Modder und die Spieleindustrie: Ein Tauziehen um Anerkennung, Eigentums- und Nutzungsrechte
Mit einem weltweiten Umsatz von circa 67 Milliarden US Dollar im Jahre 2012 und einem voraussichtlichen Umsatz von 82 Milliarden US Dollar 2017 ist die Computerspieleindustrie über die Jahre hinweg zu einer der größten, umsatzstärksten Unterhaltungsindustrien der Welt herangewachsen. Akteure in der Branche kämpfen jedoch mit einer unübersichtlichen Rechtslage, die es erschwert, Spielkonzepte vor potentiellen Copycats (Nachahmern) zu schützen. Steigende Entwicklungskosten und dementsprechend harte Vorgaben von Verlegern tragen darüber hinaus dazu bei, dass es zunehmend riskanter wird, Neues zu wagen. In einer solch wettbewerbsintensiven Branche führt dies zu einer verstärkten Risiko-Aversion und Verlass auf altbewährte Konzepte. Es steht viel auf dem Spiel, und Entwickler stehen unter ständigem Druck, den nächsten Blockbuster zu liefern. Anstatt den Wettbewerb anzuregen und für ein vielseitiges Angebot zu sorgen, erscheinen Originalität und Innovation zunehmend als Wagnis. Manche behaupten daher, dass Innovation in der Branche längst nicht mehr innovativ ist.
Wenig erstaunlich erscheint in Anbetracht dessen also die Tatsache, dass von Nutzern angetriebene Innovation in den letzten Jahren eine zunehmend wichtige Rolle für die Branche gespielt hat. Parade-Beispiele wie Counterstrike, eine von Nutzern geschaffene Erweiterung (Mod) für das beliebte PC Spiel Half Life, die sich bisher 4,2 Millionen Mal verkauft hat, belegen die finanzielle Bedeutung, die solche nutzergenerierten Inhalte haben können. Während viele User sich der wirtschaftlichen Tragweite ihrer Aktivitäten zusehends bewusst werden, versuchen Entwicklungsstudios, die Eigentumsrechte an jeglichen Inhalten für sich zu behalten. Auf den ersten Blick scheint es also so, als würde nur eine Seite profitieren.
Die nützlichen Nutzer
In gewisser Hinsicht sind Modder für Computerspiele, was Hacker für die Entwicklung des PCs waren. Modder tüfteln jedoch nicht mit der Hardware eines Geräts, sondern mit dem Code eines Spiels. Sie beabsichtigen das Spiel entweder so zu modifizieren, dass es ihren eigenen Vorstellungen entspricht. Oder sie lassen ein neues, eigenständiges Spielerlebnis entstehen, welches mit dem Original nur noch den Quellcode gemeinsam hat. Kraft ihrer Beschäftigung sind Modder so zu einer ständigen Innovationsquelle geworden. Über den rein inhaltlichen Beitrag hinaus haben nutzergenerierte Inhalte außerdem einen positiven Effekt auf die Langlebigkeit eines Spiels, da sie das Interesse daran über den gewöhnlichen Zyklus hinaus aufrechterhalten. Hinzu kommt, dass die Mods zum Teil als Indikatoren für sich abzeichnende Trends funktionieren und Entwickler auf Mängel und Programmfehler aufmerksam machen. Vor allem aber liefern sie eine ständige Flut an kostenlosen wertvollen Inhalten. Gewissermaßen lassen sich Modder daher vielleicht als Lead User beschreiben.
Good Governance heißt Kompromissbereitschaft
Viele Entwicklungsstudios haben die offensichtlichen Vorteile erkannt, die es mit sich bringt, Moddern einen gewissen Handlungsfreiraum einzuräumen und unterstützen die Aktivitäten kreativer Nutzer seit geraumer Zeit aktiv. Nichtsdestotrotz sind Akteure in der Branche darauf bedacht, rechtlichen Anspruch auf die erschaffenen Inhalte zu erheben und die Nutzungsmöglichkeiten der bereitgestellten Inhalte einzuschränken. Anhand verschiedener vertraglicher Abkommen, wie etwa sogenannter End User License Agreements (EULAs) und Terms-of-Service-Abkommen, versuchen Entwickler, die kreativen Aktivitäten der Nutzer in ihren virtuellen Welten zu regulieren.
Angesichts des innovativen Potenzials und auch der zunehmenden finanziellen Bedeutung von Mods und nutzergenerierten Inhalten sind Entwickler allerdings gut beraten, eine Strategie der Good Governance zu verfolgen; das heißt, einen Kompromiss zwischen ihren eigenen Interessen und denen ihrer Nutzer anzustreben. Dies beruht nicht zuletzt darauf, dass die Effektivität solcher Strategien in großem Maße davon abhängt, ob diese von Nutzern als legitim empfunden werden. Unter den Moddern selbst gibt es dazu einen regen Diskurs über den angemessenen Platz des Modding im Verhältnis zur Industrie. Das Bewusstsein dafür, wie wichtig ihr Schaffen für die Branche ist, nimmt dabei stetig zu. Während Teile der Community Modding als Handwerk definieren, sich also lieber als unabhängig von kommerziellen Strukturen einordnen und sich selbst eher als Teil einer moralischen Ökonomie verstehen, wird die Grenze zwischen Amateuren und professionellen Entwicklern immer unschärfer. Hector Postigo schreibt dazu: “Today modding culture is in transition. Discourses […] and the technologies used to develop mods now explicitly serve to orient modding toward a more embedded place in the whole of game development.” (Postigo, 2010). Wichtige Fragen werden also in Zukunft sein, wie sich Modder im Verhältnis zur Industrie positionieren, wie sie ihre eigene Kreativität wertschätzen und folglich wie beide Seiten – Produzenten und Konsumenten – ihr jeweiliges Verständnis von Eigentums- und Nutzungsrechten in Einklang bringen.
Beteiligungsmodelle könnten den Weg weisen
Zunehmende Professionalität innerhalb der Modding-Community und ein wachsendes Bewusstsein für die finanzielle Bedeutung ihrer ‘Arbeit’ wird sicherlich Stoff für kommende Debatten über eine faire und rechtmäßige Verteilung von Eigentums- und Nutzungsrechten liefern. Hector Postigo argumentiert, “Modding culture, if anything, is often very conscious of the system within which it flows. Of late it has become increasingly aware that its participation is part of big business.” (Postigo, 2010) Wenn Entwickler auch in Zukunft Zugriff auf das kreative Potenzial ihrer Nutzer haben und deren fortwährendes Interesse am Erschaffen neuer Inhalte aufrechterhalten wollen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie ihre Regulierungsstrategien offener und inklusiver gestalten müssen. Die andauernde Verrechtlichung des Verhältnisses zwischen Nutzer und Produzent in Form verschiedener Lizenzabkommen könnte dabei tatsächlich auch einen bestärkenden Effekt auf den Nutzer haben. Anstatt lediglich die Pflichten kreativer Nutzer zu definieren, könnten solche Abkommen in Zukunft verstärkt auch ihre Rechte festhalten.
Die E-Plus Gruppe unterstützt das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft beim Aufbau einer Plattform zu Fragen der Internet-Regulierung. Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen dieser Kooperation auf UdL Digital.