Rückblick auf den UdL Digital Talk vom 09.02.2015: „Industrie 4.0 – Wachstumsmotor oder wird die Produktion in Deutschland abgehängt?“
Industrie 4.0 birgt hauptsächlich Chancen für Deutschland, die es jetzt zu nutzen gilt. – In dieser grundsätzlichen Einschätzung waren sich am Montag, den 9. Februar 2015, im BASE_camp bei der Diskussion zum Thema „Industrie 4.0 – Wachstumsmotor oder wird die Produktion in Deutschland abgehängt?“ beide Podiumsgäste einig. Im Detail führte das von Cherno Jobatey moderierte Gespräch zwischen Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und der Bundesvorsitzenden des Wirtschaftsverbandes Die Jungen Unternehmer (BJU), Lencke Steiner, aber auch deutliche Unterschiede zu Tage. Die Unternehmerin aus Bremen äußerte zudem klare Forderungen an die Politik.
Programmieren in den Lehrplan
Um den digitalen Wandel künftig gut meistern zu können und dem drohenden Fachkräftemangel im Digitalbereich entgegenzutreten, müsse bei der Bildung in Deutschland noch einiges passieren, so Lencke Steiner. Ihrer Meinung nach müsse Informatik als Fach wie eine Fremdsprache etabliert werden. Die Kinder sollten schon früh – bereits in der zweiten Klasse – mit dem Thema in Berührung kommen. Peter Altmaier war zwar der Ansicht, dass es Veränderungen im Lehrplan geben müsse, sprach sich mit Hinweis auf zahlreiche bildungspolitischen Forderungen unterschiedlicher Interessengruppen aber dagegen aus, die Kinder zu überfrachten. Jedes Kind mit einem Laptop auszustatten, befürworteten hingegen beide Diskutanten.
Internationaler Wettbewerb um Fachkräfte
Dem erwarteten Fachkräftemangel möchte die norddeutsche Unternehmerin dadurch entgegentreten, dass ausländische Abschlüsse in Deutschland sofort anerkannt werden. Auch wenn dies grundsätzlich wünschenswert wäre, sei dies in der Praxis leider nicht so einfach, bedauerte Peter Altmaier. Der CDU-Politiker aus dem Saarland erläuterte, dass es zum Teil an Ausbildungsnachweisen mangele, etwa wenn die entsprechenden Unterlagen im Heimatland zurückgelassen werden mussten oder durch Unglücksfälle vernichtet wurden. Er machte darauf aufmerksam, dass „die Besten der Besten“ bereits jetzt zum Arbeiten nach Deutschland kommen könnten. Allerdings finde der Wettbewerb um die gut ausgebildeten Leute international statt. So konkurriere Deutschland hier u.a. mit dem Silicon Valley und Großbritannien. Umso wichtiger sei hierzulande eine gute Willkommenskultur. Dazu gehöre nicht nur eine ausreichende Kinderbetreuung, sondern auch, dass Neuankömmlinge sich im alltäglichen Leben auf Englisch verständlich machen dürften.
Unternehmen nicht an den Pranger stellen
Als besonders wichtig bei Industrie 4.0 erachteten beide Podiumsgäste das Thema Datensicherheit. Während Lencke Steiner aber in erster Linie von der Politik erwartet, für gute Rahmenbedingungen zu sorgen, sieht Peter Altmaier Wirtschaft und Politik gleichermaßen in der Verantwortung. So müsse die Wirtschaft seiner Überzeugung nach die Öffentlichkeit darüber informieren, wenn sie Opfer eines Hackerangriffs geworden sei, damit nicht nur die Kunden über den Vorfall informiert wären, sondern auch andere Firmen, die ebenfalls als nächstes betroffen sein könnten. Dagegen allerdings erhob die Unternehmerin vehement Einspruch. Wenn man Firmen mit IT-Sicherheitsvorfällen an den Pranger stelle, könnten manche dadurch in existentielle Gefahr geraten, warnte sie. Bei einem Datenmissbrauch von tausenden Kunden könne es aber nicht mehr nur nach den Interessen des Unternehmens gehen, entgegnete der Kanzleramtschef. Er präferiert in dieser Frage allerdings eine Selbstverpflichtung der Unternehmen. Erst wenn diese nicht zu Stande komme, müsse sich die Politik einschalten. Insgesamt müssten im Internet aber ähnliche Sicherheitsstandards etabliert werden wie draußen auf der Straße.
Internationale Datenschutzstandards
Bei den Verhandlungen der Datenschutz-Grundverordnung auf EU-Ebene gehe es laut Altmaier jetzt darum, die Anforderungen an einen modernen Datenschutz zu formulieren. Nach seiner Beobachtung seien die Firmen aus den USA mit ihren Datenschutzbestimmungen derzeit aber besser aufgestellt als die deutschen. Er ist zudem nicht der Ansicht, dass ein strenges europäisches Datenschutzrecht auch für Unternehmen mit Standorten außerhalb der EU gelten solle. Internationale Datenschutzstandards seien zwar grundsätzlich wichtig, aber davon sei man noch sehr weit entfernt. Der Kanzleramtsminister vertrat die Ansicht, dass Deutschland nicht entscheiden könne, wie der Datenschutz in Australien oder den USA aussehe, und umgekehrt. Letztlich sei es jedermanns freie Entscheidung, welchem Unternehmen er seine Daten anvertraue, so Altmaier. Lencke Steiner hingegen warnte in diesem Kontext vor der großen weltweiten Datensammelwut: Die Würde des Menschen dürfe nicht verloren gehen, sonst habe man Industrie 4.0 falsch verstanden.
Mehr Breitband, weniger Störerhaftung
Was Deutschland noch braucht, damit es mit der Digitalisierung weiter vorangeht? – Mehr Breitband, forderte Lencke Steiner. Flächendeckendes WLAN und die Abschaffung der Störerhaftung freier Funknetze, ergänzte eine Unternehmerin aus dem Publikum. Peter Altmaier zeigte sich in beiderlei Hinsicht zuversichtlich. Zwar sei schon jetzt absehbar, dass mehr Breitbandkapazitäten gebraucht würden als derzeit als Ausbauziel in der Breitbandstrategie der Bundesregierung vereinbart sei, aber schon bald werde der Staat öffentliche Mittel für die Förderung des Ausbaus der Breitbandinfrastruktur zur Verfügung stehen.
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