Nachgefragt! mit Ricarda Lang: Digitalisierung als Effizienztreiber nutzen

Nachgefragt mit Ricarda Lang und Harald Geywitz | Foto: Henrik Andree
Nachgefragt mit Ricarda Lang und Harald Geywitz | Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 01.03.2023

„Nach der langen Koalition unter Angela Merkel gab es ein gewisses Aufatmen“, hat Ricarda Lang, Co-Vorsitzende der Partei Bündnis90/Die Grünen, bei der Bildung der Ampelkoalition mit der SPD und der FDP beobachtet. „Wir dachten damals, wir könnten endlich das umsetzen, was wir uns gewünscht haben.“ Und dazu zählte für Lang auch, die Digitalisierung zugunsten von Klimaneutralität und Rohstoffunabhängigkeit aktiver zu gestalten und zu nutzen.

Das ist kaum mehr als ein Jahr her, als sie mit Harald Geywitz von Telefónica Deutschland in der BASECAMP-Reihe „Nachgefragt!“ über die Frage spricht: „Wie kommt Deutschland aus der Krise in die Transformation?“ Und doch wirkt es wie aus einer anderen Zeit. Denn was kam, war das Krisenmanagement nach dem russischen Angriff auf die Ukraine mit den Folgen von Energieknappheit und Inflation.

Doch trotz der Krisenbewältigung, „die wir so nie erwartet haben“, sei doch einiges aus dem Koalitionsvertrag geschafft worden, wie der höhere Mindestlohn oder die Abschaffung des Paragraphen 219, was jetzt ärztliche Information zur Abtreibung ermöglicht. Als drittes Beispiel nannte Lang das Bürgergeld, dessen Regelsätze aber trotz der Erhöhung um 50 Euro neu berechnet werden müssten, um wirkliche Teilhabe zu ermöglichen.

Nachgefragt mit Ricarda Lang und Harald Geywitz | Foto: Henrik Andree

Die ursprünglichen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, aber gleichzeitig die strukturellen Lehren aus der Krise zu ziehen, sei nun die Aufgabe.

„Plötzlich war vieles aus dem Koalitionsvertrag nicht mehr zeitgemäß“

und musste neu verhandelt werden. Allerdings dieses Mal nicht in Klausur, sondern „auf offener Bühne“, was zu Streit und Nachtsitzungen führte, also genau das, was man vermeiden wollte.

„Wir müssen zurück zur geplanten Zusammenarbeit.“

Im Wahlkampf habe es große Hoffnung auf mehr digitale Umsetzung gegeben, weil das in den Parteiprogrammen endlich eine Rolle spielte. Nach einem Jahr „gibt es eine gewisse Enttäuschung in der Community. Kann Deutschland nicht digital?“, wollte Geywitz von der grünen Parteivorsitzenden wissen. Beim Thema Beschleunigung zeige der Bund auf die Kommunen und Länder, die wiederum verwiesen auf den Bund. Dieses Spiel funktioniere über alle Parteigrenzen hinweg, betonte Lang. An der Planungsbeschleunigung arbeite die Regierung gerade. Bis zum Herbst sollen die rechtlichen Voraussetzungen zu Fristen, Bürgerbeteiligung und Rechtsinstanzen geklärt sein. Der zweite notwendige Faktor sei, die Verwaltung in Bund und Ländern entsprechend auszustatten, auch personell, und weiterzubilden. Als drittes müsse es eine Priorisierung der Vorhaben geben, denn alles gleichzeitig zu transformieren sei nicht möglich.

Nachgefragt mit Ricarda Lang und Harald Geywitz | Foto: Henrik Andree

Die Digitalisierung könne ein „Effizienztreiber“ sein, beim Energiesparen, bei der Mobilität, beim Einspeisen von Strom ins Netz. Wenn Digitalisierung aber größeren Zeitaufwand bedeute, wie derzeit bei der elektronischen Patientenakte, sei die Akzeptanz gering. Wo das Homeschooling oder das Homeoffice gut funktioniert habe, sei die Einstellung zur Digitalisierung heute viel positiver. Für diese digitale Teilhabe müssten Schüler*innen mit Laptops ausgestattet werden. Die Digitalisierung habe für viele die Arbeitsbedingungen, etwa durch Homeoffice, erleichtert. Allerdings dürfe man die Kehrseiten wie die Ausbeutung der Clickworker nicht übersehen. Da müssten Arbeitsgesetzgebung und Gewerkschaften reagieren. Aus dem Publikum kam die Forderung, auch den Arbeitsmarkt für Behinderte besser zu gestalten. Drei Euro Stundenlohn in den Behindertenwerkstätten seien zu wenig.

Nach dem 49-Euro-Ticket gefragt, befürwortete Lang niedrigere Sätze für Sozialleistungsempfänger*innen und Schüler*innen und nannte das 29-Euro-Ticket in Berlin als Beispiel, das allerdings eine zeitlich begrenzte Aktion für alle ist. Schade sei, dass das Ticket nur im Abonnement und nicht für einzelne Reisen zu bekommen sei. Das hätten die Grünen aber „geschluckt“, weil es ein „Riesenfortschritt“ sei, dass die Verkehrsverbünde endlich zusammenarbeiten müssten und der „Tarifdschungel durchbrochen“ sei.

Weitere Impressionen von der Veranstaltung:

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