Nach einem Jahr mit Corona: Wie steht es um Deutschlands Start-Ups

Foto: CC0 1.0, Pixabay User Free-Photos | Ausschnitt angepasst
Foto: CC0 1.0, Pixabay User Free-Photos | Ausschnitt angepasst
Veröffentlicht am 29.01.2021

Foto: CC0 1.0, Pixabay User Free-Photos | Ausschnitt angepasst
Das von einigen befürchtete „Start-up-Sterben“ ist 2020 ausgeblieben. Das Start-up-Barometer 2021 von EY zieht im Gegenteil eine recht positive Bilanz des Corona-Jahres. Auch Florian Bogenschütz, CEO des Telefónica Start-up Accelerators wayra, zeigt sich im Interview zufrieden mit der Performance seiner Start-up-Community.

Im vergangenen Jahr sank Deutschlands Wirtschaftsleistung aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie um fünf Prozent. Der Kreativsektor und Wirtschaftszweige wie das Hotel- und Gastgewerbe sowie der Einzelhandel leiden direkt unter den Lockdown-Maßnahmen. Andere Bereiche haben mit Unsicherheit, Problemen in Lieferketten und einem Nachfragerückgang zu kämpfen. Im vergangenen Frühjahr wurde auch stark diskutiert, wie Corona sich auf Deutschlands jüngste Unternehmen auswirken würde. Die Bundesregierung integrierte entsprechend Unterstützung für Start-ups in ihr Hilfs- und Konjunkturpaket. Der Bundesverband Deutsche Startups begrüßte insbesondere das Ziel von CDU, CSU und SPD, die Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen zu verbessern, die steuerliche Forschungszulage zu stärken sowie das Vergabe- und Insolvenzrecht zu vereinfachen.

Befürchtetes Start-up-Sterben ist ausgeblieben

Aber wie geht es den Start-ups zu Beginn des Jahres 2021 – nach fast einem Jahr in der Pandemie? Um diese Frage zu beantworten, haben wir einen Blick in das aktuelle Start-up-Barometer des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY geworfen. Dessen Expert*innen ziehen bisher eine positive Bilanz: Viele Jungunternehmen hätten zwar mit massiven Problemen gekämpft, das von vielen befürchtete große „Start-up-Sterben“ sei 2020 aber ausgeblieben, schreiben die Prüfer*innen. Entscheidend dafür sei gewesen, dass die Gelder von Investor*innen weiter flossen.

pixabay StartupStockPhotos Laptop Mac Apple
Foto: CC0 1.0, Pixabay / StartupStockPhotos / Ausschnitt bearbeitet

Der Gesamtwert der Investitionen in deutsche Jungunternehmen sei zwar gegenüber 2019 um 15 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro geschrumpft, die Zahl der Finanzierungen aber insgesamt gestiegen. Das heißt mehr Start-ups profitierten von frischem Geld. Dagegen gab es weniger Deals mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro. Von den acht Großinvestitionen im vergangenen Jahr flossen drei in Mobility-Start-ups. Auto1 Group aus Berlin erhielt 255 Millionen Euro von seinen Investor*innen, der Flugtaxi-Entwickler Lilium aus München 218 Millionen Euro und Tier Mobility, ebenfalls ein Berliner Start-up, 212 Millionen Euro. Insgesamt haben sich die Investitionen im Corona-Jahr 2020 jedoch weg von den Mobilitäts-Start-ups und FinTechs hin zu den Branchen Health und e-Commerce bewegt. Die meisten Gelder flossen aber wie im Vorjahr in den Bereich Software & Analytics.

Die regionale Verteilung der großen Investments spiegelt die deutsche Start-up-Landschaft wider. Berlin steht mit einem Investitionsvolumen von 3,1 Milliarden Euro im Jahr 2020 weiterhin an der Spitze. Daneben, schreiben die Prüfer*innen von EY, etabliert sich Bayern als zweitwichtigster Standort (1,51 Milliarden Euro), der Berlin mit seinem Schwerpunkt im Technologiebereich gut ergänze. Geht man nach dem Investitionsvolumen, folgen Nordrhein-Westfalen (196 Millionen Euro), Baden-Württemberg (155 Millionen Euro) und Hamburg (140 Millionen Euro) auf den Plätzen drei bis fünf. Im Gegensatz zu Berlin und Bayern war die Zahl der Start-up-Finanzierungen in diesen drei Regionen 2020 allerdings rückläufig.

