Politische Kommunikation: Ist Twitter in Zukunft noch ein „Musk have“?

Veröffentlicht am 10.05.2022

Die angekündigte Übernahme von Twitter durch Elon Musk hat für großes Aufsehen gesorgt. Zugleich wirft dies grundsätzliche Fragen zur Bedeutung und Kontrolle solch großer digitaler Plattformen auf, die heute von besonderer Relevanz für die politische Kommunikation sind. Welche Pläne Musk mit Twitter verfolgt und warum man deren Umsetzung genau beobachten sollte, erläutern wir auf BASECAMP.digital.

Nach wochenlangem Taktieren war es am 25. April tatsächlich soweit: der Aufsichtsrat von Twitter akzeptierte Elon Musks Übernahmeangebot für die Plattform in Höhe von 44 Milliarden Dollar. Musk, der als Unternehmer und Innovator durch sein Mitwirken an den Unternehmen PayPal, Tesla, SpaceX und Starlink reich und berühmt geworden ist, kündigte daraufhin an, den Kurznachrichtendienst nach Abschluss der Übernahme von der Börse nehmen zu wollen. Weitere seiner Äußerungen lösten zugleich eine Debatte darüber aus, was er mit dem sozialen Netzwerk, das weltweit täglich mehr als 200 Millionen Menschen nutzen, eigentlich vorhat.

Die Pläne des Elon Musk

„Twitter will always be free for casual users, but maybe a slight cost for commercial/government users“ | Screenshot eines Tweets von Elon Musk am 4.5.2022 | Klicken, um den Thread bei Twitter anzuzeigen.

Eines der Ziele von Musk ist es auf jeden Fall, Twitter profitabler zu machen. So plant er laut Informationen der New York Times, bis 2028 den jährlichen Umsatz auf 26 Milliarden Dollar zu steigern und die Zahl der täglichen Nutzer:innen auf 930 Millionen zu erhöhen. Für das Jahr 2021 lag der Umsatz allerdings gerade mal bei 5 Milliarden Dollar und die letzten Quartalszahlen wiesen dem operativen Geschäft der Plattform sogar einen dreistelligen Millionenverlust aus. Die Frage, wie das hochgesteckte finanzielle Ziel in den nächsten Jahren erreicht werden soll, nährt deshalb Spekulationen über mögliche technische Neuerungen und nicht zuletzt den wichtigen Aspekt der Meinungsfreiheit.

Die Pläne des Tech-Milliardärs sehen offenbar vor, eine werbefreie Bezahlversion für Abonnenten anzubieten sowie Tweets zu monetarisieren. Webseiten, die einen Tweet eines verifizierten Kontos einbetten wollen, müssten dafür dann eine Gebühr an den Kurznachrichtendienst zahlen. Auch die gewerbliche und staatliche Nutzung von Twitter könnte künftig Geld kosten. Den Top-Angestellten der Plattform möchte Musk zudem die Gehälter kürzen.

Der angestrebte Rückzug von der Börse zielt hingegen wohl vor allem darauf, dass das Unternehmen künftig nicht mehr dem Kontroll- und Regulierungssystem der Börsenaufsicht untersteht. Dadurch würde Musk mehr Handlungsspielraum im Umgang mit der Plattform erhalten.

Eine Gefahr für die Meinungsfreiheit?

Im Zentrum vieler Kommentare zur Übernahme des Unternehmens steht allerdings die Frage, wie das Thema Meinungsfreiheit unter Musks Ägide bei Twitter in Zukunft ausgelegt werden wird und welche gesellschaftlichen Folgen das haben könnte. Denn Twitter ist nicht nur das schnellste Medium der Welt, sondern auch für die politische Kommunikation und Meinungsbildung von besonderer Relevanz. So nutzen sehr viele Personen und Institutionen aus Politik und Medien den Kurznachrichtendienst – und äußern sich dort oft ungefiltert zu allen möglichen Themen. Musks Aussage, er wolle die Plattform nun zur Bastion des „Free Speech“ machen, verdient deshalb besondere Aufmerksamkeit.

