Matthias Machnig: Digitale Transformation gestalten

Staatssekretär Matthias Machnig: Digitalisierung gestalten, Foto: BMWi, Michael Voigt
Veröffentlicht am 15.08.2016

Vor zwei Jahren hat die Bundesregierung mit der Digitalen Agenda 2014 – 2017 ihre netzpolitische Leitlinie für diese Legislaturperiode beschlossen. Damals von vielen Fachleuten noch als unzureichend bezeichnet, hat der Maßnahmenplan inzwischen sichtbare Fortschritte bei der Digitalisierung in Deutschland gebracht. Die Branchenverbände Bitkom und Eco sind zufrieden: 90 Prozent der Einzelinitiativen haben die Ministerien bereits auf den Weg gebracht oder sogar schon abgeschlossen. Für Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kein Grund, sich zurückzulehnen. Auf der CeBIT hat er die Digitale Strategie 2025 vorgestellt: ein ressortübergreifendes Konzept, wie der digitale Wandel in Deutschland zukünftig gestaltet werden kann. Matthias Machnig (SPD), der zuständige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, erläutert im Interview mit UdL Digital die Ideen des Ministeriums zur Zukunft des Breitbandausbaus, zur Förderung für Start-ups und zur digitalen Bildung. Und er verrät, warum die Einrichtung einer Digitalagentur der erste Schritt in die richtige Richtung ist.

Wandel „made in Germany“

Staatssekretär Matthias Machnig: Digitalisierung gestalten
Staatssekretär Matthias Machnig: Digitalisierung gestalten, Foto: BMWi, Michael Voigt

Herr Machnig, die Bundesregierung hat vor zwei Jahren gemeinsam die Digitale Agenda 2014 – 2017 verabschiedet, mit der Deutschland fit für den digitalen Wandel werden soll. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Umsetzung?

Die Digitalisierung ist eine der wichtigsten technologischen Veränderungen unserer Zeit und hat erheblichen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft. Sie verändert unsere bestehenden Strukturen, unseren Alltag und in vielen Bereichen auch die Spielregeln. Nur wenn wir die digitale Transformation erfolgreich stemmen, wird Deutschland auch in Zukunft seine Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Dies zu gewährleisten und zu fördern, ist Aufgabe unserer Wirtschaftspolitik und Ziel der Digitalen Agenda 2014 – 2017.

Vieles von dem, was wir uns in der Digitalen Agenda für diese Legislaturperiode vorgenommen haben, haben wir bereits erreicht. Man denke nur an das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende, das E-Health-Gesetz oder das IT-Sicherheitsgesetz. Auch für WLAN-Betreiber schaffen wir endlich die notwendige rechtliche Sicherheit und bereiten damit den Weg für mehr öffentliche WLAN-Hotspots in Deutschland. Und das sind nur einige Beispiele.

Mit der Digitalen Strategie 2025 hat das Bundeswirtschaftsministerium jetzt im Alleingang ein ressortübergreifendes Konzept vorgelegt, das in vielen Punkten über diese Legislaturperiode hinausweist. Was hat Sie dazu bewogen, die anderen fachlich ebenfalls zuständigen Ministerien wie das BMVI, das BMI und das BMBF nicht mit in die Weiterentwicklung der Digitalen Agenda einzubeziehen? Müssten viele Weichen für die Umsetzung der Digitalen Strategie 2025 nicht schon in dieser Legislaturperiode gestellt werden?

Die Digitale Agenda 2014 – 2017 ist unsere Leitschnur für diese Legislaturperiode und sie hat viel bewegt. Gleichzeitig müssen wir aber auch weiter denken, denn das Tempo des Digitalen Wandels ist enorm und nimmt keine Rücksicht auf Legislaturperioden. Nehmen wir zum Beispiel den Datenverkehr und die Vernetzung von Geräten: 2015 waren circa 20 Milliarden Geräte und Maschinen über das Internet vernetzt. Schätzungen zufolge wird sich diese Zahl bis 2030 auf eine halbe Billion erhöhen.

Mit unserer „Digitalen Strategie 2025“ haben wir dem digitalen Tempo entsprechend einen Weg aufgezeichnet, wie eine erfolgreiche digitale Transformation unserer Volkswirtschaft gelingen kann. Sie ist ein Beitrag des BMWi für die weitere Debatte wie wir Wandel „made in Germany“ und die digitale Gesellschaft der Zukunft gestalten wollen. Hier geht es darum aufzuzeigen, was wir jenseits von 2017, jenseits aktueller politischer Kompromisse anpacken sollten, um frühzeitig die Weichen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Digitalpolitik und damit unserer Wirtschaft zu stellen.

Ausbau des Glasfasernetzes

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat beim Nationalen IT-Gipfel 2015 das Ziel ausgegeben, dass Deutschland bis 2025 die „beste digitale Infrastruktur der Welt“ haben soll. Wie passt das ehrgeizige Ziel eines Gigabit-Glasfasernetzes zu der aktuellen Vectoring-II-Entscheidung der Bundesnetzagentur, die nach Ansicht zahlreicher Experten den Glasfaserausbau verzögern könnte? Und wie sollen die erheblichen finanziellen Mittel, die zum Ausbau des Gigabit-Glasfasernetzes nötig sind, aufgebracht werden? Welche Rolle soll der Staat und welche die Unternehmen spielen?

Die Digitalisierung ist in vollem Gange, sie erfasst nicht nur die Industrie, sondern alle unsere Arbeits- und Lebensbereiche. Die Infrastruktur darf hier nicht zum limitierenden Faktor werden. Die Entwicklung hin zu einer Gigabitgesellschaft dürfen wir nicht hinauszögern. Künftige Breitbandanschlüsse müssen Geschwindigkeiten im Gigabit-pro-Sekunde-Bereich sowohl im Download wie im Upload bieten, eine zuverlässige echtzeitfähige Übertragung sicherstellen und Internetdienste in hoher Qualität ermöglichen. Auch den oftmals höheren Anforderungen von Unternehmen an die Internetanbindung müssen wir Rechnung tragen.

Die politische Forderung nach einem schnelleren Breitbandausbau ist technologieneutral. Auch liegt den Investitionen der Telekom in das bestehende Kupfernetz durch die Vectoring-Technologie keine politische Schwerpunktsetzung zugrunde. Bei der Entscheidung der Bundesnetzagentur war nicht zu prüfen, ob Investitionen in Glasfaser-Netze politisch wünschenswerter wären. Die Bundesnetzagentur musste sicherzustellen, dass die Wettbewerber nicht diskriminiert werden.

Foto: CC-By 2.0 Flickr User Groman123. Bildname: Optical fiber bokeh / Ausschnitt bearbeitet.

Ich sehe Vectoring auch als einen Zwischenschritt für den späteren Ausbau eines Glasfasernetzes. Der Ausbau von Gigabitnetzen in Ballungsgebieten ist lukrativ, das wird der Markt regeln. In ländlichen Regionen und Randlagen sieht es aber oft anders aus. Hier müssen wir unter Umständen politisch unterstützen. Ein Zukunftsinvestitionsfonds mit einem Fondsvolumen von rund zehn Milliarden Euro kann wichtige Anreize setzen, um bis 2025 die Erschließung auch von ländlichen Gebieten mit Gigabitnetzen zu verwirklichen.

Neue Gründerzeit

Die Zahl der Hightech-Gründungen ist in Deutschland von 1995 bis 2015 um 40 Prozent zurückgegangen. Laut der „Digitalen Strategie 2025“ strebt das BMWi eine „Neue_Gründerzeit“ an. Fehlt es am Mut? Oder am Geld? Oder an Ideen? Mit welchen Maßnahmen wollen Sie die kreativen Köpfe in die Selbstständigkeit locken?

Die dynamischen Gründerszenen in der gesamten Bundesrepublik, nicht nur in Berlin, zeigen, dass Gründen immer stärker Konjunktur hat. Vor allem in den freien Berufen entwickeln sich Gründungen positiv. Dahinter steht vor allem die hohe Nachfrage nach hochspezialisierten und individualisierten Dienstleistungen.

Bei High-Tech-Gründungen verzeichnen wir aber einen Rückgang. Ein Grund kann in der derzeitigen guten Konjunktur liegen. Potentielle Gründer entscheiden sich lieber für eine gut bezahlte Festanstellung in der etablierten Wirtschaft, als sich dem Risiko einer Unternehmensgründung auszusetzen. Wichtig ist, frühzeitig die Gründe für nachlassende Gründungstätigkeit in hochinnovativen Bereichen zu erkennen und wirkungsvolle Unterstützungsmaßnahmen für Start-ups zu entwickeln. Genau hier setzen wir mit unserer Initiative „Neue Gründerzeit“ an.

Neben Mut, Kreativität und Know-how ist für eine erfolgreiche Unternehmensgründung vor allem auch Kapital erforderlich. Das gilt besonders für innovative, technologiebasierte Start-ups. Das BMWi unterstützt mit zahlreichen passgenauen Förderinstrumenten innovative Start-ups sowohl bei der Gründung als auch in der Wachstumsphase. In Kürze werden wir beispielsweise einen dritten High-Tech Gründerfonds auflegen. Mit dem INVEST-Zuschuss für Wagniskapital geben wir ferner wichtige Anreize und ermutigen private Investoren, sich an jungen, innovativen Unternehmen zu beteiligen. Dafür stellen wir in den Jahren 2017-2020 100 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Neben finanzieller Unterstützung und Verbesserung der Rahmenbedingungen setzen wir aber auch auf internationale und branchenübergreifende Vernetzung, Sensibilisierung und Information für Gründerinnen und Gründer – und für die, die es noch werden wollen. Unser Ziel ist, dass aus Ideen noch mehr innovative und dauerhafte Geschäftsmodelle entstehen.

Bildung als Voraussetzung für digitale Selbstbestimmung

„Digitales Lernen“ bildet einen wichtigen Fokus Ihrer Gesamtstrategie und auch beim nationalen IT-Gipfel der Bundesregierung soll der Schwerpunkt in diesem Jahr auf der digitalen Bildung liegen. Allerdings liegt die Verantwortung für Schulen und Universitäten bei den Ländern und die im Koalitionsvertrag vereinbarte Strategie „Digitales Lernen“, die gemeinsam mit den Ländern erarbeitet werden sollte, liegt noch immer nicht vor. Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat die Bundesebene, welche Schwerpunkte setzen Sie in der Digitalen Strategie 2025 und ziehen Sie dabei mit Bildungs- und Forschungsministerin Johanna Wanka an einem Strang?

Ausbildung, Weiterbildung und Fachkräftesicherung in der und für die digitale Welt haben wir als BMWi stets im Fokus. Acht von zehn Unternehmen sehen heute die Weiterbildung ihrer Fachkräfte für die digitale Arbeitswelt als entscheidenden Faktor für die eigene Konkurrenzfähigkeit an. Gleichzeitig ist die digitale Bildung Voraussetzung für unsere Selbstbestimmung und allgemeine Bewertungskompetenz in der digitalen Welt. Deshalb haben wir das Thema zu einem Schwerpunkt des diesjährigen IT-Gipfels gemacht und ihm auch in der Digitalen Strategie 2025 ein eigenes Kapitel gewidmet.

Dabei setzen wir auf allen Stufen an – von der Schule über die duale Ausbildung, die Hochschule bis zur beruflichen Weiterbildung. Beim IT-Gipfel im November werden zum Beispiel zwei ressortübergreifende Foren zum Thema digitale Bildung die gesamte Bildungskette von der schulischen bis zur Aus- und Weiterbildung abdecken.

Derzeit überprüfen wir, inwieweit die vier dualen IT-Berufe modernisiert werden müssen. Zudem wollen wir einen neuen Beruf „E-Commerce-Kaufmann/-frau“ schaffen. Im Bereich der Weiterbildung haben wir zehn Mittelstand-4.0-Kompetenzzentren sowie ein Kompetenzzentrum Digitales Handwerk auf den Weg gebracht. Hier können die Unternehmen vielfältige Sensibilisierungs- und Trainingsmaßnahmen zum Beispiel in speziellen „Lernfabriken“ entwickeln und erproben.

Neue Digitalagentur statt Insellösungen

Die Opposition, aber auch SPD-Politiker wie Lars Klingbeil haben die Einführung eines Digitalministeriums gefordert, da die geteilte Zuständigkeit für diesen Bereich ihrer Ansicht nach Blockaden verursacht, wie kürzlich bei der Störerhaftung zu beobachten war. Sie begnügen sich in der Digitalen Strategie mit der Einrichtung einer Digitalagentur, die u.a. digitale Kompetenzen bündeln und die Bundesregierung bei der Umsetzung der digitalen Agenda unterstützen soll. Was sind die Vorteile Ihres Ansatzes?

Mit der Digitalen Strategie 2025 haben wir zehn Schritte aufgezeigt, wie wir ein digitales Deutschland in der Zukunft erfolgreich gestalten können. Klar ist: Die Antworten auf die gegenwärtigen und zukünftigen Fragen der digitalen Transformation werden wir nur institutionsübergreifend, vernetzt und konzertiert finden und umsetzen können.

Die Zeit der Insellösungen muss zu einem Ende kommen. Für die digitale Transformation müssen wir uns auch institutionell besser aufstellen.

Hierfür haben wir eine Digitalagentur vorgeschlagen. Ihre Aufgabe? Die Digitalagentur soll die Bundesregierung sowohl als Denkfabrik als auch als Servicestelle unterstützen. Sie soll Unternehmen und Bürger aktiv informieren, für Behörden zentraler und kompetenter Ansprechpartner sein. Vor einer ähnlichen Situation standen wir doch bereits bei vielen Themen. Man nehme nur den Umweltschutz. Dass wir heute ein Umweltministerium und ein Umweltbundesamt haben, ist eine Selbstverständlichkeit. Dabei gibt es das Umweltministerium erst seit 1986, das Umweltbundesamt aber schon seit 1973. Da ist doch klar, dass wir bei einer Herkulesaufgabe wie der Digitalisierung um eine Bundeseinrichtung mit gebündelten Digitalisierungskompetenzen nicht herum kommen.

Gibt es künftig die Digitalagentur?

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