Netzpolitische Gesetze: Auf dem Schreibtisch der neuen Digitalministerin
Mit dem Wechsel von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) vom Wirtschafts- in das Außenministerium wird Brigitte Zypries (SPD) nicht nur Bundesministerin für Wirtschaft und Energie sondern auch Deutschlands erste Digitalministerin. Viel Zeit bleibt ihr und den zwei ebenfalls für Netzpolitik zuständigen Kabinettskollegen – dem Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und dem Minister für digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt (CSU) – nicht mehr, um die vereinbarten Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD umzusetzen. Bis zur Bundestagswahl gibt es noch neun reguläre Sitzungswochen des Deutschen Bundestages und sieben Sitzungen des Bundesrates, bei denen Gesetze im parlamentarischen Verfahren beraten und verabschiedeten werden können. Viel Einarbeitungszeit wird Bundeswirtschaftsministerin Zypries allerdings nicht brauchen. Sie bringt viele Jahre Erfahrung in puncto Digitalisierung mit.
Die netzpolitische Juristin
Bereits zu ihrer Zeit als Bundesjustizministerin (2002-2009) hat sich Brigitte Zypries mit digitalen Themen beschäftigt und war u.a. für die E-Government-Initiative „BundOnline 2005“ der Bundesregierung verantwortlich. Auch als Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft hat sich die Hessin intensiv mit netzpolitischen Fragen auseinandergesetzt. Im Jahr 2012 begann Zypries zu twittern und ist dort bis heute nie um einen ‚Reply‘ oder einen ‚Retweet‘ verlegen. Zwei Mal war sie beim UdL Digital Talk im Telefónica BASECAMP zu Gast.
Als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeswirtschaftsminister war Zypries seit Dezember 2013 für IT-Angelegenheiten zuständig und damit auch an der Digitalen Agenda beteiligt, die das Bundeskabinett im Jahr 2014 beschlossen hat. Im Interview mit UdL Digital hatte Brigitte Zypries bereits vor eineinhalb Jahren angekündigt, was ihrer Ansicht nach bis zum Jahr 2017 erreicht werden soll: Die Digitale Wirtschaft und „das deutsche Startup-Ökosystem“ müssten verbessert werden und auch kleine und mittelständische Unternehmen sowie jeder Handwerksbetrieb sollten sich darüber Gedanken machen, wie ihr „Geschäftsmodell in der digitalen Welt fortgeführt bzw. neu gestaltet werden“ könne, sagte Zypries damals. Außerdem sollte schulische, universitäre und berufliche Ausbildungim Jahr 2017 „fit für die Anforderungen in der digitalen Welt“ sein.
Digitale Versprechen der Großen Koalition
Die meisten Gesetze mit netzpolitischem Bezug, die sich derzeit noch im parlamentarischen Verfahren befinden, stammen aus dem Innen- und dem Infrastrukturministerium. Das E-Governmentgesetz aus dem Hause von Bundesminister de Maiziére steht ebenso am Anfang des parlamentarischen Abstimmungsprozesses wie das Gesetz zum automatisierten Fahren von Bundesminister Dobrindt. Die Grundgesetzänderung u.a. von Artikel 91c und das Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems, das auch für einen verbesserten Online-Zugang zu Verwaltungsleistungen sorgen soll, wurden von Bundesminister Schäuble auf den Weg gebracht.
An offenen Vorgängen hat Sigmar Gabriel seiner Nachfolgerin lediglich das Neunte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen hinterlassen, das Experten in einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages kürzlich als „mutigen Impuls“ gelobt haben. Als „schwierige Baustelle“ erweist sich hingegen das Dritte Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, mit dem die europäische Richtlinie zur Netzneutralität in nationales Recht umgesetzt werden soll. Zwischen dem Bundesrat und der Bundesregierung besteht ein Dissens, ob die Gesetzesvorlage in der Länderkammer zustimmungspflichtig ist. Zudem bestehen Forderungen danach, das Gesetzgebungsverfahren für die Einfürhung weitere Regeln für Verbraucherschutz und Transparenz zu nutzen. Seit der Anhörung im Wirtschaftsausschuss Anfang November hat es der Gesetzentwurf noch immer nicht zur Schlussabstimmung auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages geschafft.
Bald im Kabinett
Eine der netzpolitischen Aufgaben von Brigitte Zypries wird es außerdem sein, die „Verordnung zur Änderung der Telekommunikations-Überwachungsverordnung“ durchs Kabinett zu bringen. Die Novelle, die im Nachgang zur Einführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung notwendig ist, befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung und soll im März die Ministerrunde passieren, bevor der Bundesrat darüber abstimmt. Noch vorher, Mitte Februar, wird Bundeswirtschaftsministerin Zypries das „Gesetz zur Erhebung, Übermittlung und Sicherung geowissenschaftlicher Daten sowie zur öffentlichen Verfügbarkeit geowissenschaftlicher Daten“ im Bundeskabinett zur Abstimmung vorstellen. Das Gesetz enthält eine Pflicht zur Digitalisierung von Daten, was mittelfristig neue Start-up-Projekte und Geschäftsmodelle möglich macht.