Nachgefragt! mit Norbert Röttgen:
„Es gibt einen neuen Realismus“
Dr. Norbert Röttgen und Philippe Gröschel | Foto: Frank Nürnberger
Dr. Norbert Röttgen und Philippe Gröschel | Foto: Frank Nürnberger
Veröffentlicht am 26.09.2022
„Wir müssen uns unsere Abhängigkeit bewusst machen“, erklärte der CDU-Politiker Dr. Norbert Röttgen beim morgendlichen Gespräch „Nachgefragt“ im Telefónica-BASECAMP in Berlin-Mitte. Es habe in Deutschland in der Politik und in der Wirtschaft lange eine „Trägheit und Schläfrigkeit“ gegeben, was die Abhängigkeit der Energie-Importe aus Russland betraf. Gegenüber China sollte Deutschland deshalb aufmerksamer reagieren und Widerstandsfähigkeit entwickeln, sagte der Außenpolitiker im Gespräch mit Philippe Gröschel von Telefónica Deutschland über Röttgens Buch „Nie wieder hilflos! Ein Manifest in Zeiten des Krieges“.
Nach Röttgens Ansicht waren viele der Krisen in den vergangenen Jahren absehbar, Flüchtlinge, Pandemie oder Ukraine-Invasion: „Nichts war zwangsläufig“, meint Röttgen. Man hätte sich darauf einstellen und besser reagieren können. Zumindest jetzt sollte man daraus lernen und nicht glauben, dass Deutschland keinen Einfluss hätte.
„Deutschland ist wirklich wichtig, das müssen wir begreifen.“
„Zu blauäugig“ sei die Globalisierung lange Zeit betrachtet worden, deshalb sei er durchaus ein Globalisierungskritiker. Es habe durch die Globalisierung eine enorme Verschiebung von Macht und Arbeit gegeben. Globalisierung rückgängig machen zu wollen, sei kein Ziel, aber ein kritisches Bewusstsein den negativen Auswüchsen gegenüber sei notwendig. Es habe bisher in der Globalisierung kein ökologisches Regulativ gegeben. Für Deutschland sei es wesentlich, seine Nachfragestruktur zu diversifizieren, um nicht in neue Anhängigkeit zu geraten.
In der Politik vermisst Norbert Röttgen eine langfristige Ausrichtung, etwa in der Klimapolitik oder der Sicherheitsstrategie. Die größten Erfolge für den Klimaschutz seien in den Schwellenländern zu erreichen, allerdings müssten die Industrienationen dabei tatkräftige Hilfe leisten, um die entsprechenden Technologien einzuführen. Dass „der Westen“ durch den Krieg in der Ukraine dauerhaft zusammenrücken werde, sieht Röttgen nicht als gegeben an. Die USA werden nicht auf Dauer der wichtigste Sicherheitsgarant für Europa sein, prophezeite Röttgen. Die künftige Sicherheitsstruktur sei eine offene Frage. Zudem habe es in Osteuropa eine tiefe Enttäuschung über Deutschlands Rolle bei der Ukraine-Unterstützung gegeben.
Seit der russischen Invasion in der Ukraine und der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ meint Röttgen in der deutschen Gesellschaft eine große Veränderung wahrzunehmen. „Es gibt einen neuen Realismus“, konstatierte der Politiker im BASECAMP-Gespräch. Die Außenpolitik erlebe dabei eine Renaissance, hatte Gröschel schon zu Beginn des Gesprächs festgestellt.
Weitere Impressionen von der Veranstaltung:
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