Moderne Verwaltung: Interview mit Sabine Schwittek (Initiative Verwaltungsrebellen)
Wie können Behörden innovativer und digitaler werden? Mit dieser, auch für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes relevanten Frage beschäftigt sich unter anderem der Preis für gute Verwaltung, der dieses Jahr am 14. Oktober verliehen wird. Mit Sabine Schwittek, Jurymitglied des Preises und Mit-Gründerin der Initiative Verwaltungsrebellen, haben wir darüber gesprochen, was es für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltungen braucht.
Frau Schwittek, Sie sitzen in der Jury des diesjährigen Verwaltungspreises. Wie gelangt man dorthin und was ist das Ziel des Wettbewerbs?
Man wird von netten Menschen gefragt, ob man mitmachen möchte, und sagt natürlich gern ja (grinst). Bei dem Preis für gute Verwaltung geht es darum, Projekte und Akteur:innen sichtbar zu machen, die sich für eine menschenzentrierte Verwaltungsarbeit einsetzen.
Es gibt ja schon so viele Stimmen, die aufzeigen, was Verwaltung alles nicht kann und nicht schafft. Aber Verwaltung hat auch eine andere Seite. Es gibt dort viele engagierte Leute, die aus Überzeugung für das Gemeinwohl arbeiten und etwas bewegen möchten für die Bürger:innen – oder auch für ihre Kolleg:innen in den Verwaltungen. Solchen Leuten eine Plattform zu geben, ist ja letztlich auch die Idee unserer Initiative Verwaltungsrebellen, und daher freut es mich sehr, in der Jury dabei zu sein.
Was hat es mit Ihrer Initiative Verwaltungsrebellen auf sich?
Inspiriert haben uns die Corporate Rebels, die sich irgendwann entschlossen haben, durch die Welt zu ziehen, mit Pionier:innen einer neuen Arbeitswelt zu sprechen und darüber zu bloggen. „So etwas müsste es auch für Verwaltungen geben – Verwaltungsrebellen, haha!“, haben meine Kollegin Dorothea Herrmann und ich 2019 mehr im Spaß gesagt. Dann haben wir uns angeguckt und gedacht: Warum eigentlich nicht? Und so haben wir angefangen, mit veränderungsfreudigen Menschen in Verwaltungen zu sprechen und über sie zu bloggen.
Naja, und das hat eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Dann kam zum richtigen Zeitpunkt das Förderprogramm „Regionale Open Government Labore“ des Bundesinnenministeriums daher, und wir haben gemeinsam mit dem Kreis Wesel und den Städten Essen und Lünen das Projekt „Verwaltungsrebellen-Labor“ gestartet. Das hat uns ermöglicht, verschiedene Formate auszuprobieren, mit denen sich Verwaltungsrebell:innen vernetzen, gegenseitig stärken und voneinander lernen können: Meetups, eine Vernetzungsplattform, das kollegiale Fortbildungsprogramm „KIWI“, das Lernzirkel-Format „ALEx“, das Verwaltungsrebellen-Camp. Wissen und Material rund um diese Formate teilen wir in der Community und über unseren Blog, so dass sie weiterlaufen, auch wenn das Projekt mit diesem Jahr endet.
Wie sollte eine moderne Verwaltung aufgestellt sein, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden – gerade angesichts von Herausforderungen wie der Digitalisierung oder dem Fachkräftemangel?
Darüber haben schon viele Menschen viele kluge Dinge geschrieben. Zum Thema Digitalisierung verweise ich zum Beispiel gern auf das Manifest für eine richtig digitale Verwaltung von Simone Carrier und Jan-Ole Beyer. Zum Thema Fachkräftemangel hat Christian Zierau kürzlich eine Zusammenfassung geliefert, die mir gut gefällt.
Ich glaube, wichtige Stellschrauben sind die Art, wie Verwaltung für sich selbst wirbt: mit „Stabilität“ und dem „sicheren Arbeitsplatz“. Und die Art, wie Menschen in Verwaltungen sozialisiert bzw. „eingenordet“ werden – Regeln und Hierarchiewege einhalten, Fehler vermeiden, „mit Veränderung gewinnst du hier keinen Blumentopf“. Eine moderne Verwaltung braucht aber nicht nur Stabilität, sondern auch Bewegung. Sie könnte noch stärker mit einer sinnstiftenden Tätigkeit auftrumpfen, um engagierte Quereinsteiger:innen anzuziehen, die etwas bewegen wollen.
