Mehr Frauen in der digitalen Welt: Chancen nicht nur für „Wonderwomen“

Verena Pausder, Maren Heltsche, Susanne Müller und Elisabeth Allmendinger | Foto: Henrik Andree
Verena Pausder, Maren Heltsche, Susanne Müller und Elisabeth Allmendinger | Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 11.10.2022

Selbstbewusstsein und Neugier der Mädchen gegen altbackene Berufsvorstellungen fördern

96.000 Stellen in der IT-Branche blieben im vergangenen Jahr unbesetzt. Zum Teil, weil sich zu wenig Frauen für Technologie, Digitalisierung und die entsprechenden Studiengänge oder Ausbildungsberufe interessieren. Dabei kann man Mädchen und Jungen im Kindesalter ziemlich gleichmäßig für Technik, Roboter und Programmieren gewinnen, wenn man Geschlechterstereotype beiseitelässt. Erst in der Pubertät sinkt das weibliche Interesse an diesen Themen. Wie kann eine „Toolbox für mehr Frauen in der Digitalisierung“ aussehen, wie kann das Interesse früh geweckt und am Leben erhalten werden bis in die Berufskarriere hinein, war die Frage der zweiten Veranstaltung der Basecamp Themenwoche.

Darüber diskutierten  am Montagabend im Basecamp in Berlin-Mitte  Verena Pausder, die 2017 den „Verein Digitale Bildung für Alle“ gegründet hat, Dr. Renata Jovanovic, Partner bei Deloitte und speziell für die gerade so wichtige Sparte Öl, Gas und Chemie zuständig, und Susanne Müller, Stellvertretende Abteilungsleiterin Bildung in der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände mit Elisabeth Allmendinger, Bereichsleiterin für Bildungspolitik beim Verband Bitkom.

„Wir brauchen mehr Frauen in der digitalen Welt“ forderte Allmendinger, ganz nach dem Slogan der 2020 gegründeten Initiative „She Transforms IT“, der Mitveranstalterin der FishBowl-Diskussion. Nur 17 Prozent der Beschäftigten in der IKT-Branche sind weiblich, und mehr Frauen verlassen diesen Bereich im Berufsleben als Männer. Dabei haben Kinder im Alter von sechs Jahren die gleiche Neugier für Technik, Mädchen wie Jungen, zeigen die Kurse in den Haba-Digitalwerkstätten.

Verena Pausder | Foto: Henrik Andree
Verena Pausder | Foto: Henrik Andree

Um das Bild in den Familien zu verändern, was Männer- und Frauenberufe sind, werden hier oft auch Großeltern und Enkel, Mütter und Töchter und weitere Familiengespanne eingeladen. Denn wenn die altbackenen Vorstellungen von „typischen“ Berufen im Elternhaus zu stark sind, schwächt das die Neugier und die Selbstbehauptung der Kinder, an für zuhause „ungewöhnliche“ Berufswege zu denken. Gerade in der Pubertät, so hat Müller beobachtet, orientieren sich Mädchen sehr stark an femininen Vorbildern. Wichtig, dass es dann eben auch Astronautinnen, Forscherinnen und Erfinderinnen zur Auswahl gibt.

Verena Pausder, Maren Heltsche, Susanne Müller und Elisabeth Allmendinger | Foto: Henrik Andree

„Wir müssen am Selbstbewusstsein von Mädchen und Frauen arbeiten“, meinte Jovanovich, die selbst erlebt hat, wie mit jedem Bildungsabschnitt im Chemiestudium die Frauen weniger wurden. In den Studiengängen von Mathematik, Ingenieurwissenschaft, Naturwissenschaft und Technik, den sogenannten MINT-Fächern, liegt der Durchschnitt weiblicher Studierender immer noch nur bei rund 15 Prozent. Pausder denkt deshalb über eine „Quote von unten“ nach, die Hochschulen animieren soll, mehr junge Frauen in ihre technischen Hörsäle zu bekommen. Auch eine Umbenennung von Studienfächern könne mehr junge Frauen anziehen, so sei beispielsweise eine „Medien- oder Umweltinformatik“ für Studentinnen attraktiver als eine reine „Informatik“, hat Müller beobachtet.

Für Jovanovich ist das Mentoring für die Persönlichkeitsentwicklung junger Frauen wichtig, darüber hinaus wirbt sie aber auch für ein konkretes Karrieresponsoring in der Firma. Zwei verschiedene Aufgaben, wie sie betont. In den Unternehmen sollten die Berufswege der Frauen und ihre interessanten Aufgaben deutlicher herausgestellt werden, sie sollten auch als Aushängeschild über die Firma hinaus dienen, um die Vorstellung von möglichen Berufswegen bei Schülerinnen und Studentinnen zu erweitern.

Foto: Henrik Andree
Foto: Henrik Andree

Und wie finden Unternehmen nun konkret mehr karrierewillige Frauen? Durch eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und zwar in allen Berufsfeldern, erklärt Müller. Dass dies allerdings inzwischen auch vielen jungen Männern wichtig ist, haben Personalabteilungen in vielen Unternehmen in den vergangenen Jahren lernen müssen. Kinder sind viel zu oft immer noch das Karriereende, beklagte der erste Gast auf dem freien Stuhl.  Wenn es Frauen in den gegenwärtigen Strukturen schaffen, Karriere und Kinder zu vereinbaren, müssen sie „wahre Wonderwomen“ sein. Und als Mentoren für Frauen sollten sich auch Männer engagieren, das dürfe nicht einseitig laufen, mahnte der Gast von der Magenta-Konkurrenz.

Weitere Impressionen von der Veranstaltung:

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