Mobilfunkausbau: Streit um 5G-Versteigerung und lokales Roaming
Die Versteigerung der 5G-Frequenzen soll noch im Frühjahr 2019 beginnen, plant die Bundesnetzagentur (BNetzA). Doch sowohl Telekommunikationsunternehmen als auch die Politik kritisieren die Rahmenbedingungen für den Mobilfunk-Ausbau im Allgemeinen und für die Frequenzversteigerung im Besonderen. Sie ergreifen nun verschiedene Initiativen: mit Klagen, einer möglichen Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sowie dem Vorschlag einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft.
Bereits am 26. November hatte die BNetzA nach einer Konsultationsphase ihre Entscheidung über die Vergabe- und Auktionsregeln veröffentlicht. Diese sollen einerseits den Einstieg neuer Anbieter in den Mobilfunkmarkt ermöglichen, andererseits durch die Abdeckung von 98 Prozent aller Haushalte pro Bundesland bestehende Funklöcher stopfen.
Unternehmen klagen gegen BNetzA
Wegen dieser Vergaberegeln haben insgesamt neun Unternehmen im Dezember beim Verwaltungsgericht Köln gegen die BNetzA Klage eingereicht: EWE TEL, NetCologne, Wilhelm.tel, Williy.tel, Telefónica, 1&1 Drillisch, Deutsche Telekom, Vodafone, Mobilcom-debitel/freenet. Bereits den Entwurf der Vergaberegeln von September hatten sie kritisiert, insbesondere die Punkte zum nationalen und lokalen Roaming sowie eine mögliche Diensteanbieterverpflichtung. Die drei bestehenden Mobilfunknetzbetreiber (Telefónica, Telekom Deutschland und Vodafone) lehnen Vorgaben ab, die sie zwingen würden, ihre Netze anderen Anbietern – entgeltlich – zu Verfügung zu stellen. Investitionen in den Netzausbau lohnten sich unter solchen Umständen nicht mehr, so das Argument. Viele Diensteanbieter oder potenzielle Neu-Einsteiger ohne eigene Mobilfunkinfrastruktur hingegen wünschen sich solche Auflagen von der BNetzA. United Internet etwa plant laut einem Bericht der Wirtschaftswoche, als Nummer Vier in den Markt der Mobilfunkbetreiber einzutreten.
Die BNetzA hat bisher auf eine klare Zugangsverpflichtung verzichtet. Zur Begründung heißt es, eine solche Verpflichtung setze „das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht auf Seiten der Netzbetreiber [voraus]. Diese ist bislang [nicht] festgestellt worden“. Statt einer „Zugangsverpflichtung“ legt die BNetzA den Unternehmen nun lediglich ein „Verhandlungsgebot“ auf: „Zuteilungsinhaber haben […] über die Mitnutzung bestehender bundesweiter Netze [beziehungsweise von Funkkapazitäten] zu verhandeln, sobald ein bundesweiter Mobilfunknetzbetreiber hierfür Bedarf äußert.“ Ein solches Verhandlungsgebot stelle keinen Kontrahierungszwang durch die BNetzA dar, sie nehme in diesen Fällen lediglich eine Rolle als „Schiedsrichter“ ein. Wie genau Verhandlungsgebot und Schiedsrichterrolle in der Praxis aussehen, ist allerdings noch unklar.
Die Netzbetreiber wenden sich nun mit ihren Klagen gegen die bestehenden rechtlichen Unklarheiten und aus ihrer Sicht unrealistische Ausbau-Vorgaben. So seien die nun zu versteigernden Frequenzbänder für die Flächenversorgung gänzlich ungeeignet, erst in den kommenden Jahren würden entsprechende Trägerfrequenzen frei. Ob sich der Zeitplan für die Versteigerung durch die Klagen verschiebt, ist unsicher. Zunächst halten sich die Unternehmen nun zumindest die Option offen, die anstehende Versteigerung durch entsprechende Anträge bis zur endgültigen juristischen Entscheidung ruhen zu lassen. Solch eine juristische Klärung sei ein „ganz normaler Prozess“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende des BNetzA-Beirats, Olaf Lies, gegenüber dem Tagesspiegel. „Damit wird allerdings der Druck auf die Änderungen des Telekommunikationsgesetzes erhöht.“
Lokales Roaming gegen Funklöcher
Ein aktueller Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG), der dem Tagesspiegel Politikmonitoring vorliegt, könnte mit Blick auf lokales Roaming Klarheit schaffen. Er fügt dem TKG einen § 64a „Lokales Roaming, Zugang zu aktiven Netzkomponenten“ hinzu. Dieser würde die BNetzA dazu ermächtigen, „Unternehmen, die in einem lokal abgrenzbaren Gebiet öffentliche Mobilfunknetze bereitstellen, auf Antrag dazu [zu] verpflichten, Roaming im Sinne des § 21 Absatz 2 Nummer 4 [TKG] in diesem lokal abgrenzbaren Gebiet zu ermöglichen“. Der Gesetzentwurf soll laut Begründung Artikel 61 Absatz 4 und 5 des Europäischen Kodex‘ für die elektronische Kommunikation in nationales Recht umsetzen. Ziel ist, unter besonderen Voraussetzungen durch Anordnung der BNetzA lokales Roaming in einem Gebiet mit äußerst lückenhaftem Zugang für Endnutzer zu ermöglichen. Auf diese Weise könnten etwa Handynutzer in Funklöchern ihres eigenen Anbieters auf die Netze der Mitbewerber zurückgreifen.
Eine entsprechende Änderung des TKG zu lokalem Roaming, um Funklöcher anbieterübergreifend zu schließen, ist bereits seit einiger Zeit im Gespräch. Zuletzt hatten mehrere Vize-Fraktionsvorsitzende der Regierungsparteien in einem gemeinsamen Brief die Bundesregierung gebeten, einen Vorschlag vorzulegen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte der Deutschen Presse-Agentur, Experten der Regierung machten sich nun „Gedanken wegen einer Novelle des Telekommunikationsgesetzes“.
Kritik an einer solchen TKG-Änderung kommt derweil von der BNetzA selbst. In einem Schreiben an die Bundesministerien für Wirtschaft und für Verkehr von Anfang Dezember, über das zuerst die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, warnt die BNetzA: Die mitten in den Vorbereitungen auf die Frequenzversteigerung geplanten Auflagen würden „erhebliche Rechtsunsicherheiten verursachen und das Auktionsverfahren gefährden“. Dabei steht weniger die Ermächtigung der BNetzA zur Anordnung von lokalem Roaming an sich zur Diskussion, denn die erfordert der Europäische Kodex für die elektronische Kommunikation ohnehin. Allerdings hat die Bundesregierung laut der entsprechenden EU-Richtlinie noch bis Dezember 2020 Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen. Eine entsprechende Änderung des TKG noch vor der Versteigerung bedeutete jedoch einen knappen Zeitplan. Gegebenenfalls könnten die Änderungen auch im Rahmen des 5. TKG-Änderungsgesetzes erfolgen, das der Bundestag am 13. Dezember in erster Lesung an den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur überwiesen hat. Auf dessen Tagesordnung für den 16. Januar ist das Gesetz allerdings noch nicht aufgeführt.
Die Opposition im Parlament kritisiert derweil das Vorgehen der Regierung mit Blick auf Frequenzvergabe und 5G-Ausbau:
„Statt von Beginn an die zwingend erforderliche Rechtssicherheit des Verfahrens zu gewährleisten, haben Union und SPD auf einen bunten Strauß an unrealistischen und unstimmigen Forderungen gesetzt“,
erklärt der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Sitta. Er fordert stattdessen eine „große Novelle des Telekommunikationsgesetzes unter Einbeziehung aller Stakeholder“.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) spricht sich in einer Erklärung für lokales Roaming aus. Auch der Deutsche Landkreistag fordert entsprechende Vorschriften:
„Sollten weitergehende Auflagen [durch die BNetzA derzeit] aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht möglich sein, müssten andere Instrumente wie eine Änderung des Regulierungsrechts oder Fördermaßnahmen die Flächendeckung sicherstellen“.
Infrastrukturgesellschaft und Ausblick
Für solche zusätzlichen Fördermaßnahmen des Staates spricht sich nun die CSU-Landesgruppe im Bundestag aus, zusätzlich zu einer lokalen Roamingverpflichtung. Eine staatliche Infrastrukturgesellschaft solle überall dort Mobilfunkmasten errichten,
„wo der wirtschaftliche Ausbau nicht funktioniert oder sich private Mobilfunkbetreiber nicht in der Lage sehen, eine funktionierende Versorgung sicherzustellen“.
So steht es im Beschluss „Deutschland an der Spitze halten – Innovationsführerschaft stärken, Innovationsgerechtigkeit schaffen“, den die Landesgruppe auf ihrer Klausurtagung im Kloster Seeon vom 3. bis 5. Januar verabschiedete. Die Mobilfunkbetreiber sollen bei den Mobilfunkmasten der Infrastrukturgesellschaft mit einer Anschlussverpflichtung belegt werden und Gebühren entrichten, um die staatlichen Investitionen zu refinanzieren.
Die CSU-Pläne bestätigen aus Sicht von Bundesnetzagentur-Chef Jochen Homann, dass „es ganz ohne öffentliches Geld keine vollständige Flächenabdeckung geben wird“. Allerdings führten mehrere Wege zum Ziel: „Die Netzinfrastrukturgesellschaft steht neben klassischen Fördermodellen und dem innovativen Vorschlag einer Negativauktion der sogenannten weißen Flecken.“ Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, wünscht eine „unabhängige Prüfung“. Wenn diese ergebe, dass eine staatliche Netzinfrastrukturgesellschaft „besser und kostengünstiger arbeiten kann, dann sollte man das versuchen“. Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), Uwe Brandl, ist bereits überzeugt, dass eine staatliche Institution deutlich schneller zu Ergebnissen führen werde, als wenn der Ausbau „dem freien Spiel der Kräfte“ überlassen würde.
Die stellvertretende digitalpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Saskia Esken, beobachtet derweil einen Stimmungswechsel im Umgang mit den Mobilfunkanbietern. Die Politik werde ungeduldiger, dies könne man auch an den Vereinbarungen ablesen, die im Koalitionsvertrag stehen. „Wir wollen nicht mehr die Zeche zahlen für die Versäumnisse beim Netzausbau“, so Esken. „Die Leute beschweren sich schließlich am Ende vor allem bei uns.“
Noch bis zum 25. Januar 2019, 15:00 Uhr, können schriftlich Anträge auf Zulassung zur Auktion bei der BNetzA gestellt werden.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Torben Klausa schreibt über Themen der Digital- und Netzpolitik sowie zur IT-Sicherheit.