Polizei und Social Media: Am Tatort live dabei

Die Polizei aus Hannover auf Facebook
Die Polizei aus Hannover. Quelle: Polizei Hannover auf Facebook
Veröffentlicht am 20.09.2016

Deutsche Behörden tun sich gelegentlich noch schwer mit den Sozialen Medien. Positiv waren allerdings die Reaktionen auf die Kommunikationsstrategie der Polizei München. Während am 22. Juli ein Amoklauf in der Münchener Innenstadt stattfand, informierte die Pressestelle die Bevölkerung über Facebook und Twitter über den laufenden Großeinsatz – sachlich und beruhigend. Für diese professionelle Arbeit wird die Pressestelle in dieser Woche sogar vom Bundesverband der Pressesprecher ausgezeichnet. Dabei war die Social-Media-Nutzung der Münchener Polizei „nur“ ein Pilotprojekt, das Anfang des Jahres gestartet ist. Doch spätestens seit den schrecklichen Ereignissen in München ist klar: Dialog zwischen Bürgern und Polizei kann auf die sozialen Netzwerke nicht mehr verzichten. Dabei geht es längst nicht mehr nur darum, ein zeitgemäßes Image aufzubauen.

Social Media als neuer Kommunikationskanal

Neben der größeren Sichtbarkeit in den sozialen Medien hat der Bürgerdialog im Netz auch ganz konkreten Nutzen für die Polizeiarbeit selbst. Wie keine andere Behörde ist die Polizei auf Mitarbeit der Bevölkerung angewiesen. Die Polizei Hannover schreibt regelmäßig Fahndungen über Facebook aus und hat somit seit 2011 schon zahlreiche Kriminal- und Vermisstenfälle klären können. Während Großeinsätzen, wie dem in München, oder bei Großveranstaltungen muss die Polizei direkt mit der Bevölkerung kommunizieren können, gerade mit denjenigen, die nicht zu Hause vor dem Fernseher sitzen, sondern – mit dem Smartphone – unterwegs sind.

Die Polizei aus Hannover auf Facebook
Die Polizei aus Hannover. Quelle: Polizei Hannover auf Facebook

Denn nur wer bereits Follower akquiriert hat, kann diese im Ernstfall auch über die sozialen Medien erreichen. Die Polizei München hat in der Nacht des Amoklaufs 110.000 neue Follower auf Twitter gewonnen. Das erhöht die Chancen beim nächsten Einsatz Betroffene und entscheidende Multiplikatoren informieren zu können. Neben den Elementen der Polizeiarbeit können aber auch typische Social-Media-Inhalte (Süße Polizeihundebilder!) hilfreich sein, um das digitale Publikum nachhaltig an sich zu binden. Auch posten die Social-Media-Teams der Polizeien vermehrt in verschiedenen Sprachen, um auch die nicht deutschsprachigen Teile der Bevölkerung anzusprechen.

Wenn Social Media die Polizeiarbeit erschweren

Live dabei sein, wenn ein Großeinsatz passiert, das machen die sozialen Medien möglich. Aber die erhöhte Aufmerksamkeit im Netz macht der Polizei auch zu schaffen. Wenn Journalisten und Schaulustige Einsätze livestreamen, erschwert dies die Arbeit der Ermittler, doch dank Smartphone-Kameras, mobilem Internet und Apps wie Periscope oder Facebook Live kann inzwischen jeder Smartphone-Besitzer eine Livereportage machen. Deswegen bat die Polizei München während des Amoklaufs mit Nachdruck, auf das Posten von Bildern und Videos vom laufenden Einsatz zu verzichten. Denn die Informationen helfen im Zweifelsfall nur den Tätern. „Erst denken, dann posten“, mahnt Sascha Braun, Justiziar der Gewerkschaft der Polizei, deshalb.

Bei so einem Live-Spektakel in den sozialen Medien ist die gefühlte Bedrohung schnell größer als die tatsächliche. Das zeigt ein Beispiel aus Saarbrücken, wo ein „blutüberströmter, bewaffneter Mann“ sich in einem Lokal „verschanzte“ und ein BILD-Reporter bis zur  Unterlassungsaufforderung der Polizei livestreamte. Doch die Panik, die durch Liveschaltung und kursierende Gerüchte entstand, war nicht gerechtfertigt. Auch bei tatsächlichen Vorfällen können nüchterne, informierende Updates, die gezielt dem Verbreiten von Spekulationen und Gerüchten entgegenwirken, helfen. Denn wer beispielsweise bei einem Anschlag mit regelmäßigen Beiträgen in den Social Media zu einem laufenden Einsatz informiert und dabei klarstellt, dass keine Informationen zu den Attentätern bestätigt sind, diskreditiert diejenigen, die anderes behaupten und damit Gerüchte füttern. Für Tweets wie „#Schießerei #oez #münchen Bitte haltet Euch mit Spekulationen & Diskussionen!!! hier momentan zurück. Damit würdet Ihr uns sehr unterstützen“ hat die Polizei München deswegen Zuspruch bekommen.

Polizei uind Social Media, CC by 2.0 Flickr User Marco/Titel:
Schriftzug Polizei / Ausschnitt angepasst

Wer trotzdem in den sozialen Medien Spekulationen anheizt und damit im äußersten Fall durch falsche Angaben eine Ausweitung des Einsatzes hervorruft, könnte dies teuer bezahlen. Die Polizei München hat deshalb nach dem Amoklauf auch eine Warnung an alle Trittbrettfahrer bei Facebook veröffentlicht, die bewusst falsche Informationen zu Geschehnissen verbreiten – ob mündlich oder im Netz: „Pro eingesetztem Beamten und Stunde stellen wir jeweils 54 € in Rechnung. Kommt ein Hubschrauber zum Einsatz, werden 3460 € pro Stunde in Rechnung gestellt. Werden mehrere Hundertschaften samt Hubschrauber eingesetzt, kommt sehr schnell ein Betrag zusammen, den derjenige dann ein ganzes Leben lang abbezahlen muss.“

Polizei Social Media
Polizei München warnt Trittbrettfahrer. Quelle: Polizei München auf Facebook

Informationsquelle Social Web: Verbecherjagd 2.0

Für die Polizei sind Social Media aber längst nicht mehr nur ein Kommunikationskanal, sondern inzwischen auch eine natürliche Quelle für Informationen aller Art. Bei Facebook-Parties oder Demonstrationen, die über die sozialen Netzwerke organisiert sind, sind die Erkenntnisse aus den sozialen Netzwerken entscheidend für die Lagebeurteilung der Polizei und somit für die Gewährleistung der allgemeinen Sicherheit. In der polizeilichen Aufklärung von möglichen Straftaten können Informationen aus den sozialen Netzwerken entscheidende Hinweise zu den Tätern liefern und ergänzen somit einen weiteren wichtigen Teil der Polizeiarbeit. Verbrecherjagd 2.0 findet allerdings im Spannungsfeld zwischen Verbrechensaufklärung und Datenschutz statt. Wie im echten Leben muss die Polizei bei Ermittlungen im Social Web die Persönlichkeitsrechte wahren. Neben Informationen zu Personen, die in den sozialen Netzwerken schlummern, sind Posts auch immer häufiger die eigentliche Straftat. Der starke Anstieg von Hass und verbaler Gewalt im Netz ist inzwischen ein politisches Thema geworden. Bevor politische Lösungen gefunden werden, stellt der Hass im Netz die Polizei aber zunächst vor eine Mammutaufgabe.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion