitalminister Scheuer hatte dafür schon im Jahr 2019 17.000 Liegenschaften des Bundes und noch einmal 120.000 Flurstücke der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung als mögliche Standorte für 5G-Sendemasten oder Gebäudeaufbauten identifiziert. Hinzu würden noch 5.000 Standorte von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben kommen, die bereits Anlagen für den digitalen Behördenfunk betreiben. Es wurde der Bau von Funkmasten auf rund 142.000 bundeseigenen Standorten angekündigt – viel passiert ist auf dieser Baustelle aber nicht.
Das gleiche betrifft die Mitarbeit der Kommunen. Wer eine optimale Mobilfunkversorgung in der Gemeinde anstrebt, könnte Hand in Hand mit den Anbietern arbeiten und die Ansprache der Grundstückseigentümer organisieren und unterstützen. Stattdessen ist es nicht ungewöhnlich, dass den Unternehmen vor Ort immer noch Argwohn und Skepsis entgegengebracht wird, obwohl sich große Mehrheiten der Bürger eine schnelle und verlässliche Mobilfunkabdeckung sehnlichst wünschen.
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