Open Science: Wem gehört die Wissenschaft?

Veröffentlicht am 21.12.2016

Wissenschaft
Foto: CC-By 2.0 Flickr User Oliver Bildesheim
Deutschlands Universitäten droht ein unfreiwilliger Timehop in das Zeitalter des Kopierens. Anfang Dezember erhielten Studierende, Mitarbeiter und Lehrende einiger Hochschulen E-Mails von der Studienleitung, die sie über neue Regelungen zum Urheberrecht informierten. Darin wurden Lehrende angewiesen, urheberrechtlich geschützte Texte den Studierenden künftig nicht mehr in digitaler Form auf Plattformen zur Verfügung zu stellen. Außerdem würden alle bereits vorhandenen digitalen Ressourcen in diesen Plattformen, wie zum Beispiel Moodle, gelöscht. Das bedeutet nicht nur die Rückkehr zum fast schon vergessenen Semesterapparat in der Universitätsbibliothek und langes Schlange stehen vor den Kopiergeräten. Auf dem Weg zur Open Science wirft es Deutschlands Wissensgesellschaft und Forschungslandschaft auch um einige Jahre zurück.

Hintergrund ist ein Rahmenvertrag zwischen der Verwertungsgesellschaft Wort (VG WORT) und der Kultusministerkonferenz (KMK). Danach sollten ab 1. Januar 2017 unter anderem jede genutzte Seite eines Dokuments einzeln abgerechnet werden. VG Wort hat hierfür ein „elektronisches Meldeverfahren zur Erfassung und Meldung der einzelnen, an den Hochschulen vorgenommenen Nutzungen“ entwickelt. Dieser „enorme Mehraufwand“ sei nicht zu gewährleisten, halten die Hochschulen dagegen. Außerdem seien zahlreiche rechtliche, technische und organisatorische Fragen nicht geklärt. Rektorenkonferenzen von bislang acht Bundesländern haben deshalb angekündigt, dem Vertrag nicht beizutreten. Vergangenen Freitag gab VG WORT bekannt die Frist werde bis 30. September 2017 verlängert, in dieser Zeit solle eine Lösung gemeinsam der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der KMK gefunden werden.

Die Hochschulen streiten derzeit auch mit den großen Wissenschaftsverlagen. Bei der angestrebten bundesweiten Lizenzierung von deren Angeboten mit dem „Projekt DEAL“ verkündete die HRK das vorläufige Scheitern der Gespräche mit Marktführer Elsevier. Dieser verweigere sich „den Prinzipien von Open Access und allen Argumenten für eine faire Preisgestaltung“, heißt es in dem Rundschreiben.

Fast alle wollen Open Science

Dabei sind sich Politik und Hochschulen im Grunde einig: Beide Seiten wollen eine offene Wissenschaft. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Große Koalition auf Bundesebene vereinbart, in der aktuellen Legislaturperiode mit einer „umfassenden Open Access Strategie“ die „Rahmenbedingungen für einen effektiven und dauerhaften Zugang zu öffentlich finanzierten Publikationen und auch zu Daten (open data)“ zu verbessern. Das Land Berlin legte 2015 eine Open-Access-Strategie vor, wonach im Jahr 2020 zwei Drittel aller Fachzeitschriftenartikel der Berliner Universitäten öffentlich zugängig sein sollen. Der EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation will im selben Zeitraum sogar europaweit freien Zugang zu allen öffentlich geförderten wissenschaftlichen Veröffentlichungen erreichen.

Auch die „Open Access 2020“-Initiative unter Federführung der deutschen Max-Planck-Gesellschaft, die im März startete, verschreibt sich diesen Zielen. Deutschen Forschungsorganisationen und Hochschulen hatten sich bereits 2003 mit der Unterzeichnung der „Berliner Erklärung“ für eine Zusammenarbeit für Open Access ausgesprochen.

Wissenschaftsverlage sträuben sich allerdings gegen Open Access, weil sie von den hohen Lizensierungsgebühren profitieren, die Bibliotheken und Hochschulen für den Zugang zu ihren Veröffentlichungen zahlen. Gleichzeitig erhalten die Autoren von öffentlich finanzierten Wissenschaftstexten oft nur geringe Renditen vom Verkauf. Von Open Science ist Deutschland derzeit daher noch ziemlich weit entfernt.

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