Mit der Crowd dem Verbrechen auf der Spur
„Liebe Gerechtigkeits-Anhänger…“ Mit Worten wie diesen wendet sich die Polizeidirektion Hannover an die 112.000 Anhänger ihrer Facebook-Fanpage. Es werden unter anderem Fotos von gestohlenen Fahrrädern gepostet oder eine Suche nach Zeugen gestartet – mit dem Erfolg, dass Fahndungshelfer die Aufrufe fleißig über Facebook teilen und Hinweise geben. Im Gegenzug informiert die Polizei mit ihrem seit März 2011 kreierten Account ihre Facebook-Fans z.B. über geplante Geschwindigkeitsmessungen mit genauer Ortsangabe inklusive dem Appell „Fahrt vorsichtig!“ oder über Nachwuchskampagnen.
Auch andere Länder nutzen erfolgreich die Unterstützung der Netzöffentlichkeit für ihre Ermittlungen: 587.000 Follower hat beispielsweise der Twitteraccount der spanischen Polizei, die mehrmals täglich die Timeline mit Aufrufen, Fotos und Videos füllt. Im Vergleich dazu fällt die UK Police zahlenmäßig deutlich ab, dafür können aber lokale Polizeidirektionen wie die Polizei von Manchester mit rund 135.000 Followern punkten.
Der Ton macht die Follower
Neben der lokalen Verankerung scheint in Manchester aber vor allem der Humor der Freunde und Helfer für den Erfolg des Crowdsourcing-Projektes zu sorgen. Neben den ernsten Botschaften findet sich dort auch sehr Unterhaltsames, etwa wenn das Polizeipferd Molly eine Dusche vor dem Ausritt anlässlich einer großen Demonstration spendiert bekommt. Auch die spanischen Kollegen stehen dem nicht nach, wie deren Reaktion – ausnahmsweise in deutscher Sprache – auf eine unvorteilhafte Reportage der Bild-Zeitung über Kriminalität auf Mallorca belegt:
#Mallorca ist immer noch so wunderbar wie immer. 3.600 Polizeibeamten sorgen für einen sicheren #Urlaub. Wir warten auf Sie!
Weniger Erfolg hat im Vergleich dazu die Polizei in Dresden, deren Account derzeit knapp 600 Follower hat. Die geringe Reichweite hat allerdings weniger etwas mit der Popularität des Microblogging-Dienstes in Deutschland als mit der Art der Ansprache in den Tweets zu tun:
PD Dresden – Brandstiftung u.a.
bit.ly/1di6zqP #dresden
PD Dresden – Zwei Autos angesteckt, Schuppen aufgebrochen u.a.
bit.ly/1fgjeq3 #dresden
Hier wurde das Prinzip der digitalen Kommunikation noch nicht ganz verinnerlicht, und entsprechend scheint es eher gemorst als getwittert. Deutlich bürgernäher ist die Facebook-Redaktion der Polizei Hannover. Neben den Facebook-Hashtags gibt es dort auch mal ein Smiley, um sich für eine gelungene Ermittlung zu bedanken.
Fahndungsermittlungen haben datenschutzrechtliche Grenzen
Die locker geschriebenen Posts aus Hannover sind Teil einer zunächst als Pilotprojekt gestarteten Initiative des Landes Niedersachsen, das als Pilot-Bundesland den Einsatz des sozialen Netzwerks zu Fahndungszwecken getestet hatte. Durch die Hinweise von Facebook-Nutzern konnten nach Angaben der Behörden bereits mehrere Fälle gelöst werden, darunter Ermittlungen zu Körperverletzungen, Diebstählen und Vermisstenanzeigen.
Allerdings hat es mit dem Projektbeginn auch skeptische Töne gegeben, insbesondere vom Landesdatenschutzbeauftragten Joachim Wahlbrink. Er bemängelte gleich mehrere datenschutzrechtliche Punkte: Mit Blick auf Facebook mahnte er beispielsweise an, dass personenbezogene Daten im Rahmen von Fahndungsaufrufen nicht auf Rechnern von Drittstaaten gespeichert werden dürften – und die Server von Facebook befinden sich bekanntlich in den USA. Problematisch sei auch, dass teilweise unschuldige Personen öffentlich verdächtigt würden. Durch das Posten ihrer Daten auf Facebook könnte das Netz sie dann nicht mehr „vergessen“, argumentierte der Datenschutzbeauftragte. Das niedersächsische Justizministerium in Hannover hatte in der Folge ähnliche Bedenken geäußert, so dass man nun den Umweg über die eigene Website des Landeskriminalamtes nimmt. Die „Facebook Fahndungen“ sind damit nicht mehr auf Servern anderer Staaten gespeichert und auf der Facebook-Fanpage der Polizei Hannover erscheint nun bei jedem Aufruf ein Link auf die entsprechende Seite. Auch die twitternden Kollegen aus Dresden verlinken – datenschutzrechtlich korrekt – ihre Ermittlungen und Fahndungsaufrufe auf ihre hauseigene Website – jetzt müssen sie nur noch nach dem richtigen Ton fahnden.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Berliner Informationsdienst auf UdL Digital. Aylin Ünal ist als Redakteurin des wöchentlich erscheinenden Monitoring-Services für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.