„Wir brauchen eine inklusive Arena für freie Rede. Die Menschen müssen die Gewissheit haben, dass sie dort frei ihre Meinung äußern können, innerhalb der Regeln des Gesetzes. Ich denke, Twitter sollte seinen Algorithmus offenlegen. Und wenn etwas geändert wird, an einem Tweet beispielsweise, sollte es sichtbar sein, dass dort etwas gemacht wurde.“ (Elon Musk in einem TED-Talk)

Musk hat in der Vergangenheit mit vielen seiner öffentlichen Äußerungen nicht nur polarisiert und provoziert, sondern er hat auch immer wieder kritisiert, dass seiner Ansicht nach zu viel auf Twitter zensiert werde. Deswegen spricht viel dafür, dass er die Moderation von Tweet-Inhalten minimieren und die zugrundeliegenden Community-Richtlinien begrenzen lassen wird. Dies könnte dazu führen, dass Hassrede und Desinformationen auf der Plattform künftig einfacher als bisher verbreitet werden können – besonders in den USA, wo ein sehr weit gefasstes Verständnis der Redefreiheit vorherrscht. Als ein warnendes Negativbeispiel für die mangelnde Bekämpfung von Hate Speech und Fake News muss man sich nur die Entwicklung von Facebook vor Augen führen.

Grafik: CC0 1.0, Pixabay User edisona

Da für Europa aufgrund der hiesigen Gesetzgebung allerdings andere Regeln der Meinungsfreiheit gelten – z.B. bald in Form des Digital Services Act – kann dies noch zu einer Kraftprobe zwischen Musks Twitter und der EU führen. Musk selbst hatte zuletzt jedoch bereits darauf hingewiesen, dass die Regeln der Plattform den Gesetzen der Staaten der jeweiligen Nutzer:innen entsprechen sollten. Ob dadurch ein Konflikt mit der Europäischen Union umgangen werden kann, muss sich erst noch zeigen.

Warnungen und Wechsel zur Konkurrenz

Erste Reaktionen auf die Bekanntgabe von Musks Twitter-Übernahme zeigen, dass die Furcht vor mehr Hass im Netz durchaus ernst genommen werden sollte: So verzeichnete der Kurznachrichtendienst in den USA offenbar direkt danach den Verlust Tausender Nutzerkonten, während politisch rechts gerichtete Accounts Zugewinne aufwiesen. Zudem warnten Politiker:innen wie die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren vor den Gefahren des Deals für die Demokratie.

In Deutschland gab es ebenfalls Kritik an Musks Verständnis der Pressefreiheit, speziell wenn es um seine wirtschaftlichen Interessen wie beim Unternehmen Tesla geht. Manche Twitter-User reagierten derweil mit einem Wechsel zum Konkurrenz-Netzwerk Mastodon, darunter auch prominente Namen wie Jan Böhmermann oder Saša Stanišić. Dort geht es aber eher um Vernetzung als um Reichweite. Außerdem führte Musks Twitter-Kauf auch zu einer Diskussion über ein mögliches öffentlich-rechtliches Social-Media-Angebot als Alternative zu den existierenden Plattformen – die ironischerweise zunächst auf Twitter stattfand.

Wie nachhaltig diese Reaktionen und Debatten sein können, hängt letztlich auch von der weiteren Entwicklung des Kurznachrichtendienstes unter Elon Musk ab. Zuvor muss seine Übernahme nämlich noch diverse Instanzen durchlaufen und könnte rein theoretisch noch scheitern. Wahrscheinlich werden jedoch nur ein paar Monate vergehen, bis Musk offizieller Twitter-Eigentümer ist. Und erst dann wird sich zeigen, wie er die Plattform verändert und wie sich das auf die politische Kommunikation auswirken wird. Eine aufmerksame Beobachtung dieser Entwicklung scheint jedenfalls sehr angebracht zu sein.

Mehr Informationen:

EU-Plattformregulierung: Der Digital Services Act steht vor der Umsetzung
Politische Kommunikation auf Social Media: Worüber twittern die Bundestags­abgeordneten?

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