Nachgefragt! mit Dr. Anna Christmann: Das neue Dateninstitut als agiler Lösungsanbieter: „Klein aber schlagkräftig“
„Warum brauchen wir ein neues Dateninstitut?“, fragte Moderatorin Julia Riess vom Team Government Relations bei o2 Telefónica in der Reihe „BASECAMP Nachgefragt!: Daten teilen leicht gemacht – bringt das Dateninstitut die Lösung?“ ihre beiden Gäste, Dr. Anna Christmann, MdB und Beauftragte für digitale Wirtschaft und Startups im Bundeswirtschaftsministerium, und Michael Cik, Mitbegründer von „Invenium Data Insights“ und Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Graz. „Weil wir einen dringenden Nachholbedarf haben“, antwortete Christmann ganz direkt.
Deutschland stehe im europäischen Vergleich in dieser Hinsicht schlechter da als andere Länder. Dabei sei der Datenschutz nicht das Problem in Deutschland, betont Christmann, denn die DSGVO gelte schließlich auch in anderen Ländern der Europäischen Union. Das neue Institut solle kein anderes ersetzen, sondern auf bestehenden Infrastrukturen aufsetzten und dabei Probleme beim Datenaustausch verschiedener Anbieter aufgreifen und lösen. Es solle „wie eine Spinne im Netz neue Verknüpfungen schaffen“.
Michael Cik betonte, ein neues Institut sei sinnvoll, wenn es wirklich praxisorientiert arbeite und nicht nur neue Pläne erstelle. Cik spricht lieber von Analyse-Ergebnissen anstatt nur von Daten, und unterstrich, dass der Datenaustausch ein stetes Geben und Nehmen sei. Da sei es von Vorteil, wenn es eine zentrale Stelle gäbe, die den Überblick über Datenflüsse habe und auch mal Animositäten zwischen verschiedenen Marktteilnehmern ausgleichen könne.
Christmann meinte, das neue Institut solle helfen, auch mit Daten arbeiten zu können, die andere Akteure nicht herausgeben wollten. Damit sollten Angebote für die Allgemeinheit verbessert werden, zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr, für dessen bessere Planung auch die Daten der Kommunen notwendig seien. Auch im Gesundheitswesen seien Verbesserungen möglich, wenn Daten, die nicht auf den ersten Blick mit diesem Arbeitsgebiet zu tun hätten, einbezogen werden könnten. Hier solle das Institut Wege öffnen und Austausch ermöglichen. Etwa bei der Zusammenarbeit von Stadtwerken mit großen Energieversorgern, könne das Dateninstitut als lösungsorientierte Schnittstelle unterstützen.
Das komplexeste beim Datenaustausch ist für Cik die Standardisierung. Analyse-Ergebnisse könnten nur so gut sein, wie die Datengrundlage als Voraussetzung für die Aufbereitung. Die Standardisierung sei ein zentraler Punkt in der Arbeit des neuen Instituts: „Sonst gibt es keinen Mehrwert und keine neuen Geschäftsmodelle.“
Riess fragte, welchen Vorteil das neue Dateninstitut bieten müsse, damit auch Google seine Daten teile. „Da würde ich meine Energie gar nicht darauf verwenden“, winkte Cik ab, „sondern lieber potenzielle vorhandene Partner fördern.“ Wenn der Austausch durch das neue Institut gut laufe, stoße Google vielleicht von selbst dazu.
Nach dem Aufbau und der Rechtsform gefragt, sagte Christmann: „Uns war es ganz wichtig, dass wir direkt ins Tun kommen.“ Deshalb starte man direkt mit zwei sogenannten Use Cases: Zum einen werde die Deutsche Energieagentur (dena) beauftragt, die zunehmende Zahl der (auch privaten) Energiezulieferer zu erfassen, Verbrauchszahlen zu ermitteln und das Management von „Energienachbarschaften“ von Verbrauchern zu ermöglichen. Zum zweiten wird ein Projekt im Gesundheitswesen ausgeschrieben, das die diffuse Datenlage zu Long-Covid strukturieren soll. Hier können sich Teams bei einer „Challenge“ bewerben, aus der schließlich ein Pilotprojekt ausgewählt wird.
Aus diesen verschiedenen Erkenntnissen solle die Organisationsform des Instituts entstehen, die möglichst flexibel gestaltet werden soll. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt ein Datentreuhändermodell daraus entwickelt. Es solle vor allem „ein Player sein, der in die Umsetzung kommt“, den Vorsprung anderer Länder aufhole und den Datenschutz vereinheitliche, wünschte sich Christmann. Für junge Unternehmen sei ein solches Institut ein großer Startvorteil, da es vor allem bei administrativen und juristischen Fragen beraten und unterstützen könne, sagte Cik.
„Wenn das Ökosystem durch neue Unternehmen durch das Dateninstitut größer wird, würde ich das sehr begrüßen.“
Aus dem Publikum kam eine Frage nach Verbesserung bei der Suche nach Konjunkturdaten aus verschiedenen Bundesländern, in der Christmann gleich einen idealen use case entdeckte: Das Dateninstitut würde bei solchen Anfragen zukünftig unterstützen. Die Frage eines Brandenburgers nach dem Standort des neuen Instituts beantwortete Christmann noch nicht, dämpfte aber Ansiedlungserwartungen:
„Das wird kein Riesenstandort werden, sondern ein kleines und agiles Team: klein und fein, aber schlagkräftig.“