Monika Grütters und Smudo beim UdL Digital Talk

Cherno Jobatey mit Monika Grütters und Smudo - Wieviel Digitalisierung verträgt die Kultur? Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 21.01.2016

Wieviel Digitalisierung verträgt die Kultur?

Nicht nur Smudo-Fans waren am Mittwoch, 20. Januar, zum ersten UdL Digital Talk in 2016 ins Basecamp von Telefonica gekommen. Moderiert von Cherno Jobatey diskutierte der Sänger der ersten deutschsprachigen Hip-Hop-Band Die Fantastischen Vier vor über 200 Gästen mit Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, über die Auswirkung der Digitalisierung auf den Kulturbetrieb und die Künstler.

Zeitenwandel in der Musikindustrie

Smudo, der seinen Durchbruch Anfang der 90er hatte, ist voll in der digitalen Welt angekommen. Die Texte werden in der Cloud geschrieben, die Promotion läuft über Youtube und andere Soziale Medien und seine Plattenfirma hat er schon lange nicht mehr besucht, weil alles online läuft. Doch die schöne neue Welt hat auch Schattenseiten. Früher kamen 60 Prozent der Einnahmen über die Tonträger, heute ist es nur noch die Hälfte. Und das obwohl in Deutschland noch mehr als zwei Drittel der Musikkäufer bei klassischen Trägermedien wie CDs zugreifen, wie Staatsministerin Grütters betont.

UdL Digital Talk im Telefonica BASECAMP Berlin
Cherno Jobatey mit Monika Grütters und Smudo – Wieviel Digitalisierung verträgt die Kultur? Foto: Henrik Andree

Sorgen machen muss sich der Musiker um sein Einkommen trotzdem nicht: „Wir haben unsere Zielgruppe gezüchtet, als das noch finanzierbar war“, beschreibt der 47-jährige den Zeitenwandel. Die Kulturbeauftragte der Bundesregierung kennt die finanziellen Herausforderungen des Kulturbetriebs, die aus der Flatrate-Mentalität des letzten Jahrzehnts erwachsen sind. Inzwischen sei es jedoch Konsens, dass die künstlerische Leistung einen Wert und einen Preis habe. Da dieser jedoch nicht immer ausreicht, um ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, wird in Deutschland ein Großteil des kulturellen Angebots aus staatlichen Mitteln finanziert. In den USA werden nur 13 Prozent der Kosten für Kulturangebote durch öffentliche Gelder übernommen, so Grütters, in Deutschland kehrt sich das Verhältnis um.

Staat finanziert künstlerische Freiheit

Die CDU-Politikerin verweist darauf, dass man sich mit der deutschen Geschichte bitter die Erkenntnis erarbeitet habe, dass die Freiheit der Kunst die Gesellschaft wach hält. Künstler sollen deshalb nicht aus finanziellen Gründen gefallen müssen, sondern auch unbequem sein dürfen, stellt die in Berlin direkt gewählte Abgeordnete klar. Sorgen um die künstlerische Freiheit macht sie sich dennoch, denn durch Google entstehen Datenmonopole und die können wiederum zu Meinungsmonopolen führen.

UdL Digital Talk im Telefonica BASECAMP Berlin
Cherno Jobatey mit Monika Grütters und Smudo – Wieviel Digitalisierung verträgt die Kultur? Foto: Henrik Andree

Dass die Politik angesichts der technischen Entwicklungen mit der Regulierung hinterherhinkt, darin waren sich die beiden Redner einig. Grütters gab allerdings zu bedenken, dass das Urheberrecht aus der analogen Welt ein wichtiger Emanzipationsschritt war, der nun in die digitale Welt überführt werden muss, um die Künstler abzusichern. Eine Errungenschaft, auf die die Ministerin immer wieder verweist, ist die Künstlersozialversicherung. Künstler und Publizisten zahlen seit der Einführung 1983 hierzulande trotz Selbständigkeit nur die Hälfte der Sozialabgaben. Die andere Beitragshälfte wird durch einen Bundeszuschuss und eine Abgabe der Unternehmen finanziert, die künstlerische und publizistische Leistungen verwerten.

Verwertungsgesellschaften als Interessenvertreter

Verwertung war eines der großen Themen des Abends. Staatministerin Grütters nahm die oft gescholtenen Verwertungsgesellschaften in Schutz und stellte die Vorteile des deutschen Systems heraus. Unterstützung erhielt sie dabei auch von Smudo. Gerade die Gema, die sich im Dauerstreit mit Youtube, für eine angemessene Entlohnung der Künstler stark macht, sei ein Interessenvertreter für alle Musikschaffenden – auch gegenüber den Nutzern, bestätigte der Sänger.

Bevor das Publikum sich zu Wort meldete, fragte Moderator Jobatey, welche Lehren die Verlagsbranche, die noch am Anfang der Digitalisierung steht, aus der Entwicklung der Musikindustrie ziehen könne. Während Grütters ganz optimistisch ist, dass durch die Kooperation von Verlagen und Buchhandel ein guter Weg eingeschlagen wurde, ist Smudo skeptisch. In der Musikindustrie sei die Entwicklung eigener Trägerformate ein Weg gewesen, der zu mehr Unabhängigkeit geführt habe.

Politischer Handlungsbedarf bei ebooks

In Deutschland liegt der Marktanteil von ebooks inzwischen bei rund 16 Prozent, aber die politischen Rahmenbedingungen sind noch nicht an alle Anforderungen des neuen Formats angepasst, räumt die studierte Germanistin, Kunsthistorikerin und Politologin ein. Auf Grütters Agenda stehen neben der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf das Niveau der gedruckten Bücher, auch die Regelung für Privatkopien und die Verleihbarkeit von digitalen Gütern. Eine Abgabe auf Vervielfältigungs- und Speichermedien gibt es bereits, ob diese an die neuen technischen Möglichkeiten angepasst werden kann, ist noch unklar.

Digitalsprechstunde bei Smudo

Das Publikum hakte zum Ende der Veranstaltung noch einmal nach: Profitieren Künstler ausreichend von der Arbeit der Verwertungsgesellschaften und hat Youtube nicht auch positive Werbeeffekte gerade für junge Künstler? Smudo hielt dem entgegen, dass der Druck auf den Künstler wächst, nicht nur auf der Videoplattform, sondern auch auf anderen Kanälen kostenfrei präsent zu sein. Für den Musikprofi ist klar: In einem immer kleinteiligeren Business muss ein Künstler bei kostenfreien Angeboten enge Grenzen setzen, sonst verpufft der Werbeeffekt und man zahlt drauf. Aber ansprechbar ist der Künstler auf jeden Fall: er habe jederzeit Sprechstunde via Twitter – das ist doch mal ein Angebot.

UdL Digital Talk im Telefonica BASECAMP Berlin
Cherno Jobatey mit Monika Grütters und Smudo – Wieviel Digitalisierung verträgt die Kultur? Foto: Henrik Andree

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