UdL Digital Talk Nachbericht: Menschen und Maschinen – ein politischer Rahmen für Künstliche Intelligenz
Für manche verspricht Künstliche Intelligenz (KI) den Himmel auf Erden, in dem der Mensch nie wieder arbeiten muss und alles von Robotern erledigt wird, für andere ist es der Beginn einer Dystopie, in der wir unsere Entscheidungen von Maschinen diktiert bekommen. Ob Maschinen wirklich die besseren Menschen sind, diskutierten beim ersten UdL Digital Talk nach der parlamentarischen Sommerpause drei Menschen, die die Zukunft von KI entscheidend beeinflussen können: Kanzleramtschef Helge Braun, der auch schon als „Notarzt der Kanzlerin“ bezeichnet wurde, Chris Boos, KI Experte und seit kurzem Mitglied des Digitalrats im Bundeskanzleramt, und Markus Haas, CEO von Telefónica Deutschland.
Von Pessimismus keine Spur
Von Pessimismus konnte aber bei keinem der drei Talkgäste die Rede sein. Von Moderator Cherno Jobatey auf die Lage der KI in Deutschland angesprochen, zeigten sich alle optimistisch. Boos erklärte zwar, dass in Europa der Aufbau von großen Plattformen verschlafen worden sei, dass es dafür aber einen sehr breit aufgestellten Mittelstand gebe. Der bräuchte zwar immer etwas länger, wenn es um Innovationen geht, weil er vorsichtig agiere. Aber wenn er erstmal etwas machen würde, dann meistens richtig.
Trotzdem müsse man jetzt auch zügig vorangehen, appellierte Telefónica-Deutschlandchef Markus Haas an die Anwesenden. Hierbei sei es wichtig, dass die Politik im regen Austausch mit Industrie und Wirtschaft bleibt, um nicht am Bedarf vorbei zu planen. Einen wichtigen Fortschritt sieht Helge Braun deshalb auch in der Einsetzung des Digitalrats und der Bündelung der Digital-Kompetenzen im Bundeskanzleramt. Der Digitalrat hat aber aus Brauns Sicht nicht nur die Aufgabe, die Bundesregierung ganz praktisch zu beraten, sondern soll auch ein gewisses Mindset in die Politik bringen. Deshalb sei er froh, dass mit dem Digitalrat nun auch Menschen am Tisch sitzen, die zeigen, welche generelle Haltung beim Thema Digitalisierung und KI benötigt wird.
„Unsere Wahrnehmung im Zeitalter der Digitalisierung ist bei uns ganz anders als in Tel Aviv in Warschau oder dem Silicon Valley.“
Auf die Kritik, dass mit Digitalrat, Daten-Ethikkommission, der KI-Enquetekommission im Bundestag und anderen zu viele Gremien geschaffen werden, erwiderte Braun, dass es diese brauche. Niemand würde sich beschweren, dass es riesige Abteilungen in anderen Ministerien zu unterschiedlichsten Themen gebe.
Kein Digitalministerium
Ein Digitalministerium lehnen aber alle drei Talkgäste ab. Ein solches Ministerium aufzubauen, sei das Dümmste, was man machen könne, sagte Chris Boos.
„Ein Digitalministerium ist das Dümmste, was man machen kann.“
Denn KI sei überall. Wenn jetzt eine einzelne Institution bestimmt würde, die sich um alle Belange rund um das Thema KI und Digitalisierung kümmert, was wären dann die Aufgaben der restlichen Ministerien? Auch Markus Haas erklärte, dass Digitalisierung nicht vor Ressortgrenzen haltmache. Aus seiner Sicht solle man lieber vom Bürger her denken und darauf achten, welche Bedürfnisse dieser habe. Ein Digitalministerium mache aus seiner Sicht dann auch schnell wenig Sinn. Die Ministerien müssten eher anders zusammenarbeiten. Eine Koordinierung im Kanzleramt sei deshalb sinnvoll und sehr wichtig. Als Beispiel nannte er das Thema Apps. Der Bund habe davon hunderte, die losgelöst von einander laufen. Grund hierfür sei auch, dass die Ministerien zu sehr auf ihr eigenes Haus schauen und bisher nicht genug zusammenarbeiten. Helge Braun gab hier Grund zur Hoffnung.