Für eine komplette Entwarnung sei es außerdem noch aus einem anderen Grund zu früh, betont Thomas Prüver, Partner bei EY: „Denn aufgrund der ausgesetzten Insolvenzanmeldungspflicht ist nicht klar, wie es tatsächlich um die vielen kleinen Unternehmen steht, die nicht im Investorenfokus stehen und womöglich vollständig mit Eigenmitteln finanziert sind.“

Digitalisierung auf der Agenda nach oben gerutscht

Florian Bogenschütz leitet wayra Deutschland, den Start-up Accelerator von Telefónica. Wayra verbindet junge Unternehmen mit Telefónica und etabliert dabei eine Kundenbeziehung zwischen Konzern und Start-up. „Unsere Start-ups arbeiten also nicht nur mit einem großen Konzern zusammen und können ihre Lösung in einem echten Unternehmensumfeld anwenden, sondern sie generieren dabei auch echten Umsatz“, erklärt Bogenschütz. Auch er zieht im Interview mit uns eine positive Bilanz für 2020:

Wie haben sich die Corona-Pandemie und ihre Folgen bisher auf die Start-ups von wayra ausgewirkt?

Auch in Zeiten von Corona setzt Telefónica weiterhin auf innovative Technologien und das Thema Digitalisierung ist in der Pandemie auf der Agenda eher noch nach oben gerutscht. Trotz all der Schwierigkeiten, die das Jahr 2020 mit sich brachte, waren wir mit unserem Acceleration Programm so erfolgreich wie nie zuvor. Einige der Start-ups haben von Telefónica Folgeverträge erhalten, sodass wir die Entwicklung trotz Corona nachhaltig unterstützen können. Da wir in unserem Acceleration Programm nur Start-ups aufnehmen, die digitale Lösungen anbieten und bereits mit Kunden am Markt arbeiten, hat uns die Pandemie nicht ganz so stark getroffen.

Pressefoto Florian Bogenschütz / wayra Deutschland

Einzig bei unseren Start-ups im Bereich Retail gibt es Verzögerungen, da sie mit unseren physischen Shops zusammenarbeiten, welche weiterhin geschlossen bleiben müssen. Jedoch erkennen wir deutlich, dass digitale Lösungen so viel Aufmerksamkeit erhalten wie noch nie. Unternehmen investieren aktuell massiv in die Digitalisierung und neue Lösungsansätze erhalten wesentlich mehr Aufmerksamkeit, selbst wenn sie noch nicht vollständig ausgereift sind.

Hat die Pandemie die Prioritäten für Kooperationen und Investments verändert?

Wir behalten unsere Investmentstrategie unverändert bei, weshalb sich auch unsere Prioritäten in dem Bereich nicht ändern werden. Wir investieren weiterhin in Start-ups in der Late-Seed-Phase bis hin zur Series A in den Bereichen IoT, Cybersecurity, 5G und viele weitere im europäischen aber auch israelischen Raum.

Das wayra-Deutschland-Team hat die Unsicherheiten der Start-ups bestmöglich abgefedert – unter anderem konnten wir garantieren, dass die Verträge und Auszahlungen nicht durch Corona beeinflusst werden. Darüber hinaus hat wayra Deutschland einen Krisenfond aufgesetzt, um in Start-ups zu investieren, die trotz großen Erfolgspotenzials hart von Corona getroffen wurden. Die Sicherheit, die wir als Hub in Zeiten wie der aktuellen Pandemie geben können, wirkt sich insgesamt attraktiv aus, was das Interesse von Start-ups angeht, Teil unseres Ökosystems zu werden.

Was braucht die deutsche und europäische Start-up-Landschaft, um gut aus der aktuellen Krise zu kommen?

Wir sind der Meinung, dass wir mit der Hilfe in Deutschland und Europa an einer sehr viel früheren Stelle ansetzen müssen. Zum einen sollten wir prüfen, wie wir Gründer*innen schon am Anfang ihrer Karriere besser unterstützen können, also z.B. in den Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen. An vielen entscheidenden Schnittstellen sind die Voraussetzungen nicht optimal und Professor*innen oder auch Beamt*innen mangelt es nicht selten an Know-how für Gründungsvorhaben. Hier können bessere Bedingungen geschaffen werden, z.B. durch Urlaubssemester für Gründungswillige oder durch Aktionen, die dabei helfen, dass die speziellen Situationen von Start-ups in den Ämtern besser verstanden werden und die Wertschätzung steigt.

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion