Meme: Wie aus Merkel eine Raute wurde
Politiker führen manchmal Gespräche, an die sie sich gar nicht erinnern können – zuweilen auch deshalb, weil andere ihnen die Worte in den Mund gelegt haben. Mit Hilfe eines Fotos und ein paar Sprechblasen ist im Internet alles möglich. Das müssen vor allem Spitzenpolitiker häufig erfahren, wenn mal wieder eine ihrer vermeintlich gut durchdachten Aussagen von der Netzgemeinde aufgegriffen wurde. Die dabei entstehenden Memes sind nicht unbedingt wortgewaltig, vielmehr schafft es die Pointe, die Kritik präzise zu formulieren.
Die überraschenden Dialoge der Bundeskanzlerin
Besonders die Bundeskanzlerin ist häufig der Quell großer Kreativität. Nachdem sie während einer Pressekonferenz im Juni verkündet hatte, das Internet wäre „für uns alle Neuland“, erfreute sich nicht nur der Twitter-Hashtag #neuland großer Popularität, auch ein entsprechender tumblr-Blog ließ nicht lange auf sich warten. Plötzlich war alles Neuland und Frau Merkel entdeckte in Collage nicht nur ihr persönliches Amerika neu, sondern eroberte sogar den Mond. Schnell kursierte eine geographische Karte von Neuland im Netz und der Kontinent Europa wurde um den ominösen Staat ergänzt. Für die Neuinterpretation wird gerne auch auf etablierte und bekannte Charaktere zurückgegriffen: Im Disney-Format à la König der Löwen herrscht Angst vorm Neuland und auch beim Herrn der Ringe warnt man vor dem gefährlichen und unbekannten Gebiet. Immerhin schaffte es das neue Trendwort sogar auf’s diesjährige SPD-Wahlplakat, auf dem die Sozialdemokraten im Stil des „negative campaigning“ die Haltung der Bundeskanzlerin hinsichtlich der regulierten Privatsphäre kritisierten. Auch die Facebook-Seite FDP Liberté nutzt gerne diese Art der Auseinandersetzung, um Kritik an der politischen Konkurrenz zu üben.
Neben dem offensichtlichen Spaßfaktor der Memes im Netz schwingt jedoch oft eine politische Botschaft mit. Im Gespräch mit US-Präsident Obama kommen dank ausgefüllter Sprechblasen in fiktiven Dialogen Aspekte zur Sprache, von denen sich die Netzgemeinde wünscht, dass sie auch in der realen Welt ausgesprochen werden. Dabei standen natürlich in letzter Zeit die Kommunikationsüberwachung sowie Merkels Durchsetzungsvermögen gegenüber den USA im Vordergrund der allgemeinen Kritik. Im Gespräch mit Persönlichkeiten aus dem Inland lässt man die Bundeskanzlerin zudem gerne mal ihre Sorgen vor anstehenden Wahlergebnissen formulieren.
Gesten und Gesetze können der Anfang eines Meme sein
Selbst eine Umarmung kann eine politische Geste sein, musste Bundeswirtschaftsminister Rösler feststellen, als er im Mai den Chefredakteur der Bild-Zeitung Kai Diekmann im Silicon Valley herzte und damit ungeahnte Aufmerksamkeit sowie Nachahmer erfuhr. Neben diversen Collagen, auf denen Rösler ganz andere „Freunde“ begrüßte, gab es auch in diesem Fall die bewährten Sprechblasen zum Ausfüllen. Darin formulierte die Netzgemeinde ihre Vermutung, dass Diekmann sich in dieser Situation u.a. für das zuvor nach hitziger Diskussion regulierte Leistungsschutzrecht bedankte.
Memes sind nicht nur an Politiker gebunden, sondern können auch Themen aufgreifen: Um gegen die damalige Version der EU-Datenschutzreform zu protestieren, riefen verschiedene Blogs und Kampagnenportale dazu auf, Datenschutz-Memes zu generieren, die sie als Protest auf einem tumblr-Blog sammelten. Jeder kann also mit seiner Kreativität an den „Phänomemen“ teilhaben und das tun immer mehr. Was die teilweise anonymen Kreativen antreibt, ist nicht immer klar: Einerseits werden die politischen Themen durch die Visualisierung zugespitzt, so dass die politische Botschaft auch weniger politisch interessierte Bürger erreicht. Auf der anderen Seite sind viele Memes ziemlich deutlich von Politikverdrossenheit geprägt. Geschickt genutzt könnte diese neue Form der Kommunikation und der politischen Auseinandersetzung für die Politik durchaus positiv sein. Mit einer entsprechenden Strategie eingesetzt müssten die schnelle virale Verbreitung und die damit einhergehende große Reichweite eines Meme den Wahlkämpfern schließlich sehr entgegenkommen.
Sicher nicht Teil der CDU-Wahlkampfstrategie, aber vielleicht ein lustiges Give away für den SPD-Wahlkampf ist etwas, dass es aus dem Netz in die reale Welt geschafft hat: In Anlehnung an Grumpy Cat, die bei Facebook mehr als 1,2 Mio. Likes hat, gibt es inzwischen die Grumpy Merkel auch als Offline-Kuscheltier.