Nachgefragt! 5G und Edge Computing: Dezentrale Datenverarbeitung statt Netzüberlastung
„Die weltweite Datenmenge steigt jährlich um 27 Prozent“, erklärte Marina Grigorian, Berlin Repräsentantin von Telefónica Deutschland, zu Beginn von „Nachgefragt“ im BASECAMP dem Debattenraum von Telefónica. Im Jahr 2025 wird mit einem Datenvolumen von 175 Zettabyte gerechnet. Um die Größenordnung klarzumachen: Ein Zettabyte ist eine Zahl mit 21 Nullen, ein Gigabyte hat „nur“ neun davon. Wie kann man mit dieser enormen Datenmenge arbeiten, und das möglichst in Millisekunden? „Wieso ist (5G) Edge Computing die Schlüsseltechnologie der Zukunft?“, war deshalb die zentrale Frage für die halbstündige Veranstaltung, in der es immer kurz, knapp und pointiert um aktuelle und informative Digitalthemen geht.
Eingeladen, die entscheidende Frage zu beantworten, waren Martin Butz, Director Carrier Management & Roaming bei Telefónica Deutschland, und zugeschaltet Peyman Blumenstengel. Er ist Director of Business Development and Country Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH) bei der finnischen Firma Haltian, die ihren Sitz in Oulu, der nördlichsten Großstadt der Europäischen Union, hat.
„Edge Computing“ bedeutet, die Daten dort zu verarbeiten, wo sie entstehen, dezentral im Mobilgerät, in einem lokalen PC oder Server, am Rand (Edge) sozusagen.
„Edge Computing ist die Antwort auf die Versprechen, die wir mit 5G geben“,
meinte Butz, denn Edge Computing erlaube die Verarbeitung ungeheurer Datenmengen in „Real Time“, ohne die Netze zu überlasten. Dafür sei die bisherige Lichtgeschwindigkeit bei der Datenübertragung zu langsam, beispielsweise für das autonome Fahren. Deshalb werde die Verarbeitung in „Cloudlets“ ausgelagert.
Erste Anwendungen sieht Butz für Edge Computing in den privaten Unternehmensnetzen beispielsweise bei Industrie 4.0. Bei den öffentlichen Netzen werde wohl das Gaming, die Virtual und Augmented Reality zu den ersten Bereichen der Anwendungen für Verbraucher:innen gehören. Das Autonome Fahren, das immer als erstes mit dem Thema verbunden würde, sei für ihn erst der dritte Schritt.
Im Bereich von Firmennetzen bewegt sich das Beispiel der Firma Haltian, das Peyman Blumenstengel skizzierte: Wie man durch Apps und Sensoren „empathische Gebäude“ schafft, damit Mitarbeiter:innen, die sich gut ans Homeoffice gewöhnt haben, Lust bekommen, auch wieder ins Büro zurückzukehren. Mit dieser Frage beschäftigt sich die finnische Firma, deren Gründer früher bei Nokia arbeiteten, bereits seit vier Jahren. In Deutschland wird sie erst jetzt nach den zwei Pandemie-Jahren wirklich gesehen. Die – phasenweise – Rückkehr ins Büro ist den Unternehmen wichtig, um die Firmenkultur und die Identifikation mit dem Unternehmen bei den inzwischen zu Homeoffice-Einzelkämpfern gewordenen Beschäftigten zu erhalten. Dabei soll nicht eine ungeliebte Büropflicht die Kreativität hemmen, sondern ein Bürogebäude, das für die Beschäftigten so angenehm wie möglich gestaltet ist, die Vorfreude auf das Zusammentreffen mit den Kolleg:innen fördern.
Sensoren und Apps erleichtern es, die Gebäude nach dem wahren Nutzungsverhalten zu gestalten. Wie viele Konferenzräume in welcher Größe, wie viele Networking-Areas, wie viele Schreibtische wann, wo und neben wem werden gebraucht und gebucht? Machbar sei dies durch die Erstellung von „digitalen Zwillingen“ der echten Gebäude, so dass die Mitarbeiter:innen ihre Wünsche von außen im Voraus kund tun können. Durch Überprüfung der Nutzung sowie durch direkte anonyme Bewertungen entsteht ein System zur Optimierung des Flächenverbrauchs im Firmengebäude und gleichzeitig die Steigerung des Wohlbefindens aller dort Arbeitenden.
Komplex werde die Anwendung von Edge Computing, wenn es gelte, netzübergreifende Verflechtungen zu erreichen, betonte Butz, wenn beispielsweise beim Autonomen Fahren die Kollisionswarnung des einzelnen Fahrzeugs mit dem ganzen System der Verkehrssteuerung und den anderen Fahrzeugen korreliert werden müsse. Hier müssten ganze „Daten-Ökosysteme“ aufgebaut werden. Ähnliches gelte für das „Internet of Things“ in der Industrie 4.0.
Die große Herausforderung für die Unternehmen sei die Wertschöpfungskette, die durch das Einbinden so vieler Beteiligter „unglaublich lang“ werde, unterstrich Butz. Dass eine Ausweitung des Autonomen Fahrens vom Versuchsbetrieb auf eine flächendeckende Anwendung für alle Fahrzeuge massive Investitionen voraussetze, darin stimmte Butz einem Zuschauer zu. Bei jeder Investition stehe in einem Unternehmen natürlich die Frage nach der Amortisierung im Raum. Aber das sei bei jedem Innovationsschritt so. Dieselbe Frage habe es auch bei der Einführung von 3G gegeben. Edge Computing sei eine Investition, die mit 5G für die nächsten zehn bis 20 Jahre betrachtet werden müsse.
„Wir neigen dazu, heutige Applikationen in die Zukunft zu extrapolieren. Das geht aber nicht“,
bemerkte Blumenstengel. Deshalb seien für alle Startups Innovationshubs wie Telefónicas Wayra so wichtig. Dort könnten völlig neue Apps gedacht und ausprobiert werden.