Look back – UdL Digital Talk: „Bauer sucht Cloud“ mit Christian Schmidt

Veröffentlicht am 01.06.2015

Unter dem vielversprechenden Titel „Bauer sucht Cloud – Digitalisierung in der Landwirtschaft“ fand am Dienstag, 26.05.2015 der UdL Digital Talk im gut gefüllten BASE_camp statt. Auf dem Podium begegneten sich Christian Schmidt (Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft) und Maximilian von Löbbecke (Geschäftsführer von 365FarmNet), die dem Publikum eines ganz deutlich machten: Die Landwirte stellen sich beim digitalen Fortschritt ihrer Betriebe weitaus weniger unbeholfen an als die Bauern auf den Irrwegen der Liebe bei RTL! Wo der deutsche Mittelstand noch über Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung debattiert, ist sie auf den Bauernhöfen bereits angekommen.

 

Moderiert wurde dieser UdL Digital Talk wie immer vom Herausgeber der deutschen Huffington Post, Cherno Jobatey.

 

Digitalisierung in der Landwirtschaft

 

„Wir sind zwar noch nicht bei Landwirtschaft 4.0, aber 3.5 ist schon erreicht“, zeigte sich Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (CSU), bei der Podiumsdiskussion überzeugt. Die große Bereitschaft der Landwirte bestätigt auch sein Gesprächspartner Maximilian von Löbbecke, Geschäftsführer von 365FarmNet. Zwar nutzten 85 Prozent der Bauern noch keine Farm-Management-Software, um unterschiedlichste Produktionsbereiche ihres Betriebs vollständig durch ein einziges System zu steuern, aber würden Internet und verfügbare Einzelsysteme bereits von 96 Prozent genutzt, um effizient und nachhaltig zu arbeiten. Insbesondere bei kostenintensiven Posten wie dem Pflanzenschutz und Dünger ließen sich damit Ausgaben reduzieren, wodurch vor allem kleinere Betriebe profitieren. „Insgesamt sehe ich durch die Digitalisierung in der Landwirtschaft ein Einsparpotential von 20 bis 30 Prozent. In der Vernetzung der einzelnen digitalisierten Elemente liegt die Zukunft“, so die Prognose des IT-Experten von Löbbecke.

 

Landwirtschaft 4.0 und ihre Vorteile

 

Immer weniger Bauern müssen immer mehr Menschen mit Lebensmitteln versorgen, was die digitalbasierte Effizienzsteigerung umso notwendiger macht. „Heute ernährt jeder Bauer 144 Personen, vor 20 Jahren waren es nur ein Drittel davon“, berichtete der 365FarmNet-Geschäftsführer. Neue Produktionsmittel müssen genutzt werden. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt pflichtete ihm bei und wies darauf hin, dass die gestiegenen Anforderungen an die Landwirtschaft nichts einer „Heidi-Alm-Öhi-Idylle“, sondern nur mit Digitalisierung zu erreichen sind. „Wir wollen ja nicht auf Deubel komm raus produzieren, sondern nachhaltig“, stellte der CSU-Politiker ebenso klar.

 

Mit dem Tablet auf dem Traktor werden zukünftig Bauern ihre Felder bestellen und ihren Hof managen. Und auch im Stall hält die Digitalisierung Einzug: Ausgestattet mit Sensoren, lassen sich Bewegungen und Fressverhalten von Schweinen und Kühen analysieren und die erhobenen Daten auch als Frühwarnsystem für Erkrankungen dienen, so von Löbbecke zu den Vorteilen der Landwirtschaft 4.0. Vor allem für Ökobetrieben, die über weniger Reaktionsmöglichkeiten verfügen als die konventionelle Landwirtschaft, sind solche Frühwarnsysteme zum Zustand der Tiere und Pflanzen notwendig. Auch für den Verbraucher birgt die Digitalisierung der Bauernhöfe Vorteile: Der IT-Experte von Löbbecke schwärmt von einem Tracking-System mit dem der Verbraucher nachvollziehen kann, was die Kuh gegessen hat, deren Fleisch er kauft.