„Aber auch in den Verwaltungen ist bereits viel Potential und Wissen vorhanden, um sie moderner aufzustellen. Doch diese Akteur:innen laufen in den bestehenden Strukturen oft gegen Wände und geben irgendwann auf – oder gehen. Ihnen Türen zu öffnen, sie wertzuschätzen, zu ermutigen und zu stärken, das kann aus meiner Sicht eine tolle Berufung für Führungskräfte in Verwaltungen sein.“
Was sind die Gründe dafür, dass Veränderungen hin zu einer digitalen Verwaltung oft nicht so schnell wie erhofft stattfinden?
Zu viele, als dass ich sie hier seriös in drei Sätzen zusammenfassen könnte. Daher nur ein Schlaglicht aus der Perspektive „Organisationskultur“: Ich erlebe es oft so, dass hinter den Umsetzungsschwächen auch eine Stärke steckt – aber eben zu viel des Guten: Man möchte alles richtig, am besten perfekt machen. Alle Sonderfälle berücksichtigen, alle Gremien einbeziehen, alle Interessen befriedigen. Das ist ja im Prinzip ein guter Wille. Doch es ist auch ein Teufelskreis – beim Versuch, die Komplexität zu beherrschen, wird alles immer noch komplexer. Und die Nutzer:innen geraten dabei aus dem Blick.
Was haben Digitalisierung und agile Arbeitsmethoden miteinander zu tun?
Sogenannte „agile“ oder auch nutzerzentrierte Arbeitsmethoden holen die Nutzerperspektive von Anfang an ins Boot. Stellen das Warum und Wozu an den Anfang, bevor man anfängt, über digitale Lösungen zu sprechen. Sie fördern ein iteratives, experimentierendes Vorgehen – also „Ausprobieren statt Ausdiskutieren“. Sie ermuntern zu einer Form der Zusammenarbeit, bei der man auf Augenhöhe gemeinsam anpackt und lernt.
Ich habe den Eindruck, dass solche Methoden auch Werte wie Vertrauen, Mut und Menschlichkeit stärker in den Fokus rücken. Genau darum geht es ja auch beim Verwaltungspreis. Trotzdem sind die Methoden zwar leicht erklärt, aber nicht leicht umzusetzen – das gilt übrigens nicht nur für die Verwaltung. Weil sie eine andere Haltung zugrunde legen, als die klassische Verwaltungssozialisierung bisher fördert. Doch da kommt zunehmend etwas in Bewegung – auch dank der vielen Rebell:innen in den Verwaltungen.
Wie können Innovationen in den oft hierarchischen Behördenstrukturen stärker gefördert werden? Kann politisch da aus Ihrer Sicht noch mehr getan werden?
Aus politischer Sicht würde mich freuen, wenn mehr in dauerhafte Strukturen investiert würde, statt in presswirksame, teure Einzelaktionen und innovative Leuchttürme. Und wenn Know-how und Ressourcen, die es für Digitalisierung und andere Innovationen braucht, verstärkt innerhalb der Verwaltung aufgebaut würden, statt sie teuer von draußen einzukaufen.
„Ich habe nicht den Eindruck, dass es in den Verwaltungen an guten Ideen mangelt, sondern an der Umsetzung. Dafür braucht es Leute, die nicht unbedingt selbst technische Lösungen entwickeln können, aber die nötige Auftraggeberkompetenz mitbringen, um Dienstleister und Projekte zu steuern. Leute, die Veränderungsprozesse begleiten und moderieren. Leute, die veränderungsfreudige Menschen vernetzen und stärken und neue Arbeitsmethoden ins Spiel bringen.“
Viele Verwaltungen siedeln solche Kompetenzen in zentralen Innovationslaboren, Veränderungsbüros oder Digitalisierungseinheiten an. Damit das keine Inseln der innovativen Glückseligkeit bleiben, finde ich wichtig, dass diese Einheiten Hilfe zur Selbsthilfe leisten und Know-how multiplizieren. Also im Grunde das Ziel verfolgen, sich überflüssig zu machen. So praktizieren wir das übrigens auch im Verwaltungsrebellen-Labor.
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