Neue Bundesregierung: Digitalpolitik und Telekommunikation im Koalitionsvertrag

Foto: Pixabay User simonschmid614 | CC0 1.0 | Auschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 11.04.2025

45 Tage nach der Bundestagswahl haben sich CDU/CSU und SPD auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verständigt, der am Mittwoch der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Wir betrachten, was die Vereinbarung digitalpolitisch und für den Telekommunikationssektor bereithält.

Der neue Koalitionsvertrag von Union und SPD legt auf 144 Seiten die politischen Leitlinien und Vorhaben der kommenden Legislaturperiode fest. Der Begriff „digital“ kommt darin immerhin 187-mal vor (zum Vergleich: bei der Ampel waren es 226 Erwähnungen). Diese quantitative Präsenz sagt natürlich noch nichts über die tatsächlichen digitalpolitischen Schwerpunkte der neuen Koalition aus.

Ambitionierte Pläne für die Verwaltung

Ein zentrales Ziel ist auf jeden Fall die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. So sollen die Verfahrensabläufe auf allen staatlichen Ebenen vereinheitlicht werden und die Bürger:innen erhalten verpflichtend ein zentrales Bürgerkonto und eine digitale Identität, um alle Verwaltungsleistungen über eine zentrale digitale Plattform abrufen zu können. In dem Zusammenhang ist auch ein „Doppelerhebungsverbot“ für die Behörden geplant, damit die Bürger:innen ihre Daten nur einmal eingeben müssen.

Ein weiterer Fokus liegt auf der IT-Sicherheit. Der sogenannte „Hackerparagraf“ soll reformiert werden. Auf der Agenda stehen zudem die Weiterentwicklung der Nationalen Cybersicherheitsstrategie und des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums. Die Koalition plant die Umsetzung der EU-weit geltenden NIS-2-Richtlinie und eine Novelle des BSI-Gesetzes, um zentrale Sicherheitsstandards und Zuständigkeiten neu zu definieren.

Digitale Souveränität & Kampf gegen Desinformation

Im Bereich der digitalen Souveränität will die neue Regierung souveräne Cloudplattformen fördern, unter anderem, um von außereuropäischen Anbietern unabhängiger zu werden. Auch der Open-Source-Ansatz soll gestärkt werden, zum Beispiel durch ein strategisch ausgerichtetes IT-Budget, die neue Sovereign Tech Agency sowie die Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind), die darüber hinaus auch im Bereich Verteidigung tätig werden soll.

Hinsichtlich der Herausforderungen durch Falschinformationen, Hass und Hetze soll es klare gesetzliche Vorgaben für die Medienaufsicht geben, um dagegen besser vorgehen zu können. Zudem wird ein Verbot des massenhaften und koordinierten Einsatzes von Bots und Fake-Accounts sowie ein Gesetz gegen digitale Gewalt angestrebt. Der Digital Services Act (DSA) soll national umgesetzt und weiterentwickelt werden.

KI als Multitool & Wiedergeburt der Vorratsdatenspeicherung

Wie viele Formulierungen bleiben auch die Ausführungen zu Künstlicher Intelligenz im Koalitionsvertrag recht allgemein: Deutschland solle eine „KI-Nation“ werden und entsprechende Anwendungen sollen das Leben in vielen Bereichen erleichtern, sei es bei der Polizei oder bei der Suche nach digitalen Dienstleistungen. Mit Blick auf Urheberrechte wird eine angemessene Vergütung derjenigen angestrebt, deren Werke und Inhalte zur Erstellung von KI-Modellen genutzt werden.

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Auch im Bereich der digitalen Überwachung setzt die Koalition deutliche Akzente: Es soll eine „verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern“ eingeführt werden. Nach diversen Anläufen und Gerichtsurteilen ist die Vorratsdatenspeicherung also zurück auf dem politischen Tapet. Der Staatstrojaner für die Bundespolizei zur Bekämpfung schwerer Straftaten soll kommen, ebenso die Ermöglichung von Fahndungen im Internet für „bestimmte Zwecke“ mit automatisierter Datenanalyse sowie nachträglichem biometrischen Abgleich.

Im Bereich der Migrationskontrolle wird ein „Gesetz zur Weiterentwicklung der Digitalisierung der Migrationsverwaltung“ angekündigt. Im Gesundheitsbereich sollen die Möglichkeiten zur Datennutzung ausgeweitet werden und in der Bildung ist eine bundesweit kompatible Schüler-ID angedacht, um ein paar weitere digitalpolitische Vorhaben zu nennen.

„Überragendes öffentliches Interesse“ für den Netzausbau

Auch im Bereich der Telekommunikation will die neue Koalition lang ersehnte Fortschritte erzielen. Das von der Ampel-Koalition fast verabschiedete TK-NABEG zur Beschleunigung des Glasfaser- und Mobilfunkausbaus soll endlich kommen – inklusive der Definition des Ausbaus als „überragendes öffentliches Interesse“, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu erleichtern. Zur Ausbaubeschleunigung sind außerdem mehr digitale Antragsverfahren sowie die Senkung der Energiepreise zur finanziellen Entlastung von Netzbetreibern und Verbraucher:innen vorgesehen. Die viel kritisierte Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft soll hingegen fortgeführt werden, bis die bereits bewilligten Projekte abgeschlossen sind.

Die Zukunft der UHF-Frequenzen bleibt im Vertrag vage – hier sind verschiedene Akteure betroffen, etwa Polizei und Rettungsdienste, Medien und Kultur. Eine klare Festlegung zur Vergabe fehlt bislang. Auch die Rolle des Beirats der Bundesnetzagentur soll überprüft und weiterentwickelt werden.

In Bezug auf sicherheitsrelevante Strukturen heißt es im Vertrag, dass ausländische Investitionen in kritische Infrastrukturen künftig verhindert werden sollen, wenn sie den nationalen Interessen widersprechen.

Das Warten aufs Digitalministerium hat ein Ende

Eine zentrale und seit langem geforderte Veränderung betrifft die Verantwortlichkeiten in der neuen Regierung: Erstmals wird es ein eigenständiges Digitalministerium auf Bundesebene geben – bzw. ein Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Anders als noch im Wahlkampf spekuliert wurde, wird das neue Ressort aber wohl nicht von einer externen Person geleitet werden.

„Ich möchte dazu jemanden von außerhalb holen, der das in der Industrie schon mal gemacht hat, weil uns in der Politik diese Fähigkeit fehlt.“ (Friedrich Merz in einem Podcast im Februar 2025)

Als Top-Favoritin für den Posten wird nun Kristina Sinemus gehandelt, die für den Job bereits viel Erfahrung als hessische Digitalministerin mitbringt. Der genaue Zuschnitt des neuen Ministeriums, wie auch der übrigen Häuser, ist aktuell noch nicht genau definiert – auch weil die ambitionierte Aufgabe der Staatsmodernisierung im Koalitionsvertrag mit Blick auf die Bundesverwaltung als ressortübergreifendes Vorhaben bezeichnet wird. Der Verweis auf die Vorschläge der Initiative für einen handlungsfähigen Staat könnte hier womöglich inhaltliche Anhaltspunkte liefern, was die neue Bundesregierung hier vorhat.

Damit die Pläne des Koalitionsvertrags aber tatsächlich verwirklicht werden können, müssen nun noch die beteiligten Parteien dem Verhandlungsergebnis zustimmen. Die CSU hat als erste der drei beteiligten Parteien den Vertrag bereits gebilligt. Die SPD lässt ihre Mitglieder digital über den Vertrag bis 29. April abstimmen, während bei der CDUein kleiner Parteitag am 28. April darüber entscheiden soll.

Bei jeweils positiven Ergebnissen könnte Friedrich Merz dann in der Woche vom 5. Mai zum Bundeskanzler gewählt und die neue Regierung nach der Ernennung der Bundesminister ihre Arbeit aufnehmen.

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