Nachgefragt! mit Elin und René: Inklusion real und digital – „Es wäre toll, wenn wir alle was zusammen machen könnten“
Am 4. Bundesweiten Digitaltag am 16. Juni, der in diesem Jahr unter dem Motto „Digitalisierung – Entdecken. Verstehen. Gestalten“ steht, gab es etwas ganz Neues in der „Nachgefragt“-Reihe im BASECAMP von Telefónica Deuthschland in Berlin zum Thema Inklusion: den Auftritt einer Puppe. „Elin“ ist die „Neue“ in der Sesamstraße, wirkt wie die kleine Schwester von „Ernie“ und wird ab Herbst in der NDR-Produktion zu sehen sein. „Elin“ ist ein technikbegeistertes Mädchen und schraubt gern an ihrem Rollstuhl herum, um ihn schneller zu machen. Und „Elin“ ist die Erfindung von René Schaar, dem stellvertretenden Leiter des Bereichs Gleichstellung und Diversity im Norddeutschen Rundfunk.
Denn Schaar, der selbst seit Geburt an einem Arm behindert ist, fragte sich kurz nach Antritt dieses Postens, warum in der schon in seiner Kinderzeit so beliebten Serie kein behindertes Kind vorkomme und sprach mit der Redaktion. In kurzer Zeit wurde die neue Puppe entwickelt und zu Beginn des Jahres in den Medien vorgestellt. Für Schaar ist das eine Möglichkeit, schon bei den Jüngsten alte, immer noch vorhandene Denkmuster über Menschen mit Behinderungen zu bekämpfen, erklärte er Moderatorin Nicole Nehaus-Laug.
Den Begriff „Menschen mit Behinderung“ statt „Menschen mit Einschränkungen“ verwendet Schaar mit Absicht, denn er zeige, dass Behinderte Menschen nicht nur mit der eigenen Behinderung umgehen müssen, sondern dass sie auch in und von ihrer Umgebung behindert werden, z.B. durch Treppen, kaputte Fahrstühle und andere Maßnahmen, die oft mit Gedankenlosigkeit zu tun haben und Menschen in ihrer Teilhabe einschränken.
Doch Inklusion meint nicht nur, dass „das Wegsortieren“, so Schaar, von Behinderten Menschen in eigene Schulen, Wohnheime und Werkstätten aufhören müsse. Inklusion hat auch eine digitale Seite, denn ohne digitale Barrierefreiheit ist für viele Behinderte Menschen wie etwa Blinde die Teilhabe an den Informationen im Netz nicht möglich. Im NDR versucht man, diese Barrierefreiheit auch mit Untertiteln, Kommentaren zur Audio-Unterstützung, Gebärdensprachdolmetscher, Nachrichten in langsamer und leichter Sprache auszubauen. Auch „Elin“ soll nicht nur einen einmaligen Auftritt haben, sondern fester Teil der Truppe sein. Wenn die Gesellschaft oder Unternehmen nur an bestimmten Thementagen über Behinderung diskutieren und dann aber nichts umsetzen, um die Hindernisse zu beseitigen, ist es für Schaar „Diversity Washing“ und kein echtes Bemühen.
Zu seinen Aufgaben im Sender, bei dem Schaar mit einer Ausbildung zum Mediengestalter angefangen hat, gehören aber auch die Probleme der rund 4500 Mitarbeiter*innen bei Fällen von Rassismus, Sexismus, dem Einsatz für behinderte Angestellte oder auch zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf, und zwar sowohl strukturell wie auch persönlich. „Wenn sich ein blinder Praktikant beim NDR meldet, dann begleite ich ihn auch schon mal einen ganzen Tag“, um die Schwierigkeiten herauszufinden und vor allem, wie man sie abstellen kann.
Für die bessere Wahrnehmung von Behinderten Menschen und ihren Problemen hat sich Schaar schon als Auszubildender eingesetzt, nicht nur im Sender. Er gehört auch zu GermanDream, einer überparteilichen Bildungsinitiative, die sich für die Vermittlung von gesellschaftlichen Werten einsetzt, basierend auf dem Grundgesetz, für Demokratie, Toleranz, Pluralismus. Und dazu gehört die Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft. Um dabei nicht nur die eigene Betroffenheit im Blick zu haben, hat er an der Uni Hamburg einen Zertifikatskurs für „Diversity Management“ gemacht und sich auf die Stelle im Gleichstellungs- und Diversity-Bereich im NDR beworben.
Auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 10 (sehr gut), wo liegen wir in Deutschland denn heute, wollte Nehaus-Laug wissen. „Vielleicht bei 4,5“, aber ich bin ungeduldig“, gab Schaar zur Antwort. Und was sollten die nächsten Schritte sein? „Ängste, was falsch zu machen mit Behinderten Menschen, abbauen“, sagte Schaar. Besser ihnen offen Fragen stellen, wenn man welche habe. „Ins Tun kommen und sich mit den gesellschaftlichen Parallelstrukturen beschäftigen.“ Damit der Wunsch von „Elin“ im eingespielten Video wahr wird: „Es wäre toll, wenn wir alle was zusammen machen könnten.“