Rückblick auf die Bundestagswahl: Kein Mikrotargeting, aber Social Bots

Foto: CC BY-ND 2.0 Flickr User Yoel Ben-Avraham. Bildname: Social Media . Ausschnitt bearbeitet.
Veröffentlicht am 06.04.2018
Foto: CC BY-ND 2.0 Flickr User Yoel Ben-Avraham. Bildname: Social Media . Ausschnitt bearbeitet.

Social Bots, Mikrotargeting oder die Verbreitung von Falschnachrichten über den politischen Gegner – die These, dass derartige Social-Media-Instrumente zur Manipulation der öffentlichen Meinung dem US-Präsidenten Donald Trump zum Sieg verhalfen, ist weit verbreitet.  Auch eine Studie der TU München konstatiert, dass es ohne den „Strukturwandel“ zur Online-Gesellschaft – angesichts des extrem knappen Wahlausgangs – für Trump eng geworden wäre. Wie weit fortgeschritten ist die Wählerbeeinflussung über Social Media in Deutschland? Im Auftrag der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung hat der Politikwissenschaftler Simon Hegelich die Bundestagswahl 2017 in den Sozialen Netzwerken analysiert. Er attestiert: Der Strukturwandel der Öffentlichkeit durch Social Media hat in Deutschland gerade erst begonnen.

Kaum Mikrotargeting oder Fake News

Während der Social-Media-Wahlkampf in Deutschland verglichen mit den USA noch in den Kinderschuhen steckt, wurde er im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 von allen Parteien „massiv ausgebaut“, schreibt der Data-Scientist Simon Hegelich in seiner Untersuchung. Dass alle Parteien ihre Aktivitäten auf Facebook vor und im Wahlkampf „deutlich erhöht“ hätten, zeige, welch große politische Bedeutung diesem Medium mittlerweile als Kommunikationskanal beigemessen wird. Noch sehr zurückgehalten hätten sich die Parteien allerdings beim Einsatz von „Mikrotargeting“, wie derzeit im Rahmen des Datenmissbrauchsskandal durch Cambridge Analytica diskutiert. Obwohl es auch in Deutschland „problemlos machbar“ wäre, hätten die Parteien dabei  „ethische Bedenken“ und „mangelnde Erfahrung“, so Hegelich. In Bezug auf Manipulation durch Fake News ließen sich laut Hegelich zwar Beispiele finden, das Ausmaß sei dabei allerdings „wesentlich geringer“ als in den USA. Grund dafür sei auch, dass Medien diese Einzelfälle aufdeckten.

Social Bots und hyperaktive Nutzer

Die Forschungsergebnisse der Studie zeigen allerdings, dass auch im Bundestagswahlkampf Bots und sogenannte „hyperaktive Nutzer“ im Einsatz waren – vor allem im Umfeld der AfD. So  wertete Hegelich unter anderem 350 Millionen  Twittermeldungen der sieben größten Parteien in den sechs Monaten vor der Wahl am 24. September 2017 aus. Obwohl die AfD die Partei mit den wenigsten Followern war (Stand: August 2017), generierte sie am meisten Retweets. Laut Hegelich könne diese Diskrepanz zum Teil auf die bewusste Manipulation durch Bots und hyperaktive Nutzer zurückgeführt werden. Mit Hilfe  verschiedener Methoden fand Hegelich heraus, dass im September 2017 ca. 30.000 Tweets täglich zum Thema AfD gepostet wurden, von denen durchschnittlich circa 14 Prozent von Bots kamen. Außerdem identifizierte er auf der Facebook-Seite der AfD „hyperaktive Nutzer“. Dies sind User, die über längere Zeiträume jeden Beitrag auf bestimmten Seiten massenhaft liken. Eine ähnliche Verteilung von Likes pro Nutzer wurde auf der Facebook-Seite der CDU festgestellt.

AfD dominant auf Facebook

Ähnlich dominant wie auf Twitter war die AfD bei Facebook. Mit 400.000 „Fans“ verzeichnete die AfD jeweils doppelt so viele Unterstützer auf Facebook wie CDU, CSU, Sozialdemokraten oder Grüne. Auch hinsichtlich der Anzahl der „Shares“ war die AfD besonders „wirkmächtig“. Ihre Beiträge wurden bei Facebook häufiger geteilt als die Beiträge aller anderen Parteien zusammen. Dies liege laut Hegelich auch daran, dass die AfD ihre Fans „systematisch“ dazu aufruft, ihre Beiträge zu verbreiten („TEILEN! TEILEN! TEILEN!“).

Digitale Revolution gestalten

Insgesamt zeigen die empirischen Befunde, dass die Social-Media Entwicklungen in Deutschland, trotz des Einsatzes von Social Bots und „hyperaktiver Nutzer“, bis jetzt nur geringe strukturelle Auswirkungen auf die politische Meinungsbildung haben, so Hegelich in seinem Fazit. An mehreren Stellen seiner Studie relativiert Hegelich Zahlen zu Tweets, Retweets und Likes und betont, dass die politische Bedeutung von Twitter in Deutschland nicht überschätzt werden solle. Gleichzeitig warnt Hegelich in Zukunft vor einer „Disruption der Demokratie“, wenn die digitalen Entwicklungen nicht frühzeitig umfassend diskutiert und von der Politik gestaltet würden. Die Vorreiter der Digitalisierung, USA und China, in denen die „Geschäftsinteressen Vorrang hätten“, sollten dabei am besten nicht als Best-Practice-Beispiele dienen, so Hegelich weiter.

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