Politische Kommunikation: Soziale Medien – eine Chance für Europa

Foto: CC BY-ND 2.0 Flickr User Yoel Ben-Avraham. Bildname: Social Media. Ausschnitt bearbeitet
Veröffentlicht am 16.11.2017

Ob ePrivacy-Richtlinie, Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) oder die Abschaffung der Gebühren für Datenroaming – trotz einflussreicher Entscheidungen, die in Brüssel auf den Weg gebracht werden und alle EU-Bürgerin ihrem Alltag betreffen, wissen nur die Wenigsten über das Bescheid, was sich im politischen Alltag der EU abspielt. Es fehlen bekannte Gesichter, politische Kontroversen und Informationsangebote, die aus der Dokumentenflut das Wesentliche herausfiltern. Das lässt EU-Politik oft bürokratisch, zäh und wenig interessant erscheinen. Um europäische Politikinhalte dennoch näher an den Bürger heranzubringen und Interesse für EU-Politik zu wecken, sehen Kommunikationswissenschaftler in den sozialen Medien eine große Chance. In mehreren Studien empfehlen Forscher den EU-Politikern und Europäischen Institutionen, soziale Medien einzusetzen, um eine Verbindung zwischen Bürgern und EU-Politik herzustellen. Der deutsche EU-Parlamentarier und Vlogger Timo Wölkens und der österreichische EU-Abgeordnete und Dichter Eugen Freund haben dies bereits auf ihre Art getan.

„Brexit-Poem“ und Mythenmittwoch

„The Brexit is to put it simple not like an ordinary pimpel. You take some cream, you put it on and a few days later it is gone. It is a complicated matter, more like a novel not a letter […]”.

Anstatt sich mit einer, wie der österreichische EU-Politiker der SPÖ Eugen Freund selber sagt, „langweiligen Rede“ zum Austritt Großbritanniens aus der EU zu äußern, wandte er sich mit einem humorvollen Gedicht, das bei YouTube bislang mehr als 23.000 Mal angeklickt wurde, an die Öffentlichkeit. Diese Zahl ist im Vergleich zu den Klicks, die derselbe Politiker mit rein sachlichen Statements auf seinem YouTube-Channel erreicht, bemerkenswert hoch und zeigt, dass die Form der Kommunikation ausschlaggebend dafür sein kann, wie viele Menschen man mit seinem Anliegen erreicht.

Auch Timo Wölkens, Mitglied des Europäischen Parlaments und der SPD, hat eine kreative Form der Social-Media-Kommunikation gefunden. In seinem YouTube-Channel veröffentlicht er regelmäßig Videos unter dem Titel „Mythenmittwoch“. Darin möchte er Mythen über die Europäische Union, die regelmäßig in der Öffentlichkeit kursieren, analysieren und deren Wahrheitsgehalt auf den Grund gehen. So räumt er etwa anschaulich mit dem Mythos vom Filterkaffeeverbot oder der Einheitsgröße von Kondomen auf und erreicht auch damit regelmäßig mehr als 3.000 Nutzer.

Foto: CC BY-ND 2.0 Flickr User Yoel Ben-Avraham. Bildname: Social Media. Ausschnitt bearbeitet

Auch die großen Europäischen Institutionen pflegen ihre sozialen Medien. Über 2,3 Millionen Menschen „folgen“ z. B. dem Facebook-Profil des Europäischen Parlaments, wo täglich Posts über die Agenda der Plenarsitzungen, Veranstaltungen sowie deren Fotos und Videos veröffentlicht werden. Während die Beiträge auf Facebook meistens auf Englisch sind, verfolgt das EU-Parlament auf Twitter eine länderspezifische Strategie. Für jede offizielle Sprache der EU besitzt das Parlament einen eigenen Account. Auffällig sind dabei die unterschiedlichen Follower-Zahlen: Während der spanische Twitter-Account bereits 112.000 Follower hat, zählt der polnischer EU-Parlaments-Account nur 36.000 Follower.

Dem Kommunikationswissenschaftler und Rektor der ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin, Andreas M. Kaplan, zufolge haben soziale Medien mit Blick auf die Kommunikation von EU-Inhalten einige wichtige Funktionen. So spielen sie auf europäischer Ebene eine wichtige Rolle, um Informationen über Politikinhalte zu verbreiten, da es bislang kein traditionelles, transeuropäisches Massenmedium, wie z.B. einen Europäischen Fernsehkanal, gibt. Zudem seien sie vor dem Hintergrund, dass einige Medien hauptsächlich skeptisch über die EU berichten, eine gute Möglichkeit, auf direktem Wege mit den Bürgern zu kommunizieren. Zusätzlich ermöglichen Facebook, Twitter, YouTube und Co nicht nur die Kommunikation zwischen Entscheidungsträgern und Bürgern, sondern auch die Interaktion zwischen Bürgern der EU und erzeugen dadurch ein stärkeres „Wir“-Gefühl.

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