 

Big Data in der Landwirtschaft

 

Auf ihrem Weg in die digitale Welt scheint den Bauern dabei etwas zu gelingen, was sich viele Internetnutzer wünschen: Die Landwirte behalten die Hoheit über ihre Daten. Dazu erklärte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, dass Bauern durch die Organisation in Genossenschaften, die Entwicklung und Nutzung von übersichtlichen Cloud-Systemen möglich sei und die Politik übernehme, die Gefahren einzugrenzen und zu kanalisieren. Maximilian von Löbbecke ergänzte aus Sicht der Praxis, dass der gute Datenschutz in Deutschland in der tat Vertrauen bei den Landwirten schafften konnte.

 

Den Bauern scheint dabei auf ihrem Weg in die digitale Welt zu gelingen, was sich viele Internetnutzer wünschen: Sie behalten bislang die Hoheit über ihre Daten. Ein Grund dafür sei die Organisation in Genossenschaften, wodurch die Entwicklung und Nutzung von sehr kleinen, übersichtlichen Cloud-Systemen möglich sei, erklärte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt und ergänzte, dass die Politik dazu da sei, die Gefahren einzugrenzen und zu kanalisieren. Wie Maximilian von Löbbecke aus der Praxis zu berichten wusste, sei durch den guten Datenschutz in Deutschland tatsächlich Vertrauen bei den Landwirten geschaffen worden.

 

Was das Thema Big Data betrifft, beobachtet der 365FarmNet-Geschäftsführer das es für viele Landwirte zwar interessant sei, sie aber in erster Linie diese Daten für sich selbst nutzen wollten. Die von ihnen erhobenen Produktionsdaten würden in der Regel nur Firmen überlassen werden, die ihnen einen Mehrwert bieten. Nichtsdestotrotz halte er es für vorstellbar, dass Bauern bestimmte Daten freiwillig zur Verfügung stellen. Christian Schmidt macht beim UdL Digital Talk keinen Hehl daraus, dass er großen Potenzial in der weitergehenden Datennutzung sieht. Mit einer entsprechenden Regelung sei man auf einem guten Weg aus europäischer Sicht Agrarinformationen aufzunehmen und international sei ein globales System im Aufbau.

 

Mehr Breitband für Bauern

 

Aber eine Einschränkung gibt es aktuell: Es dauert häufig sehr lang, bis die Daten der digitalen Bauern dort sind, wo sie hin sollen; was die Euphorie der Digitalisierung der Landwirte noch bremst, sei die Infrastruktur vor allem in ländlichen Regionen, so Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt. Zugleich gestand er ein, dass der Breitbandausbau dort in den letzten Jahren zu wenig Aufmerksamkeit erhielt. Für die Zukunft habe er aber viele Ideen, wie sich der Etat seines Parteikollegen Alexander Dobrindt (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, dafür nutzen lasse. Er selbst habe mit Kollegin Johanna Wanka (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, bereits ein Programm in Höhe von 2,5 Milliarden aufgelegt, mit dem u.a. Bioökonomie gefördert werden soll. Gleichwohl wies er darauf hin, dass das Geld die Digitalisierung der Landwirtschaft vorantreiben soll, Investitionen in neue Produkte und Projekte aber nicht nur vom Staat angestoßen werden könnten. Software-Experte von Löbbecke beklagte die schlechten Entwicklungsbedingungen: „Die digitale Welt ist schnell, leider haben wir in Deutschland nicht das gleiche Klima wie in den USA“. Er plädierte für mehr Anreize für Investoren in Deutschland mehr Leichtigkeit beim Arbeitsschutz sowie bei den Steuergesetzen und zog den Vergleich zur Schweiz, wo Firmen „in zwei Tagen die Steuererklärung für ein ganzes Jahr“ fertigstellen könnten.

 

Blick in die Zukunft: Wann ist die Landwirtschaft ganz digital?

 

Einigkeit herrschte bei den Podiumsteilnehmern Schmidt und von Löbbecke in der Begeisterung für die digitalen Entwicklungen der Landwirtschaft. Was die Zukunft angeht, so herrschte der Konsens nicht mehr: Maximilian von Löbbecke prognostiziert, dass ein Großteil der deutschen Landwirtschaftsbetriebe schon in zwei Jahren ihre Produktion digital steuern wird. Der Bundeslandwirtschaftsminister allerdings geht davon aus, dass die Digitalisierung erst in zehn bis zwanzig Jahren von allen Betrieben nachvollzogen sein wird. Aber: „Wer mit einem Smartphone aufgewachsen ist, der ist dafür aber zugänglicher“, so Christian Schmidt.

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