„Das Online-Zugangs-Gesetz ist ein Game Changer.“
Denn dass alle Leistungen über einen Zugang zu erreichen seien, werde jetzt mit dem „Online-Zugangs-Gesetz“ realisiert. Dadurch würden auch Standards gesetzt werden. Braun spricht von einem „Game Changer“. Bis 2022 sollen alle Verwaltungsleistungen, bei denen es sinnvoll sei, online verfügbar sein. Die Ersten sollen schon in den nächsten Monaten kommen.
Breitbandausbau
Auch das Thema Breitbandausbau kam zur Sprache. Es sei sinnvoll, jetzt Gigabitleitungen zu legen, denn niemand wisse, welche Geschäftspraktiken in den nächsten fünf Jahren welche Datenrate benötigt, erklärte Haas. Das sieht der Chef des Bundeskanzleramts auch so, weshalb er dazu aufruft:
„Wenn wir jetzt durch den Boden eine Furche ziehen, dann muss da Glasfaser rein.“
Das sei allerdings nicht billig. Zu den Kosten erklärte Markus Haas, dass die größten Ausgaben dort entstehen, wo Glasfaser bis an die Haustür gelegt werden soll. Denn hierfür gebe es keine schon liegenden Rohre, die man nutzen könne. Dieses Problem haben andere Länder nicht. Dadurch kostet ein Anschluss in anderen europäischen Ländern ein paar hundert Euro, wohingegen es in Deutschland 1.500 bis 2.000 Euro koste, so Haas. Aus diesem Grund müsste jeder Bürger auch bereit sein, selbst mit zu investieren. Der Staat ist hier aber auch gefordert, gestand Braun ein. Besonders an Orten, an denen ein Ausbau wirtschaftlich nicht rentabel sei, müsse er unterstützen. Letzen Endes wird es auch einen gesetzlichen Anspruch auf einen Breitbandanschluss geben.
5G nicht flächendeckend
Einig waren sich die Diskutanten darin, dass auch der Mobilfunk weiter ausgebaut werden muss, wobei Chris Boos hier auch klarmachte, dass dies nicht der alles entscheidende Faktor sei. In Kalifornien seien die Netze teilweise auch sehr schlecht, Innovationen gebe es dort trotzdem.
„Haben sie schon mal in Kaliforniern telefoniert? Wenn sie Glück haben, kommt da jeder dritte Anruf durch. Am Mobilfunknetz kann unser Hintertreffen also nicht liegen.“
Dennoch will Helge Braun so schnell wie möglich eine Netzabdeckung von 99 Prozent der Haushalte erreichen. Wichtig wird in dieser Hinsicht auch der 5G-Standard, der hohe Datenvolumen und sehr hohe Geschwindigkeiten hervorbringen kann. Die Bundesnetzagentur unterbreitet am 24. September offiziell ihren Vorschlag, wie die Vorgaben für die Frequenzvergabe aussehen könnten. Klar ist aber aus Sicht von Braun, dass 5G als Standard nicht flächendeckend ausgebaut werden kann. Das sei viel zu teuer. Flächendeckung soll also eher durch den 4G-Standard erreicht werden. 5G soll an den entscheidenden Stellen zur Verfügung stehen, wie etwa in Industriegebieten und möglicherweise auf Strecken für das autonome Fahren.
Autonomes Fahren
Generell wird es im Bereich des autonomen Fahrens noch einiges zu besprechen geben. Die Autoindustrie habe in den letzten Jahren ihre eigenen Ansprüche sogar übertroffen, erläuterte Braun. Man müsse sich nun die Frage stellen, wann wir diese Fahrzeuge auf die Straße lassen. Langfristig müsse sogar geklärt werden, ab wann Menschen das Autofahren verboten werden sollte.
Ethische Grundsätze als Alleinstellungsmerkmal
Bei all diesen Überlegungen muss aus Sicht von Braun aber immer klar sein: Die Maschine muss dem Menschen dienen. Deshalb sei es auch so wichtig, dass Europa seinen eigenen Weg gehe, egal ob beim autonomen Fahren, bei Algorithmen oder Big Data. Chris Boos erklärte, dass der europäische Datenschutz auch in Amerika geschätzt wird und amerikanische Unternehmen extra mit ihm zusammenarbeiten wollen, weil es hier einen starken Datenschutz gibt. Auch Markus Haas war überzeugt, dass der Mix aus guten gesetzlichen Rahmenbedingungen auf der einen und einer großen Flexibilität innerhalb dieser Rahmenbedingungen auf der anderen Seite ein großer Vorteil für Deutschland und Europa ist. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass aus Sicht der Diskutanten noch viel Arbeit vor der deutschen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft liegt – der Weg ist aber klar und das Ziel erreichbar.