Philipp Lengsfeld: Warum er als MdB kein Social Media-Profil hat
Die Einen werden Philipp Lengsfeld mutig, die Anderen gestrig nennen. Denn er zählt zu den wenigen Bundestagsabgeordneten, die bewusst auf eine Präsenz und den Dialog in Social Media verzichten. Wir haben mit ihm über seine Beweggründe gesprochen.
UdL Digital: Herr Lengsfeld, Sie sind gerade neu in den Deutschen Bundestag eingezogen, haben aber schon etwas mit prominenten Fraktionskollegen wie Volker Kauder und Ronald Pofalla gemeinsam: Sie sind Offliner. Kein Facebook, kein Twitter, keine persönliche Homepage… Warum nicht?
Philipp Lengsfeld: Als promovierter Physiker nutze ich E-Mails und das Internet seit zwanzig Jahren. Insofern bin ich definitiv kein Offliner. Wir hatten im Wahlkampf eine inhaltsreiche und gut gepflegte persönliche Homepage, und ich habe z.B. sehr aktiv Fragen auf kandidatenwatch.de beantwortet. Hier war ich der Unionskandidat mit der bundesweit besten Platzierung gemäß Zahl der Fragen und Antworten sowie der Reaktionszeit. Es ist aber richtig, dass ich im Wahlkampf bewusst auf den persönlichen Einsatz von kommerziell organisierten sozialen Netzwerken und interaktiven Kurznachrichten verzichtet habe. Ich habe schlicht entschieden, dass dies für mich als Kandidat, der aus einem aktiven Beruf heraus Wahlkampf macht, nicht zu leisten ist. Ich sehe auch den teilweise sehr rüde und respektlos geführten Kommunikationsstil auf den genannten Medien sehr kritisch.
UdL Digital: Haben Sie stattdessen Ihre Wähler in Berlin Mitte mit anderen Wahlkampf-Innovationen überrascht?
Philipp Lengsfeld: Ich habe einen fast schon „klassisch“ zu nennenden Wahlkampf geführt: In sehr vielen Diskussionsveranstaltungen, an Informationsständen auf der Straße und in Einzel- und Gruppendiskussionen bin ich mit meinen Wählerinnen und Wählern ins Gespräch gekommen. Meine Präsenz in den klassischen Medien konnte sich, glaube ich, auch sehen lassen. Dies kann man schon fast wieder als innovativ ansehen. Mein Leitspruch war: ,Wir machen Wahlkampf im Wahlkampf‘ – Scheininnovationen wie Koch- und Laufveranstaltungen finde ich nicht sonderlich zielführend und mein grüner Kontrahent war damit, bezogen auf das Wahlergebnis, auch nicht erfolgreich.
UdL Digital: Der Name „Lengsfeld“ hat auch ohne Internet Reichweite. Was bedeutet er für Sie?
Philipp Lengsfeld: Zunächst einmal ist dies der Name von mir, meiner Frau und meinen Kindern. Die erwähnte Bekanntheit war natürlich an der einen oder anderen Stelle von Vorteil, kann aber auch bedeuten, dass man in eine Schublade gesteckt wird. Wichtiger war für mich, dass ich den politisch-medialen Apparat über die jahrelange Arbeit meiner Mutter schon etwas kannte. Dies ist vielleicht auch der Grund, warum ich an der einen oder anderen Stelle vorsichtiger agiert habe, als man es vielleicht von einem Erstkandidaten erwartet hätte.
UdL Digital: Fühlen Sie sich in Zeiten des „NSA-Skandals“ mit Ihrer Zurückhaltung gegenüber dem Internet bestätigt?
Philipp Lengsfeld: Wie gesagt, ich habe keine Zurückhaltung gegenüber dem Internet, sondern nur eine gesunde Skepsis z.B. gegenüber den von Ihnen erwähnten amerikanischen Erfolgsprodukten. Und ja, ich habe in Diskussionen in Schulen schon darauf hingewiesen, dass diese Produkte aus Kalifornien vielleicht etwas kritischer betrachtet werden sollten. Die Idee, vielleicht z.B. eher deutsche oder europäische E-Mail-Provider zu nutzen, halte ich für nicht so abwegig. Trotzdem faszinieren mich die Möglichkeiten der modernen Kommunikation: Crowdsourcing und -funding, ultraschnelle Informationsübertragung und Social Media-Signale als Katastrophenwarnungen sind nur einige Beispiele. Aber der NSA-Skandal hat natürlich auch die negativen Aspekte noch stärker beleuchtet. Und neben dem Thema Datenschutz scheint mir auch das Thema Persönlichkeitsrechte in seiner ganzen Dimension noch nicht recht verstanden zu sein. Hier muss und wird sich in naher Zukunft sicherlich einiges ändern.
UdL Digital: Können Sie den sozialen Medien auch positive Aspekte abgewinnen?
Philipp Lengsfeld: Wenn ich meine Kinder ansehe, dann scheint ja ein Leben ohne soziale Medien heute undenkbar… Aber im Ernst, sicherlich können sich beispielsweise Interessengruppen über die sozialen Medien finden und den Meinungsaustausch fördern. Besonders in politischen Systemen, die keine Meinungsfreiheit gewährleisten, ist diese neue Form der Meinungsbildung und -äußerung ein ganz wichtiges Instrument. Aber bringen diese Plattformen wirklich eine neue oder gar bessere Form des Zusammenlebens? Ohne echte eigene Erfahrungen möchte ich trotzdem eine dickes Fragezeichen daran setzen – es ist sicherlich keine gute Strategie, persönliche Kontakt zugunsten des Internet 2.0 zu vernachlässigen und ein falsches Wort kriegt wird man im Internet eigentlich nicht mehr richtig los. Wie so oft kommt es wohl darauf an, die richtige (soziale) Balance zu finden.
UdL Digital: Als Bewerbung für den Ausschuss „Digitales“ wird das wohl nicht reichen. Welche Themen wollen Sie besetzen?
Philipp Lengsfeld: Dies ist tatsächlich nicht mein Wunschpolitikfeld, obwohl ich mindestens eine klare Forderung habe: Ich bin eindeutig gegen Pseudonyme, wie sie leider immer noch gang und gäbe in den Foren der wichtigen deutschen Zeitungen sind. Ich finde, man merkt eindeutig, dass die Anonymität (wobei die ja nicht wirklich echt ist), den Diskussionsstil und die Umgangsformen förmlich vergiftet. Mein fachliches Hauptanliegen im Bundestag ist die Förderung von Bildung und Forschung. Nicht nur im Hinblick auf die Energiewende ist dieser Bereich ein ganz zentrales Politikfeld. Dass die Koalitionsverhandlungen dies widerspiegeln und auch die SPD die steuerliche Forschungsförderung befürwortet, unterstütze ich ausdrücklich.
UdL Digital: Wann können wir mit dem Launch ihrer Abgeordneten-Webseite rechnen?
Philipp Lengsfeld: Meine Kandidatenseite lengsfeld-mitte.de finde ich immer noch eine sehr gute Basis, die es sicherlich auszubauen gilt. Dies wird in den nächsten Wochen passieren. Ein regelmäßiger Bericht über meine Abgeordnetentätigkeiten ist eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem braucht es als Neuling etwas Zeit, um den vollen Arbeitsapparat aufzubauen – eine Erreichbarkeit des Abgeordneten Lengsfeld ist aber schon jetzt durchgehend gewährleistet. Dies ist ja gerade das Kennzeichen eines demokratischen Parlaments – in Zeiten des Internets sind die Wege nur noch etwas kürzer.
UdL Digital: Und wie sieht es aus mit Facebook und Twitter?
Philipp Lengsfeld: Ich hoffe, dass die beiden Unternehmen in Kalifornien auch dankbar dafür sind, wie viel kostenlose Werbung sie permanent nicht nur in deutschen Medien bekommen. Aber auch hier wieder im Ernst: Der Kreisverband der CDU Mitte hat eine Facebook-Seite – ich glaube, dies genügt vorerst. Aber als Abgeordneter werde ich jetzt auch ins Kurznachrichtengeschäft eintreten: Über twitter.com/PLengsfeld werden wir Statements und Presseerklärungen auch auf diesem Wege veröffentlichen. Als Diskussionsforum werde ich diese Plattform aber wohl nicht nutzen.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlich erscheinenden Monitoring-Services